Verständnis für Verkehrsstreik? Das sagt die Mehrheit der Bundesbürger
Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland blickt nach einer Umfrage verständnisvoll auf den ganztägigen und umfassenden Verkehrs-Warnstreik am kommenden Montag. Rund 55 Prozent der Befragten halten den gemeinsamen Arbeitskampf der Gewerkschaften Verdi und EVG für „eher“ oder „voll und ganz“ gerechtfertigt.
Das geht aus der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hervor. Kritik am Vorgehen der Gewerkschaften kommt dagegen vom Deutsche Städte- und Gemeindebund. Um Warentransporte zu erleichtern, erlauben mehrere Bundesländer am Sonntag den sonst an diesem Tag verbotenen Lastwagenverkehr.
Die Gewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben für Montag zu Arbeitsniederlegungen im Verkehrssektor aufgerufen. Fern-, Regional-, und S-Bahnverkehr auf der Schiene wird ebenso bestreikt wie nahezu sämtliche deutsche Flughäfen und der öffentliche Nahverkehr in sieben Bundesländern. Auch die Schifffahrt ist betroffen sowie die Autobahngesellschaft.
Sonntagsfahrverbot für Lastwagen wird aufgehoben
Die Hälfte der 16 Bundesländer verzichtet am Sonntag darauf, das Fahrverbot für Lastwagen durchzusetzen. Warentransporte können so gegebenenfalls vorgezogen werden. Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt kündigten an, das Lkw-Fahrverbot am Sonntag nicht zu kontrollieren oder sogar aufzuheben. Für einen solchen Schritt hatten sich zuvor Spediteure, der Handel und auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) eingesetzt.
Das Fahrverbot gilt sonst sonntags von 0 bis 22 Uhr für Lastwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen. Der Verzicht auf Kontrollen kommt nach Ansicht des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen für die Branche sehr spät. Die Planung der Transporte in den Speditionen sei längst abgeschlossen. Staus erwartet der Verband nicht: Wir werden ein paar hundert Lkw morgen mehr auf der Autobahn sehen“, hieß es.
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Nach der Yougov-Umfrage finden gut 38 Prozent die Aktion „eher nicht“ oder „gar nicht“ gerechtfertigt, acht Prozent machten keine Angabe. Das gleichzeitige Bestreiken mehrerer Verkehrsmittel halten gleich viele Befragte für gerechtfertigt beziehungsweise für nicht gerechtfertigt.
Über die Hälfte voraussichtlich nicht vom Streik betroffen
Lediglich eine Minderheit sieht sich von den Warnstreikfolgen beeinträchtigt: 69 Prozent der Befragten gaben an, voraussichtlich nicht von dem Ausstand betroffen zu sein. Jeder fünfte gab an, als Nutzer von Bussen und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr die Auswirkungen zu spüren. Sieben Prozent waren als Fernreisende mit der Bahn betroffen. Zwei Prozent äußerten sich als betroffene Flugreisende.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund verurteilte den bundesweiten Verkehrsstreik. „Der Streik am Montag kommt einem Generalstreik ziemlich nahe und geht weit über einen Warnstreik hinaus“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Organisation, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“ (Samstag).
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Für Eltern mit kleinen Kindern sei dieser Warnstreik besonders bedenklich, denn Verdi nehme „auch die Kitas wieder ins Visier. Die Kitas werden schon seit Wochen immer wieder bestreikt, zudem gibt es bei den Erzieherinnen und Erziehern einen hohen Krankenstand.“ Das sei für Familien nach dem Corona-Horror schon wieder eine Riesenbelastung und oft „gar nicht zu lösen, wenn beide arbeiten“, ergänzte Landsberg.
Verständnis kommt vom Wirtschafts-Sachverständigenrat
Die Vorsitzende des Wirtschafts-Sachverständigenrats, Monika Schnitzer, zeigte hingegen Verständnis. „Wir sehen hier einen Tarifkonflikt, der weder ungewöhnlich noch unverständlich ist“, sagte Schnitzer der „Rheinischen Post“. „Die Beschäftigten haben in Deutschland im vergangenen Jahr wegen der hohen Inflation im Durchschnitt einen Reallohnverlust von über drei Prozent hinnehmen müssen“, sagte sie. „Auch für dieses Jahr erwarten wir eine Inflation von 6,6 Prozent.“ Vor diesem Hintergrund seien hohe Lohnforderungen verständlich. (dpa/mp)