Teutonias Fabian Istefo kämpft mit dem Leverkusener Jonas Hofmann um den Ball.

Teutonias Fabian Istefo kämpft 2023 am Millerntor mit dem Leverkusener Jonas Hofmann um den Ball. Foto: imago/MIS

Norderstedts Vorgänger: So feierten Amateure ihre Pokal-Partys am Millerntor

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Eintracht Norderstedt wird im DFB-Pokal am 16. August „zu Hause“ am Millerntor gegen den FC St. Pauli spielen. Ein auf den ersten Blick kurioser Heimrechtstausch, der aber für alle Beteiligten Sinn ergibt – und sich in eine kleine, aber feine Tradition einreiht. Schon einige Amateurvereine nutzten das Millerntor für ihre Pokal-Highlights.

Jüngster „Heim-Gast“ bei St. Pauli war Teutonia 05 Ottensen, die nach ihrem Hamburger Pokalsieg 2023 Bayer Leverkusen zugelost bekam. Ein Jahr zuvor wollte St. Pauli den Teutonen für ihr Spiel gegen das ungeliebte RB Leipzig nicht das Stadion überlassen, diesmal einigten sich die Klubs – und für die Ottenser bedeuteten 11.000 Zuschauer:innen am Millerntor eine starke Kulisse.

Sportlich gab es gegen den späteren deutschen Meister wenig zu ernten. 45 Minuten lang schlug sich der Regionalligist mit St. Pauli-Legende André Trulsen als Co-Trainer wacker, am Ende stand aber doch eine 0:8-Pleite. Zwei Jahre später bleibt nicht viel mehr als die Erinnerung – nach dem Absprung von Sponsoren hat sich Teutonia freiwillig in die Oberliga zurückgezogen, große Pokalerlebnisse dürfte es so bald nicht wieder geben.

Victoria gewann vor dem Umzug erstmal gegen RWO

Der SC Victoria tat 2010 richtig etwas dafür, am Millerntor zu spielen. In der ersten DFB-Pokal-Runde kegelte „Vicky“ den Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen mit einem 1:0 an der heimischen Hoheluft aus dem Wettbewerb und sorgte so für einen handfesten Umzugsgrund.

Oberhausen-Torschütze Stephan Rahn, Bruder des St. Pauli- und HSV-Profis Christian Rahn, traf dann auch vor 8400 Zuschauer:innen in der zweiten Runde gegen den VfL Wolfsburg – auf Vorlage des Ex-St. Paulianers Sven Trimborn. Zum höchst respektablen 1:3-Endstand gegen die „Wölfe“, für die der einstige englische Nationaltrainer Steve McClaren dann neben Vicky-Coach Bert Ehm auf der Pressekonferenz saß.

Victoria-Trainer Bert Ehm trifft Wolfsburg-Coach Steve McClaren. WITTERS
Victoria-Trainer Bert Ehm trifft Wolfsburg-Coach Steve McClaren.
Victoria-Trainer Bert Ehm trifft Wolfsburg-Coach Steve McClaren.

Schon 2002 war der USC Paloma ans Millerntor gezogen, als der 1. FC Kaiserslautern beim Hamburger Pokalsieger antreten musste. Es war die Premiere für St. Paulis Stadion-Vermietung an einen Amateurverein. Die deutlich stärker zum HSV geneigten Paloma-Fans um „Rainer Becker Barmbek“ drohten zwar, sich beim Spiel mit einigen Kästen Bier auf dem Heiligengeistfeld zu versammeln, um ja keinen Fuß ins Stadion des Lokalrivalen setzen zu müssen – doch das erwies sich dann als Frotzelei. Beim achtbaren 0:5 gegen Miroslav Klose und Co. gehörten Becker und seine Tauben-Freunde zu den 7800 Besucher:innen.

Autsch! Miroslav Klose wird von Palomas Bubacar Bah zu Fall gebracht. IMAGO / Comsport
Autsch! Miroslav Klose wird von Palomas Bubacar Bah zu Fall gebracht.
Autsch! Miroslav Klose wird von Palomas Bubacar Bah zu Fall gebracht.

Auch St. Paulis Amateure bestritten zwei DFB-Pokal-Spiele am Millerntor: 1998 hielten sie über eine Stunde lang ein 0:0 gegen Bayer Leverkusen, ehe Ulf Kirsten mit einem Doppelpack den 5:0-Sieg des Favoriten einleitete. Im braun-weißen Nachwuchs waren mit Christian Rahn, Zlatan Bajramovic und Ivan Klasnic gleich drei spätere Nationalspieler vertreten. Leverkusens Trainer Christoph Daum schnappte sich nach Abpfiff eine Flüstertüte und hielt eine Lobrede auf St. Pauli und seine Amateure-Fans.

2001 hielten die Talente mit dem heute in St. Paulis Medienabteilung beschäftigten Hauke Brückner in der Abwehr die Null gegen Eintracht Frankfurt sogar bis zu 118. Minute, ehe Ervin Skela per Elfmeter zum Sieg der Hessen traf. Bizarr aus heutiger Sicht war das vereinsinterne Pokalspiel im Juli 1969, als 2000 Menschen am Millerntor sahen, wie St. Paulis Amateure in der norddeutschen Vorrunde die Lizenzspieler des Kiezklubs durch ein Tor von Peter Darsow mit 1:0 besiegten. Ein Sieg gegen die „Vorgesetzten“, der letztlich niemandem Freude bereitete, aber eine kuriose Randnotiz in der Vereinsgeschichte darstellt.

Bocholt, Bremen, Bayern – St. Pauli als Drittligist im DFB-Pokal

Der FC St. Pauli spielte als Drittligist selbst elf Mal Pokal am Millerntor – vom deprimierenden 1:2 nach Verlängerung gegen den 1. FC Bocholt im August 1981 vor 1500 Zuschauer:innen über die berühmte „B-Serie“ mit Siegen gegen Burghausen, Bochum, Berlin und Bremen, die 2006 bis zum Halbfinale gegen Bayern München (0:3) führte. Bis zum schnellen Wiedersehen mit den Bayern, die ebenfalls 2006 das Erstrunden-Spiel mit 2:1 gewannen.

Last not least: Auch zwei Hamburger Pokalendspiele wurden am Millerntor ausgetragen. 1986 besiegte St. Pauli den Außenseiter Holsatia Elmshorn mit 5:0. Michael Dahms traf vor gerade 1000 Besucher:innen gleich zweimal für die Kiezkicker, die 32 Tage danach den Zweitliga-Aufstieg klarmachten und dann langsam vor größeren Kulissen kicken konnten.

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2009 sicherte sich Concordia durch ein 2:1 gegen Altona 93 den Landespokal. Im ausgebauten Millerntor fanden sich nur 2934 Zuschauer:innen ein, was den siegreichen Concorden herzlich egal sein mochte. Aus dem Hamburger Fußball-Verband waren jedoch Klagen über die hohe Stadionmiete des FC St. Pauli zu vernehmen. Jedenfalls fanden danach alle Hamburger Pokalendspiele (bis auf eine Corona-Ausnahme) im Stadion Hoheluft statt. Wie auch das 2025, in dem sich Eintracht Norderstedt die Chance auf eine große DFB-Pokal-Party sicherte – und in dem Teutonias Publikumsrekord für Amateur-Heimspiele am Millerntor mit ziemlicher Sicherheit gebrochen werden dürfte.

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