Immer wieder schwere Unglücke: Deutschlands gefährlichster See liegt bei Hamburg
Dass Hobbytaucher den Kreidesee in Hemmoor (Landkreis Cuxhaven) lieben, ist nicht verwunderlich: Das Gewässer, dessen tiefste Stelle 60 Meter unter der Oberfläche liegt, ist nicht nur ungewöhnlich klar, sondern hier gibt es mit dem angeblich tiefsten Briefkasten Deutschlands, versunkenen Autos und Flugzeugen auch jede Menge zu entdecken. Doch ein Tauchgang im See ist nicht ganz ungefährlich: Seit 1994 sind dort mehr als 20 Taucher ums Leben gekommen, Dutzende wurden verletzt – zuletzt am Freitag eine 60-Jährige. Doch was macht den Kreidesee so tückisch?
Dass die 60-Jährige diesen Unfall am vergangenen Freitag überlebte, ist keine Selbstverständlichkeit. Hilflosigkeit in zehn Metern Tiefe, Notaufstieg, Rettungseinsatz: Für einige Taucher endete der Besuch des Sees in den vergangenen Jahrzehnten tödlich. Die 60-Jährige leitete aus rund zehn Metern Tiefe einen Notaufstieg ein, ihre drei Begleiter folgten ihr. Alle vier schafften es aus eigener Kraft ans Ufer, wo ein zufällig anwesender Notarzt Erste Hilfe leistete. Per Rettungshubschrauber wurde die Frau in eine Spezialklinik gebracht, wo sie nun behandelt wird. Ihre drei Begleiter wurden nur leicht verletzt.
Schwerverletzte, Todesfälle: Der gefährliche Kreidesee
Erst im Mai starb ein 34-Jähriger in dem Kreidesee, der überregional bei Tauchern beliebt ist. Der junge Mann musste ebenfalls einen Notausstieg durchführen. Im Gegensatz zu der 60-Jährigen hatte er unter Wasser das Bewusstsein verloren und war bereits tot, als die Feuerwehrtaucher ihn bargen. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.
Ein schwer verletzter 58-Jähriger und eine tote 30-Jährige im Jahr 2023, eine verletzte 44-Jährige im Jahr 2024. Dass die Unglücksfälle viele Menschen kaum von einem Tauchgang abhalten können, wird unter anderem an dem Briefkasten deutlich, der sich 19 Meter unter der Wasseroberfläche befindet: In dem laut Betreiber der Tauchbasis tiefsten Briefkasten Deutschlands werden wöchentlich im Schnitt 40 wasserfeste Postkarten eingeworfen. „Im Juni 2023 wurden 265 Karten dort eingeworfen“, sagte der Betreiber Holger Schmoldt damals. Pro Jahr werden in Hemmoor rund 35.000 Tauchgänge gezählt (Stand 2023).
Beliebt ist der See nicht nur wegen des Briefkastens, der übrigens nicht von der Deutschen Post betrieben, aber dennoch regelmäßig geleert wird, sondern auch wegen der ehemaligen Industrieanlagen, Fahr- und Flugzeuge, die sich noch in der 1976 gefluteten Kiesgrube befinden. Vorher wurde hier Kalk für die Zementherstellung abgebaut, heute bieten die Industrieanlagen einen spannenden, aber auch gefährlichen Abenteuerspielplatz für Taucher.

Denn die für den Kreidesee besondere ungewöhnlich klare Sicht bis in 40 Meter Tiefe ist tückisch: Häufig unterschätzen Menschen die Tauchtiefe, und schon ab 30 Metern kann beim Tauchen mit normaler Druckluft ein Tiefenrausch einsetzen, der die Sinne vernebelt. Auch die Kälte in der Tiefe kann problematisch werden, etwa, wenn Ventile an den Druckluftflaschen vereisen.
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Der 30-Jährigen wurde im August 2023 während eines Tauchkurses der zu schnelle Aufstieg zum Verhängnis. Und natürlich bergen auch die verrosteten und verwinkelten Unterwasseranlagen Gefahren, insbesondere für eher unerfahrene Taucher. Natürlich muss die Anzahl der Toten auch im Verhältnis zu der schieren Masse an Tauchern, die hier jedes Jahr in die Tiefe geht, betrachtet werden. Und dennoch: Gerade von seinen Nachbarn und Anwohnern wird der Kreidesee auch immer wieder „Todessee“ genannt.
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