Wie die MOPO das Haus der 9/11-Attentäter fand
Es ist der 12. September 2001, der Tag danach. Die Bilder der zusammenstürzenden Türme des World Trade Centers sind taufrisch, der Schock sitzt tief. Alle Welt blickt nach New York. Noch niemand ahnt, dass dann plötzlich Hamburg in den Mittelpunkt des weltweiten Medieninteresses rückt.
Es ist gegen 18 Uhr, kurz vor Redaktionsschluss für die Frühausgabe der MOPO, als das Faxgerät eine Agenturmeldung aus Amerika ausspuckt, die eigentlich nur die Axel-Springer-Blätter erreichen sollte, aber dann auch bei der MOPO eingeht. Was da steht, ist der helle Wahnsinn. Die Spur der Terrorpiloten führe nach Hamburg. Genannt wird diese Adresse: Martinstraße 54.
9/11: So fand die MOPO das Haus der Attentäter in Harburg
Die meisten Kollegen in der Redaktion glauben das nicht. Zumal es eine Martinstraße gar nicht gibt. Außerdem ist er einfach zu abwegig: der Gedanke, dass die Männer, die die Welt in Angst und Schrecken versetzt haben, ausgerechnet aus Hamburg kommen sollen.
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Doch MOPO-Reporter Matthias Onken und Rüdiger Gaertner bleiben dran, durchforsten das Straßenverzeichnis und kommen auf den Gedanken, ob vielleicht die Martinistraße an der Uniklinik gemeint sein könnte. Oder der Martin-Leuschel-Ring in Harburg? Sofort fährt das MOPO-Team los in Richtung Harburg, und es stellt sich heraus: Im Martin-Leuschel-Ring gibt es keine Hausnummer 54.
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Ist das Ganze doch nur eine Ente? Um sicherzugehen, rufen die Reporter bei der Pressestelle der Polizei an. „Das hat mich gerade schon jemand gefragt“, heißt es da. „Nein, bei uns ist nichts bekannt.“
Die Terroristen wohnten in der Marienstraße in Harburg
Die MOPO-Reporter nehmen sich noch einmal das Straßenverzeichnis vor. Vielleicht ist es ja ein Übertragungsfehler. Was, wenn mit Martinstraße die Marienstraße gemeint ist? Eine Hausnummer 54 gibt es dort tatsächlich.
Fünf Minuten später stehen die Kollegen vor dem Gebäude, das zwölf Stunden später die ganze Welt kennt.
Keine Polizei weit und breit.
Journalisten versammelten sich vor der Tür
Den MOPO-Reportern fällt auf: Im ersten Stock steht eine Wohnung leer, ein durchgestrichener arabischer Name befindet sich am Briefkasten. Die Reporter klingeln bei Nachbarn: „Mit ziemlicher Sicherheit stand der Name Atta an der Wohnungstür“, sagen Burkhard S. und Violetta K., die in der zweiten Etage wohnen. Unfassbar. Unglaublich. Es stimmt tatsächlich. Die beiden Reporter werden später davon erzählen, dass Adrenalin nur so durch ihren Körper schoss.
Immer mehr Journalisten versammeln sich derweil vor der Tür, ein erstes Fernsehteam bezieht Position. Die Polizei? Noch immer nicht zu sehen. Anruf beim Pressesprecher der Innenbehörde. „Ja, haben wir eben davon gehört“, heißt es. „Kann noch nichts sagen …“
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Als Nächstes rufen die MOPO-Kollegen in der Redaktion an. „Es scheint tatsächlich zu stimmen. Wir haben Nachbarn, wir haben das Haus. Ich glaub’, wir sollten das groß bringen“, sagt Reporter Onken. Doch die Skepsis am anderen Ende ist groß.
Zurück in der Redaktion versuchen die Reporter, die Kollegen von dem zu überzeugen, was sie selbst nicht fassen können. Inzwischen hat die Polizei die komplette Marienstraße gesperrt. „Terror-Piloten lebten in Hamburg!“ lautet die MOPO-Schlagzeile am nächsten Tag. Und der damalige Innensenator Olaf Scholz (SPD) bestätigt kurz darauf: In der Marienstraße gab es eine Terror-WG.