Merkel bei ihrem Polen-Besuch
  • Kanzlerin Merkel ist für mehr Dialog bei Problemen mit Mateusz Morawieckis polnischer Regierung.
  • Foto: Imago / Zuma Wire

EU-Gipfel: Das Polen-Problem

Beim derzeit stattfindenden EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs wollte EU-Ratspräsident Charles Michel die Konflikte mit Polen am liebsten ausklammern. Beim Treffen im Juni hatten Querelen um Ungarn alle anderen Themen überschattet. Aber die unnachgiebige Haltung des polnischen Regierungschefs Mateusz Morawiecki zur Rechtsstaatlichkeit ließ den Teilnehmenden keine Wahl.

Für zusätzliche Aufregung im Vorfeld sorgte die Menschenrechts-Organisation Amnesty International. Sonst stehen Griechenland, Kroatien und Ungarn im Fokus wegen illegaler „Pushbacks“. So wird es genannt, wenn Geflüchtete ohne Asylverfahren gewaltsam über die Grenze zurückgedrängt werden. Nun beklagte Amnesty einen Fall, der sich am Mittwoch in Polen zugetragen habe. Es geht um 17 Geflüchtete aus Afghanistan, die von polnischen Sicherheitskräften mit Gewalt zurück nach Belarus gedrängt worden seien.

Illegale Pushbacks an der polnischen Grenze

Laut Amnesty waren sie Mitglieder einer 32-köpfigen Gruppe, die nach einer Anordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vorübergehend Schutz in Polen erhalten sollte. Für denselben Tag hat der polnische Grenzschutz auch selbst mitgeteilt, dass eine Gruppe versucht habe, die Grenzbarriere zu durchbrechen, nach ihrer Darstellung allerdings mit Äxten und Zangen bewaffnet, auch Steine hätten sie geworfen. Überprüfen kann dies niemand, da in der Grenzregion der Ausnahmezustand verhängt wurde, keine Journalist:innen mehr vor Ort sind.

Klarer liegt der Fall bei der Frage der Rechtsstaatlichkeit. Zur Erinnerung: Das polnische Verfassungsgericht, mit regierungstreuen Richter:innen besetzt, hat entschieden, dass Teile des EU-Vertrags unvereinbar mit der nationalen Verfassung seien. Morawiecki verteidigte diese Linie am Dienstag vor dem EU-Parlament unnachgiebig, sprach von „Erpressung“ seines Landes. Die EU kündigte Maßnahmen an, will Geld aus dem Corona-Wiederaufbau-Fonds zurückhalten.

Angela Merkel für kooperative Gespräche über Rechtsstaatlichkeit

So sprachen Angela Merkel & Co. gestern doch wieder über das Polen-Problem. Unsere Kanzlerin gehörte dabei zur Fraktion derer, die lieber kooperieren wollen als auf Konfrontationskurs gehen: „Wir haben große Probleme, aber ich rate dazu, sie im Gespräch zu lösen und Kompromisse zu finden“, so Merkel.

Doch auch über Energiepreise wurde natürlich debattiert. Vor allem die Vorschläge Spaniens (gemeinsamer Einkauf von Gas) und Frankreichs (Stärken der Atomkraft) standen im Vordergrund, neben den bisherigen Vorschlägen der EU-Kommission (Zuschüsse und gesenkte Steuern auf nationaler Ebene).

Lesen Sie auch: Polen baut Mauer gegen Flüchtlinge

Eine Lösung des Polen-Konflikts war gestern nicht in Sicht. Auch heute, beim zweiten und letzten Tag des Gipfels, dürfte das Thema auf der Agenda stehen. Die polnische Zivilgesellschaft machte zuletzt durch Opposition zur nationalkonservativen PiS-Regierung von sich reden. In den großen Städten gab es Demos gegen „Pushbacks“ und mangelnde Rechtsstaatlichkeit. Und in der eher konservativen Grenzregion leuchten in vielen Dörfern nachts derzeit grüne Lichter auf den Fensterbänken. Als Zeichen für Geflüchtete, dass ihnen in diesem Haus geholfen wird.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp