„Paradies für Mafiosi“: Hamburgs Kampf gegen Koks-Banden fehlt entscheidender Punkt
Internationale Koks-Kartelle sind in Hamburg inzwischen Chefsache. 35 Tonnen des Rauschmittels wurden im vergangenen Jahr deutschlandweit sichergestellt, ein Großteil davon in Hamburg. Der Hafen der Hansestadt gilt längst als Einfallstor für den weltweiten Drogenhandel, Hamburger werden mit Koks-Taxis beliefert, immer häufiger kommt es zu Schießereien auf offener Straße. Aufgrund der zunehmenden Eskalation reiste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Ende Januar nach Südamerika, um in den Produktionsländern von Kokain mit Politikern und Sicherheitsbehörden eine internationale Allianz gegen die Kartelle aufzubauen. Experten reicht das jedoch nicht. Sie fordern, dass die Politik noch deutlich weiter gehen muss – andere Länder sind in einem entscheidenden Punkt schon viel weiter. Deutschland dagegen bleibe ein Paradies für Mafiabanden.
Im Januar saß Staatsanwalt César Suárez am Steuer seines Mazdas in Ecuador, als Auftragskiller einer kriminellen Bande das Feuer auf ihn eröffneten – keine Seltenheit auf dem Kontinent, wo regelmäßig Politiker, Staatsanwälte und Polizisten getötet werden. Kartelle machen dort Milliarden mit Drogenhandel und Schutzgelderpressung, vielerorts sind Justiz, Sicherheitsbehörden und Parlamente unterwandert.
Angesichts dieser Übermacht herrscht in vielen Ländern Ratlosigkeit, berichten Experten. Politische Kuscheloffensiven, Militär-Aktionen – nichts scheint langfristig zu funktionieren.
- Deutsch (Deutschland)
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Internationale Koks-Kartelle sind in Hamburg inzwischen Chefsache. 35 Tonnen des Rauschmittels wurden im vergangenen Jahr deutschlandweit sichergestellt, ein Großteil davon in Hamburg. Der Hafen der Hansestadt gilt längst als Einfallstor für den weltweiten Drogenhandel, Hamburger werden mit Koks-Taxis beliefert, immer häufiger kommt es zu Schießereien auf offener Straße. Aufgrund der zunehmenden Eskalation reiste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Ende Januar nach Südamerika, um in den Produktionsländern von Kokain mit Politikern und Sicherheitsbehörden eine internationale Allianz gegen die Kartelle aufzubauen. Experten reicht das jedoch nicht. Sie fordern, dass die Politik noch deutlich weiter gehen muss – andere Länder sind in einem entscheidenden Punkt schon viel weiter. Deutschland dagegen bleibe ein Paradies für Mafiabanden.
Im Januar saß Staatsanwalt César Suárez am Steuer seines Mazdas in Ecuador, als Auftragskiller einer kriminellen Bande das Feuer auf ihn eröffneten – keine Seltenheit auf dem Kontinent, wo regelmäßig Politiker, Staatsanwälte und Polizisten getötet werden. Kartelle machen dort Milliarden mit Drogenhandel und Schutzgelderpressung, vielerorts sind Justiz, Sicherheitsbehörden und Parlamente unterwandert.
Angesichts dieser Übermacht herrscht in vielen Ländern Ratlosigkeit, berichten Experten. Politische Kuscheloffensiven, Militär-Aktionen – nichts scheint langfristig zu funktionieren.
In Ecuador sprach Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher deshalb mit Präsident Daniel Noboa, Ministern und Vertretern der Sicherheitsbehörden über die Eindämmung von Drogenproduktion und -handel. In Hamburger Polizeikreisen ist man skeptisch, wie wirkungsvoll die Bemühungen der „Allianz gegen internationale Drogenpolitik“ tatsächlich sind.
BDK-Chef: „Wir brauchen ein Mafia-Gesetz“
„Deutschland fehlt es bisher am politischen Willen, Organisierte Kriminalität tatsächlich und effektiv bekämpfen zu wollen“, kritisiert Jan Reinecke, Landeschef vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), gegenüber der MOPO. „Das ist an der Gesetzgebung der Politik deutlich abzulesen und hat dazu geführt, dass Deutschland als Rückzugsland der Organisierten Kriminalität gilt.“
Es fehle ein Mafiagesetz ähnlich dem „RICO Act“ in den USA oder dem „Rognoni-La Torre-Gesetz“ in Italien, sagt der Kripo-Beamte. „So werden in Deutschland OK-Täter (Organisierte Kriminalität, Anm. d. Red.) nicht wegen ihrer Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, sondern nur für von ihnen begangene Straftaten – wie beispielsweise dem Handel mit Drogen – bestraft.“
Der Verein „Mafianeindanke“, der von italienischen Gastronomen nach den Mafiamorden in Duisburg 2007 gegründet wurde, fordert ebenfalls, die deutschen Gesetze gegen kriminelle Vereinigungen zu verschärfen und sich am italienischen Anti-Mafia-Paragraphen zu orientieren. Dieser stellt bereits die Mitgliedschaft in einer mafiösen Vereinigung unter Strafe, sieht die Einziehung von Vermögen vor und ermöglicht hohe Haftstrafen. Auch brauche es einen Bundesanwalt für Organisierte Kriminalität analog zum Generalbundesanwalt für Terrorismus.
Verein kämpft in Europa und Deutschland gegen die Mafia
Illegale Vermögen trockenzulegen sei ein besonders wichtiger Aspekt, um Verhältnissen wie in Südamerika vorzubeugen. Denn selbst in Hamburg werden Auseinandersetzungen im Milieu immer öfter auf offener Straße ausgetragen. Die Kriminellen würden derzeit von der „vollkommen unzureichenden Geldwäschegesetzgebung“ profitieren, sagt Reinecke. „Ein taugliches Geldwäschegesetz müsste insbesondere die sogenannte Beweislastumkehr beinhalten.“
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Die Beweislastumkehr in Geldwäscheverfahren sieht vor, dass nicht die Strafverfolgungsbehörden dem Geldwäscher die illegale Herkunft seines Vermögens, sondern der Geldwäscher den Strafverfolgungsbehörden bei einem Anfangsverdacht die legale Herkunft seines Vermögens überzeugend nachweisen muss. „Solange eine solche Beweislastumkehr in Deutschland nicht möglich ist, wird Deutschland nicht nur ein Geldwäscheparadies, sondern auch ein Rückzugsland der Organisierten Kriminalität bleiben“, so Reinecke.