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Der Landwirt Jan Brinkmann hängt zur Illustration ein Schild mit der Aufschrift «Weinverkauf aus eigenem Anbau» über eine Schweinefigur
  • Der Landwirt Jan Brinkmann hängt zur Illustration ein Schild mit der Aufschrift „Weinverkauf aus eigenem Anbau“ über eine Schweinefigur.
  • Foto: picture alliance/dpa/Friso Gentsch

Nach 750 Jahre Schweinezucht: Familie im Norden muss jetzt umsteigen

750 Jahre Schweinezucht – damit ist jetzt Schluss. Familie Brinkmann muss umsteigen. Die sinkende Nachfrage und steigenden Preise sind für viele Landwirte vor allem in der Schweinebranche nicht mehr tragbar.

Auf dem Hof der Familie Brinkmann in Bad Iburg bei Osnabrück werden künftig keine Schweine mehr gehalten – es lohnt sich nicht mehr. „Das macht mich schon traurig“, sagt Jan Brinkmann. Der Junglandwirt hat mit seinem Vater und seinem Bruder Henrik die Entscheidung getroffen. In den vergangenen Jahren wurde mit dem Aufbau anderer Standbeine begonnen: Brinkmann ist unter die Winzer gegangen und gehörte in Niedersachsen zu den ersten Weinbauern. Er baut auch Hanf an und hat ein paar Tage vor Beginn des Krieges in der Ukraine zum ersten Mal Sonnenblumensaatgut bestellt.

Der Landwirt Jan Brinkmann trägt eine Kiste („Wein aus deutschen Landen“) mit Weinflaschen aus seinem Hofladen. picture alliance/dpa/Friso Gentsch
Der Landwirt Jan Brinkmann trägt eine Kiste („Wein aus deutschen Landen“) mit Weinflaschen aus seinem Hofladen.
Der Landwirt Jan Brinkmann trägt eine Kiste („Wein aus deutschen Landen“) mit Weinflaschen aus seinem Hofladen.

„Wir wollen nicht mehr nur unsere Produkte irgendwo abliefern, sondern die Wertschöpfung wieder mehr auf unseren eigenen Hof bringen“, sagt Brinkmann. Jetzt wollen Jan Brinkmann und sein Bruder Henrik verstärkt auf selbsterzeugte Produkte setzen, die im eigenen Hofladen an die Endkunden verkauft werden: eigener Wein, eigene Hanf- und Sonneblumenöle. Nischenprodukte statt Massenware.

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Die Schweinehalter, und unter ihnen besonders die Ferkelerzeuger, sind in den vergangenen Monaten durch schwere wirtschaftliche Zeiten gegangen. „Seit zweieinhalb Jahren gibt es keine kostendeckenden Ferkelpreise mehr“, sagt Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Der Verlust pro Tier betrage zwischen 40 und 50 Euro. Da Ferkelställe mehr geheizt werden müssen als Mastställe, schlagen hier auch die extrem gestiegenen Energiekosten stärker durch: In diesem Winter werden sich die Produktionskosten um bis zu acht Euro pro Ferkel erhöhen, sagt Hortmann-Scholten und verweist auf Berechnungen der Landwirtschaftskammer.

Ferkelpreise gehen durch die Decke

Viele Ferkelerzeuger stehen derzeit wie die Brinkmanns vor der Frage: weitermachen oder aufhören? Für ihn sei die Sache schnell entschieden gewesen, sagt Jan Brinkmann: „Wir hätten zweieinhalb Millionen Euro investieren müssen in die Modernisierung unserer Ställe – diese Summe jemals wieder hereinzubekommen mit den Schweinen, das haben wir nicht mehr gesehen.“

Nun sinkt der Fleischkonsum in Deutschland seit Jahren, auch die Zahl der Tiere hat abgenommen. Das verrät die Zahl der geschlachteten Schweine in Deutschland: Im Jahr 2016 wurden noch fast 60 Millionen Tiere in Deutschland geschlachtet. Im vergangenen Jahr waren es 52 Millionen Tiere, und in diesem Jahr werden es weniger als 50 Millionen Tiere sein, wie Josef Efken vom Thünen-Institut in Braunschweig berichtet.

