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Sonderzug nach Kiew
  • Sloweniens Ministerpräsident Janez Jansa (v.l.), der polnische Amtskollege Mateusz Morawiecki sowie dessen Vize Jaroslaw Kaczynski und der tschechische Regierungschef Petr Fiala.
  • Foto: Mateusz Morawiecki via Twitter/dpa

Die gefährliche Reise der EU-Regierungschefs nach Kiew

Die heftigen Kämpfe in der Ukraine nehmen kein Ende, bei Angriffen auf einen Fernsehturm und eine Schule sterben viele Menschen. Derweil gehen die diplomatischen Bemühungen weiter und die Nato plant ihre nächsten Schritte. Besonders beeindruckte die Weltöffentlichkeit die Reise dreier EU-Regierungschefs in die umkämpfte Hauptstadt Kiew – mit dem Zug durch Gebiete, die teils schon mit Raketen beschossen wurden. Das Wichtigste vom gestrigen Tage und was heute noch wichtig wird:

Mit einem überraschenden Solidaritätsbesuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben drei Regierungschefs osteuropäischer EU-Länder der Ukraine im Kampf gegen Russland Unterstützung versichert. Die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien trafen sich am Dienstagabend mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Regierungschef Denys Schmyhal. Die ukrainische Hauptstadt wird seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar immer wieder beschossen.

Derweil gingen die russischen Attacken auf andere ukrainische Städte auch am 20. Kriegstag weiter. Bei einem Angriff auf einen Fernsehturm starben nahe der nordwestukrainischen Großstadt Riwne nach ukrainischen Angaben 19 Menschen, neun wurden verletzt. In der Nähe der südukrainischen Großstadt Mykolajiw wurde eine Schule beschossen und sieben Menschen getötet. Das Ochmatdyt-Krankenhaus in Lwiw (Lemberg) nahe der polnischen Grenze ist nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef überlastet durch die Anzahl an verletzten Kindern, die aus umkämpften Regionen eintreffen.

EU-Regierungschefs reisen mit Sonderzug nach Kiew

Der Zug mit Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, seinem Stellvertreter Jaroslaw Kaczynski sowie Tschechiens Regierungschef Petr Fiala und seinem slowenischen Kollegen Janez Jansa war am Abend in Kiew eingetroffen. Selenskyj veröffentlichte am späten Dienstagabend auf Telegram ein Video mit, das ihn, Morawiecki, Fiala und Jansa mit weiteren Gesprächsteilnehmern in einem fensterlosen Raum zeigt. „Ihr Besuch in Kiew in dieser für die Ukraine schwierigen Zeit ist ein starkes Zeichen der Unterstützung. Wir wissen das wirklich zu schätzen“, sagte Selenskyj.

Zuvor hatte Morawiecki auf Twitter mitgeteilt, dass er und seine Kollegen in Kiew angekommen seien. „Die EU unterstützt die Ukraine, die auf die Hilfe ihrer Freunde zählen kann – diese Botschaft haben wir heute nach Kiew gebracht“, schrieb Morawiecki. Die Frage, ob die Delegation die Nacht in Kiew verbringen werde oder gleich nach dem Treffen nach Polen zurückkehre, wurde mit Verweis auf die Sicherheitslage nicht beantwortet. Die Reise war nach Angaben eines polnischen Regierungssprechers unter strengster Geheimhaltung in Absprache mit EU und Nato geplant worden.

Nato beruft Sondergipfel in Brüssel ein

Die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten werden in der kommenden Woche zu einem Sondergipfel zusammenkommen. Das Treffen soll für den 24. März in der Bündniszentrale in Brüssel organisiert werden, wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mitteilte. US-Präsident Joe Biden wird zudem auch als Gast beim regulären März-Gipfel der EU erwartet, der für den 24. und 25. März angesetzt ist. Das bestätigte ein ranghoher EU-Beamter. Die Beratungen sind bereits die zweiten auf Ebene der Staats- und Regierungschefs seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar.


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Dass es bei dem Gipfel in der kommende Woche weitreichende Entscheidungen geben wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Es dürfte aber unter anderem darüber beraten werden, ob die Nato mit einer substanziellen und langfristigen Verstärkung der Ostflanke auf Russlands Vorrücken in Richtung Westen reagieren.

