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So hart hat die Corona-Krise den Schiffbau getroffen
  • Ende September schloss die Hamburger Sietas-Werft dauerhaft ihre Tore. Durch die Corona-Krise müssen immer mehr Werften Stellen abbauen.(Archivbild)
  • Foto: picture alliance/dpa | Jonas Walzberg

So hart hat die Corona-Krise den Schiffbau getroffen

In den kommenden zwölf Monaten wird auf jeder dritten Werft mit einem weiteren Stellenabbau gerechnet. Im vergangenen Jahr verloren bereits 1500 Mitarbeiter von deutschen Werften ihren Arbeitsplatz. Fast die Hälfte aller Werft-Beschäftigten war oder ist noch von Kurzarbeit betroffen.

Der ohnehin kriselnde Schiffbau in Deutschland gerät offensichtlich in immer größere Schwierigkeiten. Nachdem auf den Werften im Corona-Jahr 2020 bereits knapp 1500 Stammarbeitsplätze verloren gegangen seien, gehe ein Drittel der Betriebe in den kommenden zwölf Monaten von einem weiteren Stellenabbau aus, heißt es in der am Dienstag vorgestellten 31. Betriebsrätebefragung im Auftrag der IG Metall Küste. Ohne Einbeziehung der bereits bedrohten Arbeitsplätze bei der insolventen Hamburger Werft Pella Sietas, bei der Lloyd Werft sowie bei Blohm & Voss in Hamburg sei die Zahl der Stammarbeitsplätze von 18 115 auf 16 653 gesunken und werde sich voraussichtlich um weitere 6,2 Prozent reduzieren, „wenn nicht etwas passiert“, warnte der Forschungsleiter der mit der Befragung beauftragten Agentur für Struktur- und Personalentwicklung (AgS), Thorsten Ludwig.

So hart trifft die Corona-Krise den Schiffbau

Er sprach von einem „ziemlich erschütternden Ergebnis“, das noch schlechter ausgefallen sei, als im vergangenen Jahr befürchtet. Damals sei noch mit einem Rückgang bei den Stammbelegschaften von 400 bis 500 Jobs gerechnet worden. „Aber Corona und die Weltschiffbaukrise haben noch stärker zugeschlagen.“ Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, nahm entsprechend die neue Bundesregierung und die Landesregierung des am stärksten vom Personalabbau betroffenen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern in die Pflicht.


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Derzeit werde keine richtige Industriepolitik betrieben, klagte Friedrich. Die Werften müssten gekoppelt an deren Zukunftsfähigkeit und die Arbeitsplatzsicherheit finanziell unterstützt werden. „Wir brauchen alle keine Lufthansa der Schifffahrt“, wo der Staat erst mit mehreren Milliarden Euro geholfen und das Unternehmen dann trotzdem Personal abgebaut habe. „Das verstehen die Menschen nicht.“ Wer Steuergeld erhalte, müsse auch verpflichtet sein, Standorte und Beschäftigung zu erhalten, forderte Friedrich. Perspektiven für die Branche sehe er etwa in klimafreundlichen oder klimaneutralen Antrieben oder in der Entwicklung und dem Bau von Plattformen und neuen Schiffstypen für die Offshore-Windindustrie.

Fünf Werftengruppen dominieren deutschen Schiffbaumarkt

Der deutsche Schiffbaumarkt wird derzeit von fünf Werftengruppen dominiert – von Thyssenkrupp Marine Systems, der Meyer-Gruppe, der Lürssen-Gruppe, den MV Werften und der FSG-Nobiskrug Holding. Bei ihnen sind knapp 80 Prozent aller Werft-Beschäftigten angestellt. Die AgS befragte nach eigenen Angaben Betriebsräte in 43 Werftbetrieben und -standorten. Erfasst worden sei sowohl der militärische als auch der zivile Schiffbau. Allein in Mecklenburg-Vorpommern seien vor allem wegen der Kreuzfahrt-Krise 1029 von 4435 Stellen und damit mehr als doppelt so viele Jobs wie in allen anderen Küstenländern zusammen abgebaut worden. Ludwig zeigte sich überzeugt, dass der Jobabbau ohne staatliche Hilfen noch massiver ausgefallen wäre. Ohne Kurzarbeit wären wahrscheinlich sogar einige Werftenpleiten zu beklagen gewesen.

Insgesamt seien in der Kernindustrie Schiffbau rund 91.500 Menschen beschäftigt, wobei ein Großteil – etwa 63.000 – auf Zulieferbetriebe entfalle. Auffällig sei, dass im Zuge der Corona-Krise die Leiharbeit deutlich gesunken, die Zahl der Beschäftigten mit Werkverträgen deutlich gestiegen sei. Und zwar so sehr, dass es zum Ärger der IG Metall auf einigen Werften inzwischen mehr Werkvertrags- als Stammbeschäftigte gebe, sagte Ludwig. Längst erledigten sie auch nicht mehr nur Spezialaufgaben, sondern auch eigentlich der Stammbelegschaft vorbehaltene Arbeiten.

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Ein dramatisches Bild zeichnete Ