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Spezialkräfte der Polizei sind am Flughafen im Einsatz.
  • Spezialkräfte der Polizei sind am Flughafen im Einsatz.
  • Foto: picture alliance/dpa/Bodo Marks

Geiselnehmer gelangt auf Airport-Vorfeld – Betreiber und Behörden „unfassbar naiv“

Wie konnte ein bewaffneter 35-Jähriger mit seiner Tochter als Geisel mit dem Auto auf das Vorfeld des Hamburger Flughafens gelangen? Waren die einzigen Hindernisse wirklich nur rot-weiße Schranken? Passagiere und Experten sind entsetzt – und stellen Forderungen.

Eigentlich will Fluggast Roland Kaminski mit Frau und Sohn nach Dubai, Abflug am Samstag in Hamburg. Doch ein bewaffneter 35-Jähriger ist mit seiner vierjährigen Tochter als Geisel mit seinem Auto durch Absperrungen am Flughafen gefahren, bis auf das Vorfeld, hat in der Nähe eines Flugzeuges Brandsätze geworfen. Viel mehr als der stundenlang ausgesetzte Flugverkehr ärgert Passagier Kaminski, dass es dem Mann überhaupt möglich war, auf das Flughafengelände zu gelangen. Schon am Samstagabend stellt er die Frage, die auch viele andere Passagiere und Menschen in sozialen Medien umtreibt: „Wie kann das passieren?“

Hamburg: Großes Entsetzten nach Geisel-Drama am Flughafen

Erst am Sonntagnachmittag gibt der Geiselnehmer auf, er wird festgenommen, das Kind ist unverletzt. Trotz des glücklichen Endes: Die Sorge vor noch schlimmeren, folgenreicheren Taten, die bleibt. „Wir werden durch sämtliche Sachen durchgecheckt. Da noch mal, da noch mal, da noch mal – und er kommt hier mit seinem Auto und kann die Sicherheitsanlagen durchbrechen“, klagt Kaminski. Das sei ihm völlig unverständlich. „Ganz ehrlich, da läuft irgendwie was verkehrt.“

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Anders als etwa auf etlichen Plätzen, wo im Boden versenkbare Sicherheitspoller ein unbefugtes Passieren von Fahrzeugen verhindern, scheinen am Flughafen Hamburg rot-weiße Schranken tatsächlich das einzige Hindernis für den 35-Jährigen auf seinem Weg in den Sicherheitsbereich gewesen zu sein.

Und es war auch nicht der erste derartige Vorfall an deutschen Flughäfen. Erst im Juli hatten Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation am Airport Hamburg den Zaun am Airport aufgeschnitten, fuhren mit Leihrädern in Richtung Rollfeld und klebten sich an mehreren Stellen auf Zubringerwegen fest. Die Folge: Am Flughafen ging über Stunden nichts mehr. Ähnliches erlebten zuletzt auch die Flughäfen in Berlin und München.

Experte: Die Verantwortlichen agierten „unfassbar naiv“

Entsprechend harsch fällt auch das Urteil des Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt aus, der früher bei der Lufthansa, bei Boeing und bei der Pilotenvereinigung Cockpit gearbeitet hat: „Der Hamburger Flughafen ist nicht sicher – und andere Airports in Deutschland auch nicht“, sagt er dem „Spiegel“. Es sei ein Skandal. Flughäfen „sind seit Jahrzehnten als bevorzugte Angriffsziele für Terroristen bekannt. Auf den Vorfeldern stehen Maschinen mit Zehntausenden Litern Kerosin im Bauch und Hunderten Passagieren an Bord.“ Großbongardt nennt die Flughafenbetreiber und Behörden deshalb „unfassbar naiv“.

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Auch der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) reicht das bisherige Vorgehen nicht mehr. „Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt“, sagt DPolG-Bundesvize Heiko Teggatz. Die Politik unternehme da viel zu wenig. „Da vermisse ich auch eine Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser.“

Der Flughafenbetreiber ist sich keiner Schuld bewusst

Das Luftsicherheitsgesetz schreibt unter anderem vor, dass Flughafenbetreiber zum Schutz vor Angriffen verpflichtet sind, „die Bereiche der Luftseite gegen unberechtigten Zugang zu sichern und, soweit es sich um Sicherheitsbereiche oder sensible Teile der Sicherheitsbereiche handelt, den Zugang nur hierzu besonders berechtigten Personen zu gestatten“.

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Entsprechend ist sich der Flughafen Hamburg selbst keiner Versäumnisse bewusst. „Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils“, sagt eine Sprecherin. Dennoch könne bei der Größe des Airports – er umfasst fast 800 Fußballfelder – nicht ausgeschlossen werden, „dass ein hochkrimineller, unbefugter Zutritt zum Sicherheitsbereich mit brachialer Gewalt erfolgen kann“.

Flughafenverband: „100-prozentiger Schutz ist unmöglich“

Rückendeckung für die Hamburger gibt es vom Flughafenverband ADV. Bei großen Flughäfen könnten die Zaunanlagen eine Länge von mehr als 40 Kilometern erreichen. Hinzu kämen Tore und Zugangsanlagen, die an bestimmten Stellen auch aus Sicherheitsgründen – etwa für die Feuerwehr – schnell passierbar sein müssten, teilt der Verband mit. Auch mit Blick auf das Eindringen des 35-Jährigen auf das Vorfeld des Hamburger Flughafens erklärt der Verband: „In diesen Fällen ist ein 100-prozentiger Schutz gegen das Durchdringen mit brachialer Gewalt unmöglich.“

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Die Sprecherin des Hamburger Flughafens weist zudem darauf hin, dass neben baulichen Maßnahmen auch Alarmketten etabliert seien, „die einwandfrei gegriffen haben“. Als Folge der Aktionen der „Letzten Generation“ lägen keine neuen Anforderungen für Einrichtungen der kritischen Infrastrukturen vor. Derzeit teste der Flughafen aber neue Kamera- und Zaunsensorik-Systeme. „Zudem wurde die Bestreifung der Zaunanlage durch Sicherheitskräfte nachhaltig erhöht.“ Zu den offensichtlich leicht zu durchbrechenden Schranken will sie sich nicht äußern, schreibt nur: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine näheren Angaben zum Sicherheitskonzept machen.“

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