Die Angeklagte, der vorgeworfen wurde, ihren Geliebten entführt zu haben, wurde freigesprochen. (Archivbild)
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Entführte sie ihren Geliebten? Jetzt steht das Urteil fest

Hat eine 60-Jährige ihren pflegebedürftigen Geliebten entführt – oder ist er freiwillig mitgegangen? Um diese Frage ging es am Montag vor dem Amtsgericht Hamburg. Denn hier musste sich die Seniorin mit zwei vermeintlichen Komplizen verantworten.

Im Prozess um die mutmaßliche Entführung eines pflegebedürftigen Mannes sind die drei Angeklagten freigesprochen worden. „Das Gericht muss es für möglich halten, dass der Mann auch freiwillig mitgegangen ist“, sagte der Richter am Montag vor dem Amtsgericht Hamburg. Zuvor hatten die drei Verteidiger Freispruch für ihre Mandanten gefordert, die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung gefordert.

Freispruch in Hamburg: Angeklagte hatten Vorwürfe zurückgewiesen

Den drei Angeklagten wurde gemeinschaftliche Freiheitsberaubung vorgeworfen. Eine 60-Jährige soll ihren pflegebedürftigen Geliebten zusammen mit zwei Komplizen im November 2018 entführt haben. Dabei soll sich die Frau als Schwester ihres Geliebten ausgegeben haben und den heute 69-Jährigen gegen seinen Willen aus seinem Haus im Stadtteil Alsterdorf geholt haben. Zum Prozessauftakt hatte die Angeklagte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.

Wegen einer Hirnleistungsminderung ist der 69-Jährige seit 2017 pflegebedürftig und wird von seiner Ehefrau und einer Pflegerin betreut. Das Gericht verglich die Erkrankung mit einer mittleren bis schweren Demenz. Die Frage, die das Gericht zu beantworten hatte, lautete: Handelte es sich um eine Entführung oder war der Pflegebedürftige freiwillig mitgegangen?

Hamburg: Betroffener ist dement

Die Staatsanwaltschaft sah den Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt und hielt die drei Angeklagten für schuldig. Sie hätten die Tat gemeinschaftlich geplant und sollten deshalb zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt werden. Begründung: Ein Gutachter hätte sechs Tage vor der Tat vor einem Betreuungsgericht eindeutig festgestellt, dass der 69-Jährige seine Geliebte nicht hätte sehen wollen. „Er hat sich entschieden, bei seiner Frau zu bleiben“, sagte der Oberstaatsanwalt.

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Das sahen die drei Angeklagten, allesamt langjährige Freunde des Mannes, anders. Ihrer Meinung nach habe die Ehefrau entschieden, mit wem sich der Pflegebedürftige treffen darf und mit wem nicht. Zu einer anderen Freundin habe der Mann sehr wohl zum Kaffeetrinken gehen dürfen, nicht aber zu ihnen. „Ein Besuch kann aber nicht davon abhängen, ob es die Ehefrau will oder nicht“, sagte einer der Verteidiger.

Richter sieht eine „gewisse Zerrissenheit”

Vor seiner schweren Erkrankung habe der Mann den Plan gehabt, seine Ehefrau zu verlassen und ein neues Leben mit seiner Geliebten zu beginnen, mit der er zwei gemeinsame Söhne habe, sagte einer der Verteidiger. Der 69-Jährige könne sehr wohl noch selbst entscheiden, wo er sich aufhalten möchte. Der Arzt, der den Mann nach seiner mutmaßlichen Entführung untersucht hatte, habe festgestellt, dass er sich bei seinen Freunden „wie befreit“ gefühlt habe.

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Der Richter sagte in seiner Urteilsbegründung, dass es bei dem Pflegebedürftigen wohl eine „gewisse Zerrissenheit“ gab, wo er sich aufhalten wolle. So habe er den Polizisten zunächst gesagt, er wolle nach Hause. Nach einem Gespräch mit seiner Geliebten hätte er jedoch gesagt, er wolle bei ihr bleiben. Auf jeden Fall sei der Pflegebedürftige der Leidtragende bei dieser Geschichte: „Ich würde mir wünschen, dass alle Beteiligten die Kraft finden, zueinander zu finden“, sagte er in seinem Schlusswort. (dpa/mp)

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