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Ein älterer Herr mit weißen Haaren steht mit einer Hand am Ersatzsteuerrad eines großen Segelschiffs. Er trägt eine rote Regenjacke und schaut in die Kamera.
  • Mathias Kahl, Vorstandsvorsitzender des Vereins Freunde der Viermastbark Peking e.V., am Ersatzsteuerrad der „Peking“.
  • Foto: Markus Scholz/dpa

„30 Sekunden vor dem Hochofen“: Der Hamburger, der die Viermastbark „Peking“ rettete

Ein Schiff braucht eine Mannschaft. Das gilt auch für die Hamburger „Peking“, die längst nicht mehr seetauglich ist. Die Viermastbark soll das neue Flaggschiff des künftigen Hafenmuseums werden, hätte sein Ziel aber ohne das Engagement von Ehrenamtlichen nie erreicht.

Einst setzten mehr als 30 Besatzungsmitglieder die Segel auf der „Peking“ – heute halten gut 60 „Freunde der Viermastbark Peking“ den ehemaligen Frachtsegler im Hamburger Hafenmuseum auf Kurs. Kapitän der aktuellen Mannschaft ist Mathias Kahl. Der Vereinschef trägt eine rote Jacke mit dem Aufdruck „Crew – Peking“, ist aber kein Seemann, sondern ehemaliger Kaufmann in der Handelsschifffahrt. Doch der Viermastbark ist er eng verbunden und quasi mit ihr aufgewachsen. Schon in seinem Kinderzimmer hing ein Foto der „Peking“, wie der 72-Jährige erzählt.

„Peking“-Liebhaber Kahl: Vater hat einst auf Schiff gearbeitet

Sein Vater habe 1928 seine Kapitänskarriere als 15-Jähriger auf dem Großsegler begonnen. Er habe drei Jahre auf dem Schiff gelernt, bis 1930. Ein Jahr später brach die „Peking“ zu ihrer letzten Fahrt von Hamburg nach Chile auf, um Salpeter aus der Atacama-Wüste zu holen. 1932 verkaufte die Laeisz-Reederei den Frachtsegler nach England. Salpeter hatte seinen Status als „Weißes Gold“ verloren. Dank des Haber-Bosch-Verfahrens konnte man Sprengstoffe und Kunstdünger nun industriell herstellen, erklärt Kahl. 

Die Viermastbark gehörte zu den mehr als 60 Flying P-Linern der Hamburger F.Laeisz-Reederei, von denen nur noch wenige erhalten sind: Die „Passat“ in Travemünde, die „Pommern“ im finnischen Mariehamn (Åland-Inseln), und die ehemalige „Padua“, die unter dem heutigen Namen „Kruzenshtern“ als russisches Ausbildungsschiff in Kaliningrad liegt. Auf tragische Weise berühmt wurde die „Pamir“, die 1957 in einem Sturm im Atlantik sank.

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Als die „Peking“ 1911 bei Blohm+Voss in Hamburg vom Stapel lief, gab es bereits Dampfschiffe, aber die Viermastbark war schneller, erklärt Kahl. Mit ihren fast 4000 Quadratmetern Segelfläche konnte das Schiff 17 Knoten – also mehr als 30 Kilometer pro Stunde – erreichen. Dampfschiffe konnten nicht mithalten, zumal sie immer wieder Zwischenstopps einlegen mussten, um Kohle zu bunkern.

Der Frachtsegler brauchte trotz seiner relativen Geschwindigkeit für die Fahrt von Europa um Kap Hoorn bis Chile etwa 70 Tage. Nach dem Ablegen in Hamburg sei das 115 Meter lange Schiff zunächst mit Dampfschleppern bis weit auf die Nordsee gezogen worden. Erst hinter Helgoland konnte es bei günstigen Winden weiter durch den Ärmelkanal segeln.

Schneller Viermaster: Letzte Reise von New York nach Hamburg

Seit 1974 lag die „Peking“ als Museumsschiff an der Brooklyn-Bridge in New York. 2012 fegte ein Hurrikan über die Stadt, bei dem die Viermastbark beinahe „abgesoffen“ sei, sagt Kahl. Die Amerikaner hätten es danach loswerden wollen. Der 2013 gegründete Hamburger Verein wollte es gern übernehmen. Der Kaufpreis von 100 Dollar war kein Problem, die Kosten für Überführung und Restaurierung dagegen schon.

