Miese Stimmung? Gerne! St. Pauli setzt in Stuttgart auf „schwäbische Unzufriedenheit“
Die Vergangenheit spiele keine große Rolle vor diesem Spiel, hatte Alexander Blessin bereits mehrere Tage vor dem Auswärtsspiel seines FC St. Pauli beim VfB Stuttgart an diesem Freitagabend (20.30 Uhr, Liveticker auf MOPO.de) betont. Der Trainer bezog sich dabei auf den ebenso überraschenden wie wichtigen 1:0-Sieg seiner Kiezkicker in der Schwabenmetropole im vergangenen Dezember. Es bringe ja nichts, „über olle Kamellen zu reden“. Das ließe sich auf auch einige Geschichten aus seiner VfB-Vergangenheit und schwäbischen Heimat ausweiten. Vieles schon erzählt, manches wiederholt. Schöne Anekdoten. Immer wieder gut, aber für das bevorstehende Spiel ohne Relevanz. Mit einer wichtigen Ausnahme.
Der gebürtige Stuttgarter Blessin kennt das Stadion, das mittlerweile MHP Arena heißt, sehr gut, spielte dort einst selbst für den VfB und war seitdem immer wieder mal zu Gast in der 60.000 Menschen fassenden Schüssel im Stadtbezirk Bad Cannstadt. Sein Bruder Michael ist zudem VfB-Fan und Dauerkartenbesitzer.
Blessin kennt die Atmosphäre beim VfB Stuttgart
Die Erlebnisse und Erfahrungen, die Alexander Blessin dort als Augen- und Ohrenzeuge gemacht hat, sind auch für die Gegenwart relevant, genauer gesagt: das Spiel am heutigen Freitag. Expertise, die mit dem Spiel an sich nichts zu tun hat, aber dennoch Einfluss auf das Geschehen auf dem Rasen haben kann.
Es geht um die Atmosphäre im Stuttgarter Stadion, die Stimmung und die Mentalität, die Haltung und das Verhalten des Publikums. Blessin verfügt diesbezüglich über reichlich Kenntnisse und macht sich diese zunutze. Rahmenbedingungen, die eine Rolle spielen können – und die zu beeinflussen sind. Der gebürtige Stuttgarter hofft geradezu auf einen Heimatausflug mit Misstönen.
„Wir wissen um die Situation in der MHP Arena mit den 60.000 drin. Und die Zuschauer sind teilweise auch sehr kritisch“, sagt Blessin. Wenn es nicht läuft, die eigene Mannschaft schlecht spielt, in Rückstand liegt oder sich generell in einer schwierigen Phase befindet, dann schlägt sich das deutlich in der Stimmung im Stadion nieder.

Die WochenMOPO – ab Freitag neu und überall, wo es Zeitungen gibt!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:
– Die Block-Connection: Wie die Familie im Sorgerechtsstreit ihr prominentes Netzwerk nutzte
– Dem Kiez reicht es: Gastronomen gegen Gewalt und Belästigungen
– Klimaschutz: Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Volksbegehren
– Rocker-Mord: „Hells Angels“-Gründer trifft nach 52 Jahren die Tochter des Opfers
– Große Rätselbeilage: Knobelspaß für jeden Tag
– 20 Seiten Sport: Wie der HSV die Wende schaffen will & die Gründe für St. Paulis Höhenflug
– 28 Seiten Plan7: „The Black Rider“ am Altonaer Theater, das große Kino-Finale von „Downton Abbey“ & Kultur-Tipps für jeden Tag
Der VfB habe enorme Qualität und das Spiel sei eine „schwierige Aufgabe“, betont der 52-Jährige, aber gleiches könnten auch die Gastgeber sagen, die mit drei Punkten aus drei Spielen enttäuschend in die Saison gestartet sind und unter Druck stehen, während die Gäste aus Hamburg mit bislang sieben Zählern hervorragend dastehen und in der Tabelle dort, wo der VfB-Anhang sein Team sehen will und auch ganz grundsätzlich verortet. Oben.
Das könnte Sie auch interessieren: Elf Gründe für den Höhenflug: Darum präsentiert sich St. Pauli so stark
„Das ist für uns auch wieder eine Chance, diese schwäbische Unzufriedenheit hervorzukitzeln. Das ist unsere Aufgabe“, sagt Blessin, der vor allem auf einen Bereich der Arena als Keimzelle für negative Energie setzt. „Die Haupttribüne ist schon sehr, sehr kritisch, was den VfB anbelangt. Wir wollen viel dazu beitragen, die Haupttribüne kritisch sein zu lassen.“
Beim letzten Gastspiel besiegte St. Pauli Stuttgart mit viel Leidenschaft
Beim letzten braun-weißen Betriebsausflug ins Ländle war das fast mustergültig gelungen, mit dem Unterschied, dass damals St. Pauli in der Tabelle weit unten stand und die Stuttgarter oben mit vier Pflichtspielsiegen in Serie im Rücken in das Duell mit dem Underdog vom Kiez am 21. Dezember gegangen waren.

Mit viel Leidenschaft und enormem Einsatz hatten die Kiezkicker dem zunächst pomadig aufspielenden Favoriten das Leben schwergemacht, waren durch Johannes Eggestein früh in Führung gegangen und hatten damit negative Stimmung auf den Rängen provoziert, insbesondere im von Blessin angesprochenen anspruchsvoll-ungeduldigen Sitzbereich, der auf den Abpfiff und den Endstand von 0:1 entsprechend reagiert hatte. Auf eines können die Kiezkicker bei ihrer Rückkehr jedoch nicht mehr setzen: Der VfB Stuttgart wird den FC St. Pauli nicht unterschätzen.
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.