Gespräche zwischen Russland und Ukraine gehen weiter

Zwischen Russland und der Ukraine wurden die am Montag vertagten Gespräche fortgesetzt. Die Gespräche seien „konstruktiver“ geworden, sagte der ukrainische Präsidentenberater Ihor Showkwa am Dienstag der Agentur Unian zufolge. Nachdem Russland in den ersten Runden nur Ultimaten gestellt habe, spreche Russland nun in einem anderen Tonfall. In einem Telefonat mit EU-Ratspräsident Charles Michel hat Russlands Präsident Wladimir Putin allerdings kritisiert, „dass Kiew keine ernsthafte Haltung zur Suche nach für beide Seiten akzeptablen Lösungen zeigt“, hieß es in einer Kreml-Mitteilung vom Dienstagabend. Die Verhandlungen sollen am Mittwoch fortgesetzt werden.

Frau mit Plakat im russischen TV zu 30.000 Rubel Strafe verurteilt

Nach ihrem Protest im Staatsfernsehen gegen den russischen Angriffskrieg wurde eine TV-Mitarbeiterin zu 30.000 Rubel (226 Euro) Ordnungsstrafe verurteilt. Zuvor hatte es stundenlang keine Spur von Marina Owssjannikowa gegeben. Die Redakteurin des Ersten Kanals des russischen Staatsfernsehens hatte in den Hauptnachrichten am Montagabend ein Protestplakat gegen den Krieg in die Kamera gehalten.

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Auf dem Plakat war auch zu lesen, dass die Zuschauer „hier belogen“ werden. Zunächst war befürchtet worden, die Frau könnte nach einem umstrittenen neuen Gesetz wegen Diffamierung der russische Armee verurteilt werden. Dabei drohen bis zu 15 Jahre Haft. Nach ihrem Protest wurde Owssjannikowa weltweit eine Welle der Anerkennung zuteil.

Russland und Ukraine sprechen von militärischen Erfolgen

Sowohl Russland als auch die Ukraine berichten von militärischen Erfolgen. Ukrainische Truppen wehrten nach eigenen Angaben einen russischen Vorstoß in der Nähe Kiews und in der umkämpften Hafenstadt Mariupol ab. Mariupol am Asowschen Meer wird seit Tagen von Einheiten der russischen Armee und der prorussischen Separatisten belagert. Hunderttausende Menschen harren dort unter katastrophalen Bedingungen aus. Die russische Armee wirft der ukrainischen Seite mangelnde Kooperation bei Fluchtkorridoren für die Zivilbevölkerung vor. Am Dienstag konnten sich nach Behördenangaben etwa 20.000 Menschen in Mariupol in Sicherheit bringen. Ob ein Konvoi mit Dutzenden Tonnen Hilfsgütern und leeren Bussen für eine Evakuierung das von russischen Truppen eingeschlossene Mariupol erreicht hat, war noch unklar.

Die russische Armee gab bekannt, dass sie das komplette Gebiet Cherson im Süden der Ukraine unter ihre Kontrolle gebracht habe. Dort leben rund eine Million Menschen. Bestätigt wurde die Besetzung von ukrainischer Seite zunächst nicht. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

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Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko verhängte nach schweren Angriffen auf die Stadt eine Ausgangssperre von Dienstagabend bis Donnerstagmorgen. In dieser Zeit dürfen die Einwohnerinnen und Einwohner ihre Häuser nur verlassen, um sich in Schutzräumen und Bunkern in Sicherheit zu bringen.

Das wird am Mittwoch wichtig

In der Nato wird nach Russlands Angriff auf die Ukraine eine signifikante und dauerhafte Verstärkung der Ostflanke erwogen. Bei einem Verteidigungsministertreffen am Mittwoch solle eine Diskussion über die längerfristige Stärkung der Sicherheit in allen Bereichen begonnen werden, erklärte Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Der Europarat bereitet wegen des Ukraine-Kriegs einen Ausschluss Russlands vor. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats stimmte nach einer Dringlichkeitssitzung am Dienstagabend in Straßburg für einen Ausschluss Russlands. Zur Vorbereitung des Ausschlusses will das Ministerkomitee an diesem Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

Entscheidung in Den Haag über Ukraine-Antrag gegen Russland

Erstmals seit der russischen Invasion in die Ukraine wird ein internationales Gericht ein Urteil über den Angriff fällen. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag entscheidet am Mittwoch über die Dringlichkeitsklage der Ukraine gegen den Nachbarstaat.

Auch die internationalen Bemühungen für ein Ende der Kämpfe gehen weiter: Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu reist nach Moskau, der polnische Präsident Andrzej Duda in die Türkei. Der ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj selbst hält vor dem US-Kongress eine Rede per Videoübertragung. (mp/dpa)

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