Benet Monteiro verkörpert den erwachsenen „King of Pop“ im Musical „MJ – Das Michael Jackson Musical“.

Benet Monteiro verkörpert den erwachsenen „King of Pop“ im Musical „MJ – Das Michael Jackson Musical“. (Foto: dpa | Marcus Brandt)

Grandioser Hauptdarsteller, viele Hits: neues Michael-Jackson-Musical feiert Premiere

Unter Anwesenheit von zahlreichen Prominenten feierte am Sonntagabend der preisgekrönte Broadway-Erfolg „MJ – Das Michael Jackson Musical“ im Stage Theater an der Elbe Deutschlandpremiere. Dass die Hitdichte des Pop-Genies für ein Musiktheaterstück ausreichen würde, stand schon vorher außer Frage. Spannung erzeugte da eher, wie gut der Brasilianer Benét Monteiro in Gesang, Tanz und Darstellung der Titelfigur gerecht werden würde. Und überhaupt: Darf man dem umstrittenen Jackson noch eine Bühne geben?

Der Keyboarder klimpert auf den Tasten rum, die Tänzer:innen stretchen sich, die Backgroundsänger:innen singen sich warm. „Fünf Minuten bis Michael“, macht der Stagemanager seine Ansage. Das Premierenpublikum im Theater an der Elbe wird am Sonntag direkt reingebeamt in die Proben zu Michael Jacksons „Dangerous“-Welttournee im Jahr 1992 (in Hamburg spielte er am 10.8.1992 im Volksparkstadion).

Benét Monteiro – die Allzweckwaffe des Musicals

Das Licht geht aus, die ersten Töne von „Beat It“ läuten einen stampfenden Megamix ein, und es dauert keine Minute, da steht Michael Jackson in Form von Benét Monteiro in Husarenjacke auf der Bühne und legt los mit den ersten Tanzmoves inmitten des Ensembles. Zwölf Stunden Proben täglich sind in jede Bewegung geflossen. Das hat sich gelohnt: Jedes gestreckte Bein, jedes Fingerschnippen sitzt 1a!

Ausdrucksstark lässt sich Monteiro Ende November als MJ ablichten. picture alliance/dpa | Marcus Brandt
Pressetermin "MJ – Das Michael Jackson Musical"
Ausdrucksstark lässt sich Monteiro Ende November als MJ ablichten.

Der ambitionierte Monteiro ist in den letzten Jahren zur Allzweckwaffe in Sachen Musicals geworden. Er spielte die Titelfigur „Hamilton“ in der Deutschland-Premiere, dann den „Hercules“ im Neue Flora Theater, für den er sich ordentlich Muskeln draufpackte, die er sich für den King of Pop nun wieder abtrainieren musste: Zehn Kilo hat der Brasilianer für seine Traumrolle abgenommen. Sicherlich hat auch die Abteilung Maske geholfen, dass er optisch Michael Jackson erstaunlich nah kommt.

Der junge „MJ“ und die harte Hand seines Vaters

Er ist allerdings nicht der einzige Jackson-Darsteller auf der Bühne. Denn in „MJ“ wird erzählt, wie Michael Jackson zu dem Künstler wurde, der er war; wie sich seine Musik und sein Tanzstil entwickelten – und auch seine Dämonen. Dazu gibt es immer wieder Rückblenden in seine Kindheit. Wechselnde Kinderdarsteller spielen den kleinen Jackson mit Afrokrause, das siebte von neun Geschwistern, das schnell zum talentierten Liebling beim Brüder-Quintett The Jackson 5 avanciert, aber auch umso härter rangenommen wird vom lieblosen Vater Joseph. „Wenn ich dich bestrafe, dann nur, weil du der Beste werden sollst“, rechtfertigt der die Misshandlungen. „Ich hasse ihn“, äußert sich der kleine Michael gegenüber seiner Mutter, die dem offenbar aber nichts anderes als den Song „I’ll Be There“ (von The Jackson 5) entgegenzusetzen hat.

Schön ist die Szene, wie er als Kind am Bühnenrand hockend musikalische Vorbilder wie Jackie Wilson („Higher And Higher“) in der legendären US-TV-Sendung „Soultrain“ bewundert, sich in die Kunst der Performance verliebt und schließlich selbst das „ABC“ bei The Jackson 5 singt und tanzt. Großartig ist hier auch die bunte, in 70er-Farben gehaltene Ausstattung.

DSDS-Star spielt Teenie-Michael

Prince Damien, Sieger der 13. Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ und der dritte „MJ“ im Bunde, verkörpert ihn in seinen Teenagerjahren bis in seine frühen Zwanziger. Er sieht dem King of Pop zwar nicht ähnlich, bringt aber noch mal eine stimmlich andere, irgendwie rebellische Note mit rein, die nah am Original liegt. Bei den Dreharbeiten zum Kinderfilm „The Wiz – Das zauberhafte Land“ lernt Jackson 1978 den erst kürzlich verstorbenen Musikproduzenten Quincy Jones kennen. Eine schicksalhafte Begegnung: Mit ihm wird er seine Erfolgsalben „Off The Wall“, „Thriller“ und „Bad“ aufnehmen und zum Megastar.

