• Foto: dpa

Tausende gehen auf die Straße: Coronavirus und Demos: Je lauter, desto gefährlicher

In Hamburg haben am Samstag Hunderte Menschen in der Innenstadt gegen Rassismus und Polizeigewalt protestiert. Für heute ist ebenfalls eine Demo angekündigt. Doch wer derzeit demonstrieren will, steht vor einem Dilemma: Handelt man unverantwortlich, wenn man auf die Straße geht und seine Meinung vertritt? Eher nicht, meinen Experten. All zu laut sollte es aber nicht sein.

Deutschlandweite Anti-Rassismus-Proteste haben eine Debatte um Demonstrationen in Corona-Zeiten ausgelöst. Angesichts dicht gedrängter Menschenmengen zeigten sich einige Politiker besorgt.

Trotz der Kritik sind mit den Demos des Bündnisses „Unteilbar“ an diesem Sonntag schon die nächsten Großveranstaltungen angesetzt. Auch in Hamburg soll ab 14 Uhr eine Menschenkette vom Rathausmarkt bis zum Hauptbahnhof ein Zeichen setzen. Wird das Infektionsgeschehen in Deutschland dadurch wieder angeheizt?

Demos trotz Corona: Wie riskant sind sie wirklich?

Viele behaupten, bei Demonstrationen besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus. Die Bewertung der Experten: Mit Mundschutz und Abstand droht bei Demonstrationen wohl keine besondere Gefahr. Sie raten aber von lauten Sprechchören ab. Demonstrationen an der frischen Luft sind zunächst einmal unbedenklicher als Veranstaltungen in geschlossenen Räumen, wie Christian Kähler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München erklärt.

Das könnte Sie auch interessieren: Anti-Rassismus-Demo in Hamburg: Plötzlich drückten mich Polizisten zu Boden

„Durch die Frischluft nimmt die Virenlast ab.“ Ausgeatmete Luft könne aufsteigen und sich dort mit der Umgebungsluft vermischen. Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hatte – allerdings mit Blick auf Restaurants und Gaststätten – erklärt, im Außenbereich sei ein Zwei-Meter-Abstand wahrscheinlich gar nicht notwendig. Der Wind wehe das Virus weg.

Experten-Rat: So geht sicheres Demonstrieren

Doch trotz des Faktors „Frischluft“ müssen aus Expertensicht ein paar Grundregeln gelten, um Demonstrationen einigermaßen coronasicher zu machen: Mundschutz, Abstand – und keine lauten Parolen.

Als zum Beispiel auf dem Berliner Alexanderplatz zuletzt rund 15.000 Menschen gegen Rassismus demonstrierten, trugen zwar viele eine selbstgenähte Maske – Mindestabstände wurden aber oft nicht eingehalten. „Ein paar Leute werden sich da schon infiziert haben“, schätzt Kähler. Ähnlich sah es am vergangenen Wochenende auch in Hamburg aus, hier kamen rund 14.000 Menschen zusammen.

Hamburger Professor: Diese Faktoren sind entscheidend

Masken zu tragen verhindere zwar, dass infektiöse Tröpfchen über weite Strecken fliegen und vermindere auch die Geschwindigkeit, mit der Luft ausgeatmet und Tröpfchen verbreitet würden. „Alltagsmasken sind aber nie ganz dicht.“ Daher müsse der Mindestabstand auch dann eingehalten werden, wenn ausnahmslos alle Teilnehmer eine Alltagsmaske trügen. Dann könnten Demonstrationen aber auch relativ gefahrlos verlaufen.

Das könnte Sie auch interessieren: Nach Anti-Rassismus-Demo: Hamburger Innensenator: Darum wurde nicht geräumt

Eine Sicht, die auch der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) teilt: „Die Maske ist nur ein zusätzliches Hilfsmittel, aber sollte keine Alibimaßnahme sein.“ Entscheidend seien nach wie vor der Mindestabstand und allgemeine Hygieneregeln.

Sonntags-Demo: Bündnis „Unteilbar“ will leise sein

Das Bündnis „Unteilbar“, das an diesem Sonntag (14. Juni) in mehreren deutschen Städten zu Demonstrationen aufruft, will das berücksichtigen. Demonstrierende sollen sich auf langen Straßen zu einem „Band der Solidarität“ mit drei Metern Abstand aufstellen. „Wir werden uns gegenseitig nicht gefährden, wir werden keine großen Menschenansammlungen und kein Gedränge haben, wie wir es von Demonstrationen kennen“, verspricht das Bündnis auf seiner Homepage.

Verzichten sollten die Demonstranten aber auch auf laute Parolen. „Der Rat ist, still zu demonstrieren“, sagt Schmidt-Chanasit. „Wenn man lange viel schreit, fliegen viele Tröpfchen und da entstehen Aerosole.“ Diese kleinen Luftteilchen flögen weiter als anderthalb Meter und könnten das Risiko einer Übertragung erhöhen. Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, welche Rolle Aerosole bei der Verbreitung des Virus spielen.

Ganz pragmatisch spricht sich auch Aerodynamiker Kähler für ruhige Demos aus: „Wenn es laut ist und ich mit jemandem sprechen möchte, dann komme ich ihm automatisch näher oder rede lauter.“ Je lauter man aber rede, desto mehr Tröpfchen produziere man – das Risiko einer Ansteckung steige dadurch. 

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp