Spektakulärer Ostsee-Fund: So schwierig lassen sich Enigmen erforschen
Vor gut einem Jahr machte ihr Fund weltweit Schlagzeilen: Durch Zufall fanden Taucher Chiffriermaschinen aus dem Zweiten Weltkrieg in der Ostsee. Sie werden nun in Schleswig erforscht und restauriert. Lüftet die Restaurateurin Geheimnisse?
Ihr Zustand ist nach Jahrzehnten im Wasser desolat. Die Ostsee und die Schlei haben sichtbare Spuren an den Gehäusen der Chiffriermaschinen aus dem Zweiten Weltkrieg hinterlassen. Seit Monaten befinden sich sieben legendäre Enigmen in der Archäologischen Zentralwerkstatt auf Schloss Gottorf in Schleswig. „Da führt kein Weg hin, die Maschinen wieder zum Laufen zu bringen“, sagt Metallrestauratorin Corinna Mayer, dafür seien sie zu verrostet. Die 42-Jährige ist im Sommer aus München nach Schleswig gewechselt.
Enigmen-Erforschung braucht vier bis fünf Jahre
Der Fund und die anschließende Bergung der Enigmen im Hafen von Kappeln und in der Ostsee hatten Schlagzeilen weit über die norddeutsche Tiefebene hinaus gemacht. Durch blanken Zufall waren Taucher im November 2020 in der Geltinger Bucht und im Januar 2021 in der Schlei auf die Maschinen gestoßen – dabei wollten sie in einem Fall eigentlich Geisternetze und im anderen einen Propeller bergen.
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Mayer will die Enigmen erforschen und restaurieren. Vor ihr liegen vier bis fünf Jahre Arbeit, bis diese ausgestellt werden können, schätzt Werkstatt-Leiter Joachim Schultze. Noch liegen die Maschinen in Wasserbädern. „Das ist ganz normales Leitungswasser“, sagt Mayer. Einmal im Moment wechsele sie das. Ziel sei, dadurch Chloride und eventuelle Schadstoffe zu entfernen. Anfangs sei das Wasser schnell trübe geworden.
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Mayer schaute sich zu Beginn in einem Museum eine funktionierende Enigma an. „Bevor ich ein Objekt konserviere, muss ich es verstehen. Der Aufbau der Maschinen ist sehr komplex.“ Dabei hilft modernste Technik. Im Frühjahr 2021 lagen erste Maschinen in einem Computertomographen (CT) der Lübecker Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik und gaben innerste Geheimnisse preis. Aus 4000 einzelnen Röntgenbildern aus verschiedenen Richtungen rekonstruierten Wissenschaftler algorithmisch ein 3D-Bild. Eine wichtige Vorarbeit für Mayers Arbeit.
Bei der Enigma handelt es sich um eine für damalige Verhältnisse komplexe Maschine – benannt nach dem griechischen Wort für Rätsel. Im Zweiten Weltkrieg diente sie mit ihren 26 Buchstaben-Tasten und ebenso vielen Leuchtfeldern mit jenen Buchstaben, die den Text bildeten, der Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs. Nach ersten Erfolgen von polnischen Experten trug der britische Mathematiker Alan Turing maßgeblich dazu bei, den Enigma-Code zu knacken. Dies hatte erheblichen Einfluss auf den U-Boot-Krieg im Atlantik. Fortan konnten die Briten verschlüsselte Funk-Codes mitlesen – unbemerkt vom Kriegsgegner.
Woher die Enigmen stammen, ist noch nicht geklärt
Woher die Enigmas aus der Ostsee und der Schlei stammen, kann Mayer zwar noch nicht sagen, erste Erkenntnisse hat die gebürtige Wackersdorferin aber. „Es sind nicht alles U-Boot-Enigmas.“ Sechs der sieben Objekte könne sie mittlerweile recht sicher einem Typ zuordnen. Beim relativ gut erhaltenen Fundstück aus der Geltinger Bucht handele es sich um eine M4 mit vier Chiffrierwalzen. „Die M4 waren ab 1942 für die U-Boote gedacht.“ Auf welchem Boot die Enigma im Krieg zum Einsatz kam, ist aber noch unbekannt. In einem anderen Fall fand Mayer eine Seriennummer. Sicher ist sie, dass alle sieben Geräte auf Marineschiffen zum Einsatz kamen.
Der Marinehistoriker Jann M. Witt vom Deutschen Marinebund geht davon aus, dass die Chiffriermaschinen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs auf dem Grund der Ostsee landeten. Er vermutet, dass die Maschinen bei Fahrten zur Übergabe schlicht und einfach über Bord geworfen wurden. Das sei die einzige plausible Erklärung, sagte er. Mayer zeigt als Beleg auf eine deformierte Enigma. „Man kann ganz gut erkennen, dass mit Absicht oben drauf geschlagen worden ist“, sagt sie.
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Schultzes Ziel ist es, die Enigmen auszustellen, wie sie vor gut einem Jahr gefunden wurden, allerdings nicht in einem Wasserbecken. Bis es soweit ist, liegt noch viel Arbeit vor der Restaurateurin. Bei dem Geltinger Modell beispielsweise ist sogar noch Holz erhalten, bei anderen handelt es sich nur um Teile einer Enigma. Die Fundstücke enthalten unter anderem Eisen, Kupfer, Tasten aus Kunststoff oder Glas, Messing-Walzen, bei einer ist auch ein Lämpchen erhalten.
„Konservierung ist nur ein Aufhalten des Zerfalls“, sagt Werkstattleiter Schultze. Restaurateurin Mayer will durch ihre Arbeit die Chiffriermaschinen nicht ihrer Geschichte berauben. „Die einzelnen Bestandteile verhalten sich beim Trocknen unterschiedlich: Die einen quellen auf, andere schrumpfen“, sagt sie. Die Kupferdrähte im Innern lösten sich bei Kontakt mit Sauerstoff quasi auf. Sie will auch Gefriertrocknung nutzen, um das Holz der Geltinger Enigma zu erhalten. Trotzdem könne sie nicht garantieren, dass am Ende bei allen sieben Enigmen „alles so erhalten bleibt wie es ist“.