„Nie dagewesenes Ausmaß“: Der Boom der Drogen-Taxis – und das Risiko der Kunden
Die Drogen sind nur einen Anruf, eine Nachricht entfernt: Immer mehr Hamburger bestellen Koks, Gras und Ecstasy per Handy – und bekommen es direkt zur Haustür geliefert. Das „Lieferando“-Prinzip macht die Dealer reich und stellt die Fahnder vor eine große Herausforderung. Denn obwohl sie immer wieder Drogentaxis stoppen, Razzien durchführen und Tonnen von Kokain im Hafen finden, können sie die Hintermänner nur selten fassen. Gleichzeitig überschwemmen Drogen in „nie dagewesenem Ausmaß“ Hamburg, beklagt ein Fahnder. Doch die Kunden gehen ein Risiko ein: Denn ihre Daten sind für die Dealer bares Geld wert – und können schnell bei den Sicherheitsbehörden landen.
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Die Drogen sind nur einen Anruf, eine Nachricht entfernt: Immer mehr Hamburger bestellen Koks, Gras und Ecstasy per Handy – und bekommen es direkt zur Haustür geliefert. Das „Lieferando“-Prinzip macht die Dealer reich und stellt die Fahnder vor eine große Herausforderung. Denn obwohl sie immer wieder Drogentaxis stoppen, Razzien durchführen und Tonnen von Kokain im Hafen finden, können sie die Hintermänner nur selten fassen. Gleichzeitig überschwemmen Drogen in „nie dagewesenem Ausmaß“ Hamburg, beklagt ein Fahnder. Doch die Kunden gehen ein Risiko ein: Denn ihre Daten sind für die Dealer bares Geld wert – und können schnell bei den Sicherheitsbehörden landen.
Wer Drogen kaufen will, braucht nur ein Handy und die richtige Nummer – dann kann man sich den Stoff direkt nach Hause, zur Arbeit oder zur Party liefern lassen. Die Zeit, in der man mit Klein-Dealern auf der Straße feilschen musste, ist längst vorbei. Heute heißt es: „you ring, we bring“. Vor allem im bürgerlichen, wohlhabenden Milieu ist dieser Vertriebsweg beliebt. Die Drogen-Taxi-Szene boomt.
Hamburg: Koks-Handel boomt – Preis trotz Festnahmen stabil
Das ist auch den Experten der Polizei und der Staatsanwaltschaft klar. Denn egal, wie viele Fahrer hochgenommen werden, oder wie groß die beschlagnahmten Drogenmengen auf der Straße und im Hamburger Hafen sind, es hat kaum Auswirkungen auf den Markt.
So ist der Kokainpreis in Hamburg laut Oliver Erdmann vom Landeskriminalamt Hamburg (LKA) trotz der enormen Sicherstellungen überwiegend stabil geblieben. Das bestätigte auch BKA-Chef Holger Münch. Von der Staatsanwaltschaft heißt es, trotz der intensiven Ermittlungen, der Prozesse und den bislang verhängten Freiheitsstrafen gehe die Zahl der Verfahren nicht zurück – Koks-Taxis seien demnach „weiterhin sehr attraktiv“.
„Deutschland hat ein riesiges Rauschgiftproblem“, so fasst Jan Reinecke, Landeschef beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), das Phänomen zusammen. „Nach Cannabis hat Kokain die Mitte der Gesellschaft erreicht und dürfte, wenn man die stetig steigenden Sicherstellungsmengen an illegalen Drogen dagegenstellt, in niemals dagewesenem Ausmaß konsumiert werden.“
Kundendateien sind Drogen-Bossen mehrere tausend Euro wert
Den Drogen-Taxi-Syndikaten gehören oft dutzende Personen an, die hierarchisch organisiert sind und streng arbeitsteilig vorgehen. Es gibt Fahrer, Einkäufer, Logistiker und „Bunker-Verantwortliche“, die die Drogen in großen Mengen an einem geheimen Ort lagern und für die Bestückung der Taxis verantwortlich sind.
Der Boss der Organisation pflegt die Kundendateien mit tausenden Kontakten von Konsumenten, berichten Ermittler der MOPO. Diese Kundendateien sind meistens auf einem Handy abgespeichert und werden teilweise für Tausende Euro weiterverkauft.
Gelangen die Sicherheitsbehörden an diese Daten, stehen nicht nur die Dealer, sondern auch die Konsumenten im Fokus der Ermittlungen. Liddy Oechtering, Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, erklärt auf MOPO-Nachfrage, dass „natürlich nicht nur die Veräußerer, sondern auch die Besteller von Betäubungsmitteln strafrechtlich verfolgt“ würden.
Wer bei Drogenlieferdiensten kaufe, mache sich wegen unerlaubten Erwerbes von Betäubungsmitteln strafbar. „Das Gesetz sieht hierfür Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor“, so Oechtering. Wer bei dem Lieferdienst einen Großeinkauf macht – im strafrechtlichen Sinne „nicht geringe Mengen“ erwirbt – kann auch eine höhere Strafe bekommen.
Das Strafmaß für überführte Mitglieder eines Drogen-Taxi-Kartells ist abhängig von der Position in der Hierarchie der Organisation – und davon, ob die Person als Ersttäter gilt. Bisher lag das Strafmaß der Urteile bei Drogen-Taxi-Verfahren zwischen drei und neun Jahren.
Hamburger Koks-Kartell „Haus Drei“ soll im Drogentaxi-Geschäft sein
Unklar ist, wie viele Syndikate in Hamburg am Markt sind. Es gibt jedoch klare Hinweise, dass mehrere Organisationen Hamburg dominieren, sagt Jan Reinecke. Zu ihnen gehört auch das Drogen-Kartell „Haus Drei“, über das die MOPO bereits berichtete.
„Besonders erfolgreich ist eine Drogen-Taxi-Organisation dann, wenn der Kopf Kontakte zum Einfuhrschmuggel, sprich in den Hamburger Hafen besitzt, und er das Rauschgift ohne Zwischenhändler, quasi direkt vom Schiff über sein Drogentaxi-Syndikat auf den Straßen Hamburgs verkaufen kann“, erklärt Reinecke. Der Straßenpreis für ein Kilo Kokain kann dabei zwischen 20.000 und 35.000 Euro liegen – abhängig davon, wie viele Zwischenhändler involviert sind.
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Das Geschäft ist lukrativ. Die Kartelle nehmen mit ihren Drogen-Taxis pro Jahr Millionen ein – und finden immer wieder neue Fahrer, die in ihre Organisation einsteigen wollen. Meistens lockt sie das Geld, denn als Fahrer bekommen sie in der Regel einen Verkaufsanteil von acht bis zehn Euro pro Gramm, plus Prämien. Und sie haben die Möglichkeit, in der Hierarchie aufzusteigen.