2015 kam die Zusage vom Bund für die Finanzierung des Projekts und den Aufbau des Deutschen Hafenmuseums in Hamburg. „Wir sagen immer, dass wir das Schiff 30 Sekunden vor dem Hochofen gerettet haben“, sagt Kahl. 2017 wurde die „Peking“ über den Atlantik nach Wewelsfleth bei Glückstadt gebracht und dort restauriert. Seit Mai 2020 liegt die Bark im Hansahafen vor dem Hamburger Hafenmuseum.

„Peking“-Restaurierung dank ehrenamtlichen Helfern

Jetzt wird an der Wiederherstellung der Inneneinrichtung des Museumsobjekts gearbeitet, den der Verein maßgeblich fördert. Kahl zeigt stolz das Kartenhaus des Kapitäns, in dem ein originalgetreu rekonstruierter Kartentisch steht. Einen originalen „Gnom-Motor“, von denen es einst zwei zum Betrieb von Anker- und Ladewinden auf dem Schiff gab, hat der Verein gerade auftreiben können.

Nun suchen die Freunde der „Peking“ nach originalen Rettungsbooten. „Das ist schwierig“, sagt Kahl. Die Beschaffung eines Kompasses war vergleichsweise einfach. Ein ehemaliger Kapitän war von der Führung auf der „Peking“ so beeindruckt, dass er ihn aus seinem privaten Besitz der Stiftung Historische Museen Hamburg schenkte. 

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Der Sprecher der Stiftung, Matthias Seeberg, lobt das Engagement des Vereins. „Ohne die Freunde der ‚Peking‘ würde der Betrieb auf dem Schiff gar nicht möglich sein.“ Viele der ehrenamtlichen Vereinsmitglieder seien „alte Seebären“, die Besuchern aus eigener Erfahrung von der Seefahrt berichten können.

Zeitzeuge der Seefahrt: Unachtsamkeit kann gefährlich werden

Auch Kahl kennt dank der Erzählungen seines Vaters den Alltag und die Härten auf dem Schiff: Jedes der 352 Taue an Bord habe einen bestimmten Belegnagel zum Aufhängen gehabt. Einmal habe sein Vater als Schiffsjunge ein Tau auf einen falschen Nagel gehängt. „Der Kapitän hat das gesehen und ihm einen Schlag verpasst, dass er auf das Deck flog“, berichtet Kahl. In gefährlichen Situationen, bei Sturm, habe ein falscher Handgriff schwere Konsequenzen haben können. 

Seit seinem Ruhestand 2017 ist Kahl nahezu täglich im Einsatz für das neue Wahrzeichen Hamburgs. „Für mich ist es eigentlich ein Fulltime-Job“, sagt er. Als Vorsitzender des Vereins zeigt der 72-Jährige jede Woche Besuchern das Schiff. Deutschlandweit hat er bereits mehr als 150 Vorträge gehalten. Die Vereinsmitglieder pflegen und reinigen auch das künftige Flaggschiff des im Aufbau befindlichen Deutschen Hafenmuseums. Einmal pro Woche muss das Deck geschrubbt werden, alle zwei Monate müssen die Rahen, die Querstangen an den 62 Meter hohen Masten, bewegt werden.

Letztes Abenteuer für die „Peking“ im Hamburger Hafen

Dabei ist klar, dass die „Peking“ nie wieder über das Meer fahren wird. Die genietete Stahlkonstruktion ohne Spanten im Schiffsrumpf könnte heute aus Sicherheitsgründen keine Zulassung als Schiff mehr bekommen, erklärt Kahl. Bei einem Leck würde der kathedralenartige Raum unter Deck schnell volllaufen.

Eine ganz kleine Fahrt über Wasser soll es in wenigen Jahren aber doch geben. Ende der 2020er Jahre soll auf dem nahen Grasbrook der Neubau des Deutschen Hafenmuseums fertig sein und die „Peking“ davor am Holthusenkai festmachen.

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