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  • Die Impfverordnung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird kritisiert (Symbolbild).
  • Foto: dpa/AP

Impfreihenfolge: Sollten Schwerkranke vorgezogen werden – auch wenn sie unter 80 sind?

Berlin –

Erst wurden Vorwürfe laut, die Impfpriorisierung hätte im Bundestag beschlossen werden sollen, jetzt geht es um die Reihenfolge selbst: Die Impfverordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist in Kritik geraten. Der Vorwurf: Bei manchen Menschen wird ihr erhöhtes Risiko, einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden, verkannt. Sie fallen durchs Raster und werden viel zu spät geimpft. Wird die Verordnung nun überarbeitet?

Wer wird zuerst geimpft? Das ist eigentlich in der Coronavirus-Impfverordnung festgelegt. Nach den Vorschlägen der „Ständigen Impfkommission“ (Stiko), dem Ethikrat und der Leopoldina orientiert sich die Impfreihenfolge aktuell nach Alter, dem Beruf und bestimmten Vorerkrankungen.

Corona-Impfung: Junge Risikopatienten kämpfen für Impfungen

Doch diese Priorisierung wird nun kritisiert. Denn auch jüngere Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen oder Behinderungen können ein erhebliches Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken. Und nicht alle dieser Risikopatienten wurden in der Impfverordnung berücksichtigt: In Deutschland gebe es „sicherlich mehr als 100.000 schwerstkranke und schwerstpflegebedürftige Menschen unter 80 Jahren, die eigentlich mit höchster Priorität geimpft werden müssten, aber vom Bundesgesundheitsminister in seiner Verordnung nicht erfasst wurden“, so Eugen Brysch, Vorstand der „Stiftung Patientenschutz“ im „Spiegel“.

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Zwar können Bundesländer in Einzelfällen von der Impfverordnung abweichen und Impfungen vorziehen. Eine einheitliche Regelung ist das aber nicht – und sie garantiert keine Impfung für die Betroffenen, die sich mit ärztlichen Bescheinigungen und – wie im Fall einer Hamburger Krebspatientin – vor Gericht eine zeitnahe Impfung erstreiten müssen. Laut „Spiegel“ haben sich Betroffene mit einer Petition von über 50.000 Unterschriften bereits an Spahn gewendet. Die Forderung: Körperlich schwerbehinderte Menschen sollen künftig früher geimpft werden.

Covid-19: Kombinationen verschiedener Vorerkrankungen können Krankheitsverlauf erschweren

Ein weiteres Problem: Kombinationen verschiedener Vorerkrankungen können das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf von Covid-19 erheblich steigern. Auch das sei in der Impfverordnung nicht ausreichend berücksichtigt, so Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer in der „Welt“. Für die Zeitung hat das Institut für Gesundheitssystemforschung der Krankenkasse 66 Vorerkrankungen identifiziert, die einen schweren Krankheitsverlauf verursachen können – und untersucht, welche Krankheitskombinationen besonders gefährlich sind.

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Laut der „Welt“ hat jemand mit hämatologischen Neubildungen (bösartige Tumore) und einer gleichzeitigen Demenzerkrankung beispielsweise ein 16-fach erhöhtes Risiko, an Covid-Erkrankungen zu sterben, als andere Patienten desselben Geschlechts und Altersgruppe. Auch Menschen, die sowohl an Aids, als auch psychisch erkrankt sind, haben ein deutlich erhöhtes Risiko. Andererseits sind in der Impfverordnung einige Vorerkrankungen mit höherem Risiko eingestuft als die Barmer-Untersuchungen ergeben. Menschen nach Organtransplantationen zählen aktuell demnach zu der zweiten Gruppe, bei der Barmer-Studie liegen sie aber erst auf Platz 20.

Impfverordnung: Kommt eine Änderung?

Nun hat das Barmer-Institut eine neue Impfreihenfolge vorgeschlagen, in der deutlich mehr Menschen mit Vorerkrankungen priorisiert werden. Durch ihre Optimierung könne die Anzahl der Covid-19-Todesfälle in 100 Tagen um 90 zurückgehen, so die Krankenkasse. Auch die Einlieferungen von stationär zu behandelnden Covid-Patienten könnten schon nach dreieinhalb Wochen um 25 Prozent reduziert werden. Da wäre 50 Prozent schneller als bei der jetzigen Impfreihenfolge. „Menschenleben können gerettet und das Risiko einer Überlastung des Versorgungssystems kann verringert werden“, so Straub zur „Welt“ – den Berechnungen der Krankenkasse liegt allerdings eine Impfrate zugrunde, von der Deutschland derzeit noch weit entfernt ist.

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Die Erkenntnisse der Krankenkasse könnten nun in die Impfverordnung einfließen. „Ich habe die Ständige Impfkommission gebeten, sich Hinweise und Modelle wie die von der Barmer anzuschauen“, so Spahn bei der Bundespresskonferenz am Freitag. Auch andere Krankenkassen hätten schon solche Modelle angefertigt, allerdings könne man einige Punkte nicht direkt auf die Impfverordnung übertragen, da auch die Krankenkassen nur bestimmte Daten haben.

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