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Ein Mann geht im Morgengrauen über den Bahnübergang des Bahnhof von Brokstedt
  • Der Bahnhof Brokstedt: Auch Wochen nach der tödlichen Messerattacke wird darüber diskutiert, wie die Tat hätte verhindert werden können. (Archivbild)
  • Foto: picture alliance/dpa | Gregor Fischer

Ibrahim A. „war ein furchtbar anstrengender Gefangener“

Wer hat wen wann auf welchem Weg über Ibrahim A. informiert? Im Umgang der Behörden mit dem Messerangreifer von Brokstedt sind Kommunikationsmängel offensichtlich. Hamburgs Justizstaatsrat Holger Schatz berichtete am Mittwoch noch einmal ausführlich darüber, was in der Hansestadt über ihren ehemaligen Gefangenen Ibrahim A. bekannt ist.

Vor genau zwei Wochen tötete Ibrahim A. zwei Menschen im Regionalzug nach Hamburg, fünf weitere wurden verletzt. Der Umgang der Behörden mit Ibrahim A., der zuvor bereits straffällig wurde, wirft weiter Fragen auf. Im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags wurden am Mittwoch erneut Kommunikationsprobleme der Behörden in Hamburg und Kiel sichtbar. Mails wurden anscheinend aus Datenschutzgründen zwischenzeitlich gelöscht, formale Mitteilungspflichten möglicherweise verletzt.

Fall Ibrahim A.: Hamburg meldete sich 2022 zehnmal in Kiel

„Man kann doch anhand dessen, was passiert ist, heute nicht feststellen, dass man gar keinen Fehler gemacht hat“, sagte Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) bei dem Ausschuss. Sie habe aber mit Blick auf Hamburg nicht den Eindruck, dass von dort massive Vorwürfe kämen, sondern dass alle ein Rieseninteresse daran haben, eine Aufklärung hinzubekommen.

Es habe 2022 in Richtung Kiel „zehn Meldungen durch Kontaktaufnahmen Hamburgs“ gegeben, sagte Hamburgs Justizstaatsrat Holger Schatz. Spätestens seit Anfang März hätten nicht nur dem dortigen Ausländeramt, sondern auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) alle wesentlichen Informationen zur Inhaftierung des 33-Jährigen vorgelegen. Bis wenige Tage vor der Tat am 25. Januar saß der mutmaßliche Täter in Hamburg wegen gefährlicher Körperverletzung in Haft.

Ibrahim A.: „Ich bin auch ein Anis Amri“

Während dieser Zeit soll er sich auch mit dem islamistischen Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz verglichen haben. „Es gibt nicht nur einen Anis Amri, es gibt mehrere, ich bin auch einer“ – diese Aussage von Ibrahim A. habe das Personal der JVA in einem sogenannten Wahrnehmungsbogen festgehalten, sagte Schatz, der nach heftiger Kritik und zwischenzeitlicher Absage sich gemeinsam mit Innenstaatsrat Thomas Schuster doch den Fragen der Landtagsabgeordneten stellte.

Ibrahim A. sei in der Haft häufig mit aggressiven Äußerungen aufgefallen, immer dann, wenn er seinen Willen nicht bekam. „Er war ein furchtbar anstrengender Gefangener“, sagte Schatz. „Er hat gestört, provoziert, sich nicht an Regeln gehalten.“ Außerdem habe er Stimmen und Klopfen gehört. Dennoch sei Ibrahim A. weder extrem aggressiv aufgefallen noch sei er von Psychiatern als unzurechnungsfähig eingeschätzt worden.

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Auch die Amri-Äußerung sei im Rahmen eines Konflikts gefallen, nach Darstellung von Schatz habe es keine weiteren Indizien für einen terroristischen Hintergrund gegeben. Er habe keine Kontakte in islamistische Kreise gehabt, weder einen Koran noch einen Gebetsteppich im Haftraum besessen.

Nachrichten aus Hamburg blieben in Kiel unbeantwortet

Nach Darstellung von Schatz blieben die entsprechenden Nachrichten aus der Hansestadt aus Kiel aber mehrfach unbeantwortet. Erst am 9. März 2022 habe es per Mail erste Nachfragen zu dem Fall gegeben, die auch beantwortet worden seien. „Über die neuen Straftaten des Ibrahim A. hatte das Bamf auch seit 9. März Kenntnis.“ Auf Staatssekretärsebene wollen Hamburg und Schleswig-Holstein bald darüber sprechen, wie die Kommunikation der Behörden beider Länder verbessert werden kann. Die Hamburger Justizbehörde habe dazu eingeladen, sagte Schatz.

Für den FDP-Innenpolitiker Bernd Buchholz steht fest, „hier haben alle Beteiligten irgendwo einzelne Fehler gemacht“. Am Ende lasse sich aber nicht sagen, dass die Tat ohne diese Fehler hätte verhindert werden können. Alle Beteiligten hätten aber gezeigt, zwischen den beiden Bundesländern sei „der obligatorische Austausch von Informationen bei solchen Fällen nicht gut geregelt“.

Auch der SPD-Innenpolitiker Niclas Dürbrook betonte, „wir haben nach wie vor keinen Punkt gefunden, bei dem man sagen kann, wenn es das nicht gegeben hätte, hätten wir die Tat verhindern können“. In der vergangenen Woche hätten einige Beteiligte schnell von einem eklatanten Behördenversagen in Hamburg gesprochen. „Es sind an allen Orten kleinere Fehler gemacht worden, die insgesamt ärgerlich sind, die zu Verzögerungen geführt haben, aber die alle für sich keine Erklärung für die Tat sind.“

Nach Messerangriff: Drei Verletzte weiter in Klinik

Der 33 Jahre alte Palästinenser Ibrahim A. soll am 25. Januar mit einem Messer in einem Regionalzug auf andere Fahrgäste eingestochen haben. Zwei junge Menschen starben, fünf weitere wurden verletzt. „Drei von ihnen sind noch mit sehr, sehr schweren Verletzungen in der Klinik“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) dem „Flensburger Tageblatt am Mittwoch. „Da gibt es nur ganz langsame Verbesserungen. Ihr Zustand ist stabil, aber mit den Verletzungen werden sie wahrscheinlich noch sehr lange zu tun haben.“

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Der genaue Tathergang in dem Regionalzug von Kiel nach Hamburg ist weiter unklar. „Wir kennen bis heute noch nicht alle Details des Tatablaufs“, sagte Sütterlin-Waack. „Die Polizei hat längst alle 120 Zeugen, die im Zug waren, befragt, aber ein komplettes Bild haben wir noch nicht.“ Zwischen 20 und 30 der Zeugen erlebten demnach das Tatgeschehen mit. (mp/dpa)

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