Den Hauptanteil an „MJ“ hat jedoch Monteiro, der Jackson als erwachsenen, reflektierten Künstler zeigt. Wie er es gleichzeitig singend und tanzend hinbekommt, die Illusion des echten Michael Jackson auf die Bühne zu zaubern, ist beachtlich. Wenn das Original für die „Dangerous“-Tour „topfit wie ein Boxer“ sein musste, gilt das an diesem Abend auch für Monteiro, der schlichtweg grandios ist. Der Wortanteil zwischen den Songs ist hoch, aber seine Sprechstimme sanft genug, ohne albern zu wirken.

Kindesmissbrauchsvorwürfe werden nicht thematisiert

Jacksons Probleme werden thematisiert: Er singt den Titel „Price Of Fame“, bezeichnet sich als von der Presse „gebranntes Kind“, das keinem vertraut. Er erkämpft sich als erster Schwarzer im Pop den Grammy-Segen, redet von einer „Weißfleckenkrankheit“ seiner Haut, verbrennt sich das Haupt bei einem „Pepsi“-Werbespot und schluckt immer mehr Pillen. Ähnlich wie beim biografischen „Tina“-Turner-Musical erfährt das Publikum viel über das, was dem Ausnahmekünstler wirklich am Herzen liegt. Das sind zum einen natürlich die Musik und die Performance. Mit seinem Perfektionismus und Größenwahn mit Hang zu immer kostspieligeren Special Effects trieb er sein „Dangerous“-Team zu Höchstleistungen an. Zum anderen engagierte er sich für seine Stiftung „Heal The World“, die Umwelt und Kinder.

Musical-Darsteller Benet Monteiro hat viele Stunden geprobt, bis er die für Michael Jackson so typischen Bewegungen drauf hat. dpa | Marcus Brandt
Musical-Darsteller Benet Monteiro hat viele Stunden geprobt, bis er die für Michael Jackson so typischen Bewegungen drauf hat.
Musical-Darsteller Benet Monteiro hat viele Stunden geprobt, bis er die für Michael Jackson so typischen Bewegungen drauf hat.

Apropos: Dass das Stück im Jahr 1992 mit der „Dangerous“-Tour endet, bringt es mit sich, dass die gegen Jackson erhobenen Kindesmissbrauchsvorwürfe keinerlei Berücksichtigung finden, denn die kamen erst danach an die Öffentlichkeit. Das hat man sich clever überlegt. Lediglich in einer Szene gibt es eine Anspielung, weil Jackson „wieder eine Familie mit auf Tour nimmt“. Bei der Premiere am New Yorker Broadway, wo das Stück seit Februar 2022 läuft, soll es Proteste vor dem Theater gegeben haben. Trotzdem wurden für das Musical, das auch im Londoner West End und auf einer Tournee durch Nordamerika läuft, nach Angaben vom Veranstalter Stage Entertainment weltweit bereits über zwei Millionen Tickets verkauft.

Mal abgesehen davon, dass Jackson nie verurteilt wurde, gibt es auch sonst gute Gründe, das Werk eines Künstlers und den Menschen dahinter getrennt voneinander zu bewerten. Nicht zuletzt, weil man die Welt sonst um einen einzigartigen Musikkatalog, der seinesgleichen sucht, ärmer und freudloser machen würde.

Monteiro spielt lebensecht – das überzeugt

Wie viel Freude „MJ“ der Welt gegeben hat, führt das mit vier Tony Awards und einem Grammy Award ausgezeichnete Musical komprimiert vor: Genial ist die Szene, als er Glitzerhandschuh und Hut aus dem Koffer holt und erstmals den Moonwalk aufführt. Der ist Monteiro offenbar in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn er am Ende der Nummer lächelnd aufs Publikum schaut, weiß man nicht mehr, ob er dabei noch in der Rolle ist oder einfach nur er selbst.

Mit „Wanna Be Startin‘ Somethin‘“ wird noch mal euphorisierend zur Disco-Ära ins legendäre „Studio 54“ eingeladen. Gänsehaut erzeugt der „Earth Song“, mit dem Jackson frühzeitig auf die von Menschen herbeigeführte Zerstörung der Erde aufmerksam machte. Der Titel war zwar nicht Teil der „Dangerous“-Worldtour, da er erst 1995 veröffentlicht wurde, gehört aber zu den erfolgreichsten und damit unverzichtbaren Hits des King of Pop.

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Stark beginnt der zweite Akt mit der Nummer „Smooth Criminal“ inmitten einer Neon-dekorierten Straßenkulisse; mit der berühmten „Lean“-Pose setzte Jackson seinerzeit die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft. Vielleicht kippt Monteiro seinen Körper keine 45 Grad vornüber, aber sein Tanz mit dem Ensemble reißt alle von den Sitzen. Überraschend ist die Umsetzung des Meilensteins „Thriller“: Statt sich am Videoclip zu orientieren, richten sich die bösen Geister hier gegen Michael Jackson selbst. So manche Textzeile ergibt so erst Sinn.

Am Ende ist der Dämon überlebensgroß – größer als der King of Pop jemals sein konnte. Der Halbwertzeit seiner Hits kann das allerdings nichts anhaben, wie das Musical „MJ“ eindrucksvoll beweist.

Stage Theater an der Elbe: Di-So, diverse Zeiten, Tickets ab 64 Euro, stage-entertainment.de

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