Andreas Magaard zeigt sich im Spiel gegen den SC Magdeburg enttäuscht

Frust pur: Die Spieler des HSV Hamburg (hier Andreas Magaard) waren nach der hauchdünnen Niederlage gegen Magdeburg enttäuscht. Foto: WITTERS

Wildes Ende, Schiri-Wut, Kabinen-Gebrüll: HSV Hamburg verpasst Coup gegen SCM

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Die Sensation in der Hand gehabt, verdammt viel richtig gemacht, die Halle zum Kochen gebracht und am Ende doch als Verlierer vom Parkett gegangen. Hamburgs Handballer haben eine große Überraschung verpasst und gegen den favorisierten SC Magdeburg nach einer über weite Strecken überragenden Vorstellung in einer dramatischen Schlussphase den Kürzeren gezogen – hauchdünn mit 29:30 (16:12). Der Krimi endete mit einer umstrittenen Schiedsrichterentscheidung, die dem lange Zeit besseren HSVH die Chance auf ein Unentschieden gegen den Champions-League-Sieger nahm, das absolut verdient gewesen wäre. Fand auch der SCM-Trainer Bennet Wiegert, der in der Halbzeit ausgerastet war.

Nach Luft ringend stand Niklas Weller nach den kräftezehrenden und dramatischen 60 Minuten im Kabinengang der Barclays Arena, die Hände in die Hüften gestemmt, den Blick abwechselnd auf den Betonboden oder an die Decke gerichtet. „Das ist extrem bitter“, ärgerte sich der Kapitän über die so knapp verpasste Überraschung. „Wenn man sieht, dass wir Magdeburg 60 Minuten fordern und vor allem in der ersten Halbzeit vor große Probleme stellen und dann am Ende mit leeren Händen dastehen, dann tut das schon weh.“

HSV Hamburg verliert ganz knapp gegen SC Magdeburg

Vier Tage nach dem bitteren und auch blamablen Pokal-Aus in Dresden hatte sich der HSVH in der ersten Hälfte wie verwandelt präsentiert, vor den 6242 Zuschauenden eine grandiose Vorstellung abgeliefert und mit bis zu sechs Toren geführt (15:9/27.). Mutig, druckvoll und sehr effizient im Angriff, dazu leidenschaftlich und aggressiv in der Abwehr – mit einem sehr gut aufgelegten Robin Haug (zwölf Paraden) zwischen den Pfosten.


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„Wir haben das überragend gemacht“, lobte HSVH-Trainer Torsten Jansen sein Team. Magdeburgs Coach Wiegert, dessen Mannschaft die Reise zur Klub-WM noch merklich in den Knochen und Köpfen steckte, sang weitere Lobeshymnen auf den Gegner – was deutlich leichter fällt, wenn man knapp gewonnen hat. „Es war ein fantastischer Start der Hamburger, die uns in allen Belangen, was Leidenschaft und Charakter angeht, überlegen waren. Ein Punkt für den HSV wäre mehr als verdient gewesen. Gefühlt war mehr drin für Hamburg und vielleicht auch mehr verdient. Wir müssen noch mehr glücklich sein, mit zwei Punkten nach Hause zu fahren.“

Bennet Wiegert mit Wutrede in der Halbzeitpause

Was kaum jemand mitbekommen hatte: In der Halbzeit hatte Wiegert seine Mannschaft in der Kabine zusammengebrüllt, dass die Wände wackelten. Eine minutenlange Wutrede vom Feinsten, um den Favoriten aufzuwecken und an der Ehre zu packen. Sie war im angrenzenden Raum auch durch eine dicke Betonwand zu hören.

Es war jedoch weniger das Aufbäumen des SCM, welches das Spiel kippen ließ, als vielmehr der sukzessive Abbau beim Jansen-Team, dass das hohe Niveau in der zweiten Halbzeit nicht halten konnte. Mehr und mehr schlichen sich Fehler ins Spiel, wurden Chancen nicht mehr so konsequent genutzt, sodass zunächst der Vorsprung schmolz, die Gäste erst ausglichen (22:22/44.) und in der 49. Minuten erstmals in Führung gingen (24:25). Zwar gelang den bravourös kämpfenden Hamburgern noch eine letzte Führung zum 26:25, doch in der 58. schien die Partie angesichts einer Drei-Tore-Führung des SCM (27:30), der in dieser Phase seine Klasse und auch Routine ausspielte und vor allem weniger Fehler als der HSVH machte, gelaufen.

