„Es war verrückt!“ HSV jubelt über den Befreiungsschlag – und feiert Vuskovic
Bevor es in der Nachspielzeit noch einmal richtig dramatisch wurde, hatten die HSV-Fans sogar Zeit und Laune, sich über den eingeblendeten 0:3-Rückstand von Werder Bremen gegen den SC Freiburg zu freuen. So hatten sie sich das vorgestellt. Genau so sollte es laufen. Die Mannschaft von Merlin Polzin hat den 1. FC Heidenheim daheim mit 2:1 (1:0) geschlagen und damit den ersten Bundesliga-Sieg der neuen Saison eingefahren. Der Druck war groß vor diesem Duell im Abstiegskampf – und deshalb auch die Erleichterung hinterher, zumal in der Nachspielzeit noch einmal das Zittern begann. Doch es reichte. In einem glücklichen Hamburger Kollektiv setzte einer das wohl breiteste Grinsen auf: Luka Vuskovic.
Der 18-Jährige war der am meisten gefeierte Profi, als die HSV-Profis um 17.33 Uhr Arm in Arm vor der Nordtribüne standen. „Vuskovic, Vuskovic“-Sprechchöre ertönten nicht zum ersten Mal an diesem Samstag, doch die Lobeshymnen galten allen Spielern – weil sie sich den Heimsieg so erkämpften, wie es die Zuschauer erwartet hatten: ohne Glanz, aber mit viel Leidenschaft und Abwehrfleiß. Und natürlich zwei eigenen Treffern. „Große Erleichterung. Ich habe vorher gesagt, dass wir dieses Spiel gewinnen müssen – und ich bin sehr happy, dass wir es geschafft haben“, sagte Daniel Elfadli, der im Vergleich zum 0:5 in München für Aboubaka Soumahoro in die Startelf rotiert war.
HSV-Trainer Polzin änderte die Startelf auf vier Positionen
Polzin hatte zudem drei weitere Wechsel vorgenommen: Der nicht mehr gesperrte Giorgi Gocholeishvili begann für William Mikelbrencis, der genesene Jean-Luc Dompé für Alexander Røssing-Lelesiit – und Rayan Philippe für Vizekapitän Nicolás Capaldo. Es waren Wechsel, die sich auszahlten. „Ein verrücktes Spiel“, hatte Philippe erlebt. „Eine verrückte Atmosphäre. Das Stadion war unglaublich.“ Und es zeigte seine ganze Wucht nach 42 Minuten.
Siebeneinhalb Jahre lang musste der HSV warten. Nicht nur auf den ersten Bundesliga-Heimsieg, der nach abwechslungsreichen 90 Minuten perfekt war und für den sich die Profis ausgiebig feiern ließen. Sondern auch auf den ersten Oberhaus-Torerfolg im Volkspark. Und es passte zu diesem gelungenen Nachmittag, dass Vuskovic der Schütze war. Der Ball landete nach einem Standard zufällig beim Bruder des auf der Tribüne sitzenden Mario, das war Luka aber völlig egal. Der Innenverteidiger machte es kompromisslos per Volley – und ließ das Volksparkstadion kochen (42.).
Vuskovic erzielt erstes Bundesliga-Tor des HSV seit 2018
Dem 1:0 folgten Luftküsse in Richtung der Osttribüne, Vuskovic stellte sich demonstrativ vor die Seitenlinie und zeigte auf die Nummer 44 auf seinem Rücken. Der neue Fanliebling höchstselbst sorgte für die Befreiung, das erste HSV-Tor der neuen Spielzeit. Und das alles vor den Augen von Mario.

Der Spielverlauf in der ersten Hälfte glich dem persönlichen Auftritt von Vuskovic, jeweils passt das Adjektiv: wild. 0:4 hieß es bereits nach zehn Minuten, zum Glück für den HSV aber nur in der Eckballstatistik. Nach einer kurzen Heidenheimer Variante parierte Torwart Daniel Heuer Fernandes den Kopfball von Luca Kerber (11.), wenig später den Volley-Versuch von Jan Schöppner (12.) und auch noch den Schlenzer von Arijon Ibrahimovic (18.). Der HSV musste sich um Entlastung bemühen, trug das Spiel aber zu träge ins vordere Drittel – ehe Warmed Omari per Steckpass Fábio Viera fand. Der Rechtsschuss des Portugiesen wurde geblockt (20.).
Viele Chancen für beide Mannschaften in der ersten Hälfte
Vieira sollte die Offensivbemühungen aus dem Zentrum heraus beleben, wusste aber auch in der Arbeit gegen den Ball zu überzeugen. In der 27. Minute schnappte er sich zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit das Leder, steckte durch auf Ransford Königsdörffer, der erneut anstelle von Robert Glatzel begann und dessen Lupfer FCH-Keeper Diant Ramaj aber mit dem Kopf übers Tor lenkte. Immerhin: Der HSV-Sturm war erwacht – und Vuskovic hätte nach der folgenden Ecke aus vier Metern treffen müssen (27.).