Ist also die Tatsache, dass immer mehr Landwirte die Tierhaltung aufgeben, nichts anderes als eine ganz normale marktwirtschaftliche Reaktion? Junglandwirt Brinkmann sagt nein – und macht die Politik in Deutschland mitverantwortlich für die schwierige wirtschaftliche Situation der Schweinebranche. Denn es geben deutlich mehr Landwirte auf, als es der Rückgang des Fleischkonsums erwarten lässt. Laut dem Bundesamt für Statistik sank die Zahl der Schweine von 2012 bis 2022 um 20,8 Prozent oder 5,8 Millionen Tiere. Die Zahl der Betriebe schrumpfte deutlich stärker: Sie sank um 41,0 Prozent – 12.400 Betriebe gaben in dem Zeitraum auf.

Landwirte geben die Tierhaltung auf

„Die Politik fordert immer mehr Tierwohl, das ist das, was der Bürger angeblich will. Damit entfernt er sich aber immer mehr vom Verbraucher, und das ist derjenige, an den wir uns wenden müssen“, klagt der Junglandwirt. Anders gesagt: Höhere Aufwendungen für eine tiergerechtere Haltung werden von den Verbrauchern nicht bezahlt. Auch Kammer-Experte Hortmann-Scholten spricht von Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Vergleich. Die gesetzlichen Anforderungen für die Tierhaltung in Deutschland seien in vielen Fällen höher als im europäischen Durchschnitt. Auch die Energiekosten seien in Deutschland besonders hoch.

Agrarexperte Efken und sein Kollege Mandes Verhaagh bieten eine etwas andere Erklärung. Es habe in den vergangenen Jahren in Deutschland eine Steigerung der Erzeugung gegeben, ohne dass der Inlandsverbrauch gewachsen sei, sagt Efken. Die Inlandsnachfrage sei in den vergangenen zwölf Jahren sogar stetig gesunken. Dafür seien die Exporte immer weiter ausgebaut worden.

Gestiegene Erzeugung, aber gleichgebliebener Verbrauch

„Wobei kein einziger Landwirt in Deutschland nur für China Schweine gemästet hat“, stellt Verhaagh klar. Dorthin seien nur Teile des Schweins verkauft worden, für die es in Deutschland keinen Markt gebe – Pfötchen, Nasen oder fettes Bauchfleisch. Unterm Strich habe das aber ausgereicht, um die inländischen Absatzverluste auszugleichen.

Weil im Sommer 2020 erstmals die Afrikanische Schweinepest in Deutschland festgestellt wurde, fielen damit auf einen Schlag wichtige Exportmärkte weg – allen voran der in China. Die Folge sei, dass inzwischen auf fast keinen Markt außerhalb der Europäischen Union Schweine aus Deutschland geliefert werden können, oder nur zu sehr niedrigen Preisen. „Im Prinzip findet jetzt eine Anpassung an die Marktverhältnisse statt – und die kommt sehr ruppig daher“, sagt Efken.

Afrikanische Schweinepest soll den Export belasten

Verhaagh widerspricht auch der Behauptung, dass überall in Europa die gesetzlichen Auflagen geringer seien als in Deutschland. Gesetzliche Auflagen seien in verschiedenen Ländern jeweils anders gestaltet, das sei nicht eins zu eins zu vergleichen.

Noch sei die Branche nicht auf der Talsohle angekommen. Er könne sich vorstellen, dass noch weitere zehn Prozent der Schweinebetriebe aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben werden, sagt Efken. Prognosen seien aber schwierig.

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Auf eine Erholung der Schweinebranche setzt Jan Brinkmann nicht mehr. Er gibt diesen Betriebszweig mit einem bitteren Gefühl auf: „Ich finde es schade, dass es in Niedersachsen einfacher ist, mit Weinanbau anzufangen als mit Sauenhaltung weiterzumachen.“ (dpa/mp)

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