Janine Berger bei den Olympischen Spielen in London

Janine Berger schildert, wie unhaltbar die Zustände im deutschen Turnen waren oder immer noch sind. Foto: IMAGO / Schreyer

„Gebrochene Knochen? Mund halten!“ Olympia-Star packt im Turn-Skandal aus

„Uns wurde eingebläut, Schmerzen zu ignorieren und den Mund zu halten“: Auch die Olympia-Vierte von 2012, Janine Berger, wirft dem deutschen Turnsystem Machtmissbrauch vor. Sie selbst ist in Therapie.

In der Debatte um die Missstände am Bundesstützpunkt Stuttgart hat die frühere Spitzenturnerin Janine Berger den Deutschen Turner-Bund (DTB) scharf kritisiert. „Dass im deutschen Turnen Missstände herrschen, ist intern schon lange klar. Es tut mir in der Seele weh und macht mich gleichzeitig wütend zu sehen, dass viele Talente weiterhin psychisch und physisch kaputt gemacht werden und das muss endlich ein Ende haben. Es geht um Kinder“, sagte die Olympia-Vierte von 2012 im Interview der „Augsburger Allgemeinen“.

Janine Berger: „Es wurde geraten, nichts zu sagen“

Es seien intern einige Gespräche geführt worden, „die die Missstände aufzeigen, aber wirklich ernst genommen wurde es nicht, im Gegenteil: Es wurde einfach unter den Tisch gekehrt und geraten, nichts zu sagen“, sagte Berger, die für den SSV Ulm turnt.

Angeführt von den früheren Auswahl-Turnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm hatten zuletzt mehrere Sportlerinnen Missstände am Stützpunkt in Stuttgart öffentlich gemacht. Angeprangert wurden unter anderem „systematischer körperlicher und mentaler Missbrauch“. Auch aktive Sportlerinnen äußerten sich. Der Deutsche Turner-Bund und der Schwäbische Turnerbund kündigten eine Untersuchung an. Zwei Übungsleiter wurden vorläufig freigestellt.

„Gebrochene Knochen, gerissene Bänder“

Die 28 Jahre alte Berger attestiert dem deutschen Turnen einen Systemfehler. „Uns wurde eingebläut, Schmerzen zu ignorieren und den Mund zu halten. Und wir reden hier nicht über kleine Wehwehchen. Damit meine ich gebrochene Knochen, gerissene Bänder und gravierende Verletzungen. Dir wird eingetrichtert, dass du dir alles nur einbildest oder lügen würdest“, erklärte Berger.



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Sie selbst ist seit einigen Jahren in Therapie. „Wer über so viele Jahre so tief in einer Essstörung gesteckt und mit Depressionen gekämpft hat, weiß, dass es lange Zeit braucht, bis man diesen Kampf gewinnt“, erzählte Berger. „Wenn dir jahrelang gesagt wurde, dass du nur etwas wert bist, wenn du Leistung bringst und du immer damit beschäftigt warst, möglichst viel abzunehmen, indem du dich übergibst, dann hinterlässt das körperliche und seelische Spuren, mit denen ich heute noch zu kämpfen habe.“

Dreimal täglich musste Berger auf die Waage

Berger hatte zuletzt bei Instagram scharfe Kritik am deutschen Turnsystem geäußert und ihm Machtmissbrauch sowie ein systematisches Drängen in eine Essstörung vorgeworfen. „Ich konnte nie dünn genug sein und es wurde mir systematisch eingetrichtert, dass Essen schlecht sei“, schrieb sie. Sie sei dreimal täglich gewogen worden. Habe sie nur 200 Gramm zu viel auf der Waage gehabt, habe man ihr unabhängig von der Leistung mit dem Ausschluss von Wettkämpfen oder Trainingslagern gedroht.

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Berger erscheint es rückblickend so, „dass das Ziel verfolgt wurde, Turnerinnen systematisch kaputt zu machen und ihren Willen zu brechen“, schrieb sie. Ihr Rückschluss: „Sagt man als Athlet etwas, ist man raus.“ (dpa/mp)

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