Die Leistung des Kroaten war wechselhaft. In der Luft war er eine Defensivmacht, im Spielaufbau entschied er sich aber für mehrere Risikobälle, die oft beim Gegner landeten. Als der HSV in Person von Vuskovic ein weiteres Mal das Tempo verschleppte, setzten leichte Pfiffe von den Rängen ein. Doch der junge Abwehrmann hatte eine Idee, spielte einen Flugpass in Vieiras Lauf – und der Mittelfeldmann wurde gelegt. Der folgende, von Dompé eigentlich suboptimal ausgeführte Freistoß, führte zum 1:0, weil Gocholeishvili gut nachsetzte und Vuskovic wuchtig traf (42.).
Doch der Youngster hatte kaum fertig gejubelt, da gab er hinten eine unglückliche Figur ab, als er mit seinem Rücken Mikkel Kaufmann in Szene setzte. Der Ex-HSV-Stürmer legte quer auf Ibrahimovic, der nicht ins Tor traf – sondern den grätschenden Vuskovic. Die Tottenham-Leihgabe bügelte ihren Fauxpas selbst aus und leitete einen Konter ein: Philippe startete über rechts durch, seine Flanke war aber einen Tick zu hoch für Königsdörffer (43.). Nicht das 2:0 also. Sondern stattdessen beinahe doch das 1:1, als Kerber das Spielgerät hauchzart neben den linken Torpfosten des HSV legte (45.+1.). Pause. Zum ersten Mal. „Vuskovic, Vuskovic“-Rufe von der Nordtribüne. Durchatmen. Das war wichtig nach dem turbulenten ersten Durchgang. Doch der zweite begann genauso.
HSV-Zugang Philippe traf nach Vieira-Querpass zum 2:0
Kaufmann scheiterte an Heuer Fernandes (49.), Dompé auf der Gegenseite an Kevin Müller (52.), ehe wieder Heidenheim an der Reihe war: Ibrahimovic probierte es wuchtig aus der Distanz. Sirlord Conteh zielte beim Nachschuss aus wenigen Metern zu hoch (54.). Nickeligkeiten und kleinere Fouls nahmen zu, Abstiegskampf eben. Da passte es, dass das 2:0 aus einem schnell ausgeführten Freistoß resultierte: Vuskovic spielte auf Gocholeishvili, der den auffälligen Vieira in Szene setzte – und dessen Querpass drückte Philippe mit der linken Picke ins Tor (59.). Der Franzose ließ sich für seinen Debüttreffer feiern und hätte zum Vorlagengeber für das 3:0 werden können, doch Königsdörffer schoss im Strafraum drüber (62.).

Der HSV nahm die Gegebenheiten an – und ließ auch den Spaß nicht zu kurz kommen. Bezeichnend: Gocholeishvili begann, an der eigenen Eckfahne zu jonglieren, klärte per Fallrückzieher, wurde dabei gelegt – und ließ sich für den Freistoßpfiff von den Fans feiern (64.). Die Zuschauer bejubelten jede Balleroberung, eine davon nutzte Dompé nach einem Konter aber nicht, weil er zu zentral abschloss (66.). Vieira probierte es gar per Seitfallzieher (68.) und später per Schlenzer (77.). Zwischendrin fand Königsdörffer aus spitzem Winkel seinen Meister in Müller (72.). Da war sie doch, die an den ersten drei Spieltagen sehnlichst vermisste Torgefahr des HSV. Vieira verdiente sich bei seiner Auswechslung sogar Standing Ovations.
1. FC Heidenheim verkürzte in der Nachspielzeit auf 1:2
Zur Wahrheit gehört: Es wurde noch einmal richtig knapp. Die Heidenheimer tauchten in der Schlussphase mehrfach gefährlich im HSV-Strafraum auf. Der eingewechselte Stefan Schimmer köpfte nur Zentimeter vorbei (87.), ehe Adam Kölle nach einem abgeblockten Eckball auf 1:2 verkürzte (90.+3). Plötzlich griff sie noch einmal um sich, die Nervosität, die auch Joker Glatzel nicht bändigen konnte, weil er an die Latte schoss (90.+5). Zudem ließ Fabio Baldé eine Eins-gegen-eins-Situation leichtfertig liegen (90.+6.).
Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der FCH dem Ausgleich nicht fern war: Ein letzter Versuch von Omar Traoré wurde gerade noch so abgeblockt von der starken HSV-Defensive (90.+9). „Wir haben einfach zu viel liegen gelassen“, ärgerte sich FCH-Coach Frank Schmidt. „Das darf uns nicht passieren. Die Niederlage ist schwer zu akzeptieren.“
HSV-Kapitän Miro Muheim: „Es fühlt sich unglaublich an“
Laut den x-Goals wäre ein Remis wohl das gerechtere Resultat gewesen (2,75 zu 2,67). Doch das war den Hausherren nach dem vierten Saisonspiel samt erstem Erfolg vollkommen gleichgültig. Und so tanzten und klatschten sie, als sie um 17.31 Uhr vor die Nordtribüne liefen. „Es fühlt sich unglaublich gut an, hier zu Hause mit den eigenen Fans“, schwärmte Miro Muheim, der den HSV als Kapitän aufs Feld geführt hatte, weil Yussuf Poulsen nicht im Kader stand und Capaldo sowie Jonas Meffert nicht zum Einsatz kamen.
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„Es war ein Arbeitssieg“, freute sich Polzin, während Elfadli erklärte: „Vor dem Spiel war der Druck groß, das wussten wir alle. Aber jetzt mit vier Punkten sind wir absolut im Soll.“ Und vorübergehend Tabellen-14.
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