26 Jahre! Der unendliche Streit um diese Baulücke im Szeneviertel
Der hölzerne Bauzaun ist selbst schon baufällig, hängt schief in den Stahlpfeilern. Dahinter wuchert das Gestrüpp bis in den ersten Stock der Nachbarhäuser. Seit ziemlich genau 26 Jahren klafft an der Laeiszstraße im Karoviertel zwischen zwei Mietshäusern eine große Baulücke. Und fast genauso lange will das Unternehmen „Sternipark“ hier eine Kita bauen. Warum klappt das nicht? Dahinter steckt eine aberwitzige Geschichte um Hausbesetzungen, dem Kampf um günstigen Wohnraum, familiären Verstrickungen von Investoren mit Senatoren, Straßenschlachten, einen mysteriösen Brand und unglaubliche Wertsteigerungen.
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Der hölzerne Bauzaun ist selbst schon baufällig, hängt schief in den Stahlpfeilern. Dahinter wuchert das Gestrüpp bis in den ersten Stock der Nachbarhäuser. Seit ziemlich genau 26 Jahren klafft an der Laeiszstraße im Karoviertel zwischen zwei Mietshäusern eine große Baulücke. Und fast genauso lange will das Unternehmen „Sternipark“ hier eine Kita bauen. Warum klappt das nicht? Dahinter steckt eine aberwitzige Geschichte um Hausbesetzungen, dem Kampf um günstigen Wohnraum, familiären Verstrickungen von Investoren mit Senatoren, Straßenschlachten, einen mysteriösen Brand und unglaubliche Wertsteigerungen.
Die Geschichte des Grundstücks Laeiszstraße 18 ist eng verbunden mit dem Kampf um bezahlbaren Wohnraum in unserer Heimatstadt. Denn schon in den 1980er Jahren war das ein wichtiges Thema in der Schanze, in Eimsbüttel oder eben dem Karoviertel. Dort wo heute die Baulücke klafft, befand sich ursprünglich ein Gründerzeitbau: 33 kleine enge Wohnungen mit Toilette auf dem Flur. Vermutlich schon 1985 ziehen hier erstmals junge Leute in das verwahrloste und teilweise leerstehende Gebäude ein. Es kommt zur Gründung des Vereins „LAMA e.V.” Vereinsziel ist der „Erhalt billigen Wohnraums und sozialer Strukturen.“
1987 werden die Behörden auf das fast 100 Jahre Gebäude aufmerksam, man spricht von „Hausbesetzung”. In diesem Jahr erwirbt auch der Immobilien-Unternehmer Nikolai Rabels die Immobilie von einer Erbengemeinschaft. Der Preis beträgt angeblich 140.000 Mark (70.000 Euro). Der 25-Jährige, dessen Vater SPD-Staatsrat in der Baubehörde ist, erwirkt für einzelne der 33 Wohnungen Räumungstitel und rückt mit der Polizei an. In den kommenden Jahren gibt es mehrfach teils gewalttätige Protestaktionen und Straßenschlachten unter dem Motto „Lama bleibt”.
„Sternipark“ reichte 1997 ersten Bauantrag ein
1990 wird das Haus geräumt. Wenig später brennt es, das Gebäude ist schließlich nicht mehr zu retten und muss nach Jahren des Verfalls abgebrochen werden. 1997 dann kommt „Sternipark“ ins Spiel und kauft Nikolai Rabels das Grundstück ab. Der angebliche Preis: Erstaunliche 500.000 Mark (250.000 Euro). Der Verkehrswert lag damals nur bei 237.000 Mark.
„Sternipark“ reichte dann erstmals einen Bauantrag für eine Kita ein. Der Neubau sollte achtstöckig werden. Da die Nachbarhäuser nur fünf Geschosse haben, lehnte das Bezirksamt Mitte ab. 1998 dann der nächste Bauantrag. Diesmal war der Bau eines Hauses für junge Mütter geplant. Auch dieses Gebäude sollte wieder achtstöckig werden. Das Bezirksamt lehnte erneut ab und „Sternipark“ zog schließlich vor Gericht, wollte jetzt wieder eine Kita für 60 Kinder errichten. Der Streit ging durch die Instanzen und 2013 entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG): Keine Baugenehmigung, weil die mit 115 Quadratmeter eher kleine Außenfläche im Hof nicht für die 60 Kita-Kinder und weitere Kinder anderer Mieter ausreichen würde. Auch die Höhe des Baus sei nicht genehmigungsfähig.
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Neun(!) Jahre später reichte „Sternipark“ im Mai diesen Jahres mal wieder einen Bauantrag ein. Diesmal soll eine Kita für 45 Kinder entstehen, erneut soll er Neubau höher werden als die Nachbarhäuser. Wie die MOPO erfuhr, soll auch dieser Bauantrag wegen seiner Dimensionen nicht genehmigungsfähig sein.
Auf Nachfrage, warum zwischen dem OVG-Urteil und neuem Bauantrag mal eben neun Jahre vergangen sind, antwortete „Sternipark“-Geschäftsführer Jürgen Moysich: „‚Sternipark‘ hat seit 2013 zehn neue Kindertageseinrichtungen mit 1400 Plätzen geschaffen an Standorten, an denen der Bedarf noch dringlicher war als im Karolinenviertel.” Laut Moysich will man diesmal an der Laeiszstraße 18 sechs Stockwerke hoch bauen.
„Sternipark“ ist eigentlich ein Familienunternehmen. Geschäftsführer sind Jürgen Moysich und seine Tochter Leila. Beide gelten als schwierig. Aber ist das die Erklärung, warum das Unternehmen seit Jahrzehnten einen erfolglosen und kostspieligen Streit um Baugenehmigungen führt, der einem Kampf gegen Windmühlenflügeln gleicht?
„‚Sternipark‘ will bei neuen Projekten immer mit dem Kopf durch Wand…” zitierte die MOPO schon 2009 einen Insider aus der Kita-Szene. Viellicht ist das eine Erklärung für die aberwitzige Situation im Karoviertel.