Dramatisches Ende: HSVH bekommt Siebenmeter nicht

Dramatisch wurde es trotzdem noch einmal. Nachdem Nicolaj Jørgensen 30 Sekunden vor dem Ende einen Siebenmeter zum 29:30 verwandelt hatte, vertändelte im letzten Angriff der Gäste ausgerechnet Toptorjäger Omar Ingi Magnusson (15 Treffer, davon acht Siebenmeter) den Ball in Bedrängnis an der Seitenlinie. Die Hamburger schalteten schnell, brachten den Ball auf Rechtsaußen Frederik Bo Andersen, der im Laufduell mit Lukas Mertens vom deutschen Nationalspieler einen Schubser mit beiden Händen erhielt und im Fallen und aus einem schlechten Winkel übers Tor warf. Schiedsrichter Marvin Cesnik entschied: kein Foul, Torabwurf. Die Uhr lief ab. Ende.

Die HSVH-Fans tobten und pfiffen, Andersen forderte vehement Siebenmeter, war fassungslos. Der Technische Delegierte schaltete sich ein, empfahl den Referees einen Videobeweis, was untypisch ist. Nach Ansicht der Bilder blieb es bei der ursprünglichen Entscheidung – und damit bei der Niederlage des HSVH.

„Verstehe ich nicht“: Niklas Weller übt Kritik

Eine harte Entscheidung gegen den HSVH, aber kein Skandal, wenngleich viele Hamburger Spieler fluchend in die Kabine stapften und sich um die allerletzte Chance gebracht fühlten und auch Co-Trainer Blazenko Lackovic beim Verlassen des Halleninnenraums ein herzhaftes „Fuck!“ hören ließ.

Kapitän Weller war bei allen Emotionen um Sachlichkeit bemüht. „Wenn so etwas im Spiel passiert, wird da ziemlich häufig auf Siebenmeter entschieden und keiner regt sich groß auf. Dann nur, weil es die letzte Aktion des Spiels ist, einen anderen Maßstab anzulegen, ist das, was ich nicht verstehe.“

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Trainer Jansen bewertete die finale Entscheidung mit etwas Abstand als „50:50, eher weniger“, weiß aber auch um den Bonus, den die Topteams oft haben. „Für Magdeburg gibt es in einer solchen Situation vielleicht Siebenmeter, für uns nicht.“ Er merkte aber auch kritisch an: „Vielleicht müssen wir die letzte Aktion auch besser ausspielen.“ Nicht nur die letzte.

HSV Hamburg begeistert die Fans im ersten Arena-Spiel

Zur ganzen Wahrheit und Geschichte des Spiels gehört: Der HSVH hatte ausreichend Möglichkeiten, die Partie für sich zu entscheiden, war durch eigene Unzulänglichkeiten, die der SCM im Stile einer Spitzenmannschaft eiskalt ausnutzte, überhaupt erst in Rückstand geraten. Wer als Außenseiter einen Champions-League-Sieger schlagen will, selbst wenn der einen schwachen Tag hat, muss ein nahezu perfektes Spiel machen, nicht über 30 oder 45, sondern über 60 Minuten. Das war den Hamburgern nicht gelungen. Eines aber hatte der HSVH im ersten Spiel der Saison in der großen Arena im Volkspark geschafft: das Publikum mitzureißen und zu begeistern. Wenn das schon keine Punkte gebracht hat, dann vielleicht in den kommenden Heimspielen mehr Zuschauende.

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Gewinner gab es dennoch auf Hamburger Seite. Zwar überzeugte in erster Linie das starke Kollektiv, aber zwei Neuzugänge stachen heraus und setzten Ausrufezeichen. Elias Kofler lieferte in der Abwehr eine sagenhafte Energieleistung ab und machte den SCM-Stars mit schnellen Beinen und mächtig Biss das Leben mehr als schwer. Im Angriff trat Rückraum-Linkshänder Oliver Norlyk erstmals aus dem Schatten von Jacob Lassen, vor dem er den Vorzug erhalten hatte, und trumpfte mit sieben Toren bei sieben Versuchen (!) auf, wenngleich ihm in der Schlussphase zwei technische Fehler unterliefen.

Andersen bester Hamburger Schütze, Norlyk trumpft auf

Die Niederlage und die verpasste Überraschung tat auch dem meist nüchternen Torsten Jansen weh, aber die Reaktion seiner Mannschaft auf das Pokal-Debakel und die „Art und Weise, wie wir gespielt haben, stimmt mich positiv“.

Tore HSVH: Andersen (8/2), Norlyk (7), Sauter (3), Geenen (3), Jørgensen (3/2), Kofler (2), Mortensen (1/1), Lassen (1), Olafsson (1).

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