Islam kämpft zusammen mit anderen Tschetschenen im Ukraine-Krieg.
  • Islam kämpft zusammen mit anderen Tschetschenen im Ukraine-Krieg.
  • Foto: GENYA SAVILOV/AFP

Söldner im Ukraine-Krieg: „Wenn mich die Russen erwischen, werde ich gefoltert“

Die tschetschenischen Kämpfer in der Ukraine sind leicht zu erkennen: Die Köpfe kahl geschoren, die Bärte lang. Ihr Einsatz an der Seite der ukrainischen Armee ist besonders riskant. „Wenn mich die Russen erwischen, werde ich nicht ausgetauscht, sondern gefoltert und dann im Fernsehen zur Schau gestellt“, befürchtet Islam, einer der Freiwilligen, der in der Nähe von Saporischschja kämpft.

Der 33 Jahre alte Tschetschene floh vor knapp zwei Jahrzehnten aus seiner Heimat nach Polen. Dort könnte er in Frieden leben. Doch nach dem russischen Angriff auf das Nachbarland schloss Islam sich dem Scheich-Mansur-Bataillon an. Die Einheit gründete sich 2014 nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, die meisten Angehörigen sind Veteranen der Tschetschenien-Kriege.

„Mehrere hundert“ Tschetschenen kämpften derzeit gegen die russischen Truppen in der Ukraine, sagt Islam. Wie viele es genau und wo sie im Einsatz sind, will er nicht sagen. Genausowenig wie seinen vollständigen Namen – um seine Verwandten in Tschetschenien vor Repressalien zu schützen.

„Ich will die Ehre der Tschetschenen reinwaschen, die Moskau als Terroristen hinzustellen versucht“

Auch auf der anderen Seite der Front kämpfen Tschetschenen: Kremltreue, die sich den berüchtigten Kommandos des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow angeschlossen haben. Von 8000 Mann ist die Rede – eine Zahl, die sich nicht überprüfen lässt. „Wir wollen zeigen, dass nicht alle Tschetschenen so sind wie sie, sondern dass viele von uns die Russen als Aggressoren und Besatzer sehen“, sagt Islam unter dem Lärm der Sirenen, die einen weiteren russischen Luftangriff ankündigen.

Kahle Köpfe, lange Bärte: Islam (l.) und andere Söldner aus Tschetschenien GENYA SAVILOV/AFP
Kahle Köpfe, lange Bärte: Islam (l.) und andere Söldner aus Tschetschenien
Kahle Köpfe, lange Bärte: Islam (l.) und andere Söldner aus Tschetschenien

Für Islam ist der Krieg hier ein Déjà-vu. „Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit, eine Fortsetzung dessen, was im Kaukasus begonnen hat“, sagt er. In zwei Kriegen verwüstete Moskau die tschetschenische Hauptstadt Grosny, nun widerfuhr der ukrainischen Hafenstadt Mariupol das gleiche Schicksal. Hunderttausende Tschetschenen flohen, schätzungsweise 250.000 leben heute in Europa, der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

„Ich will die Ehre der Tschetschenen reinwaschen, die Moskau als Terroristen hinzustellen versucht“, sagt Islam. Deshalb kämpft er nicht nur, sondern dokumentiert im Internet auch mutmaßliche russische Kriegsverbrechen und wird deswegen bedroht.

„Wir sind nicht hier, um den Ukrainern islamische Überzeugungen aufzuzwingen“

Mansur, ein 40 Jahre alter Koloss mit vielen Narben, ist der stellvertretende Kommandeur von Islams Einheit. „Zwei von uns sind tot, andere sind verletzt. Aber es ist wichtig, dass wir hier sind. Wir müssen den einheimischen Soldaten etwas über den Krieg beibringen“, sagt Mansur.

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Vor dem Krieg begegneten die ukrainischen Behörden tschetschenischen Freiwilligen mit Misstrauen, denn viele in Europa lebende Tschetschenen hatten sich der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS)angeschlossen. Prorussische Regierungsvertreter setzten einige von ihnen auf Wunsch Moskaus auf eine Sanktionsliste für Terroristen. „Aber das war alles vor der Invasion, jetzt hat sich der Blick der Regierung auf uns verändert“, sagt Islam. Nun würden sie als „Verbündete“ gesehen.

Die Tschetschenen gehören offiziell nicht der ukrainischen Armee an. Doch sie werden mit erbeuteten Waffen ausgerüstet, die christlich-orthodoxe Bevölkerung versorgt die muslimischen Freiwilligen mit Essen. „Wir sind nicht hier, um den Ukrainern islamische Überzeugungen aufzuzwingen“, sagt Mansur. „Sondern um einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen und die Freiheit zu verteidigen.“ (mik/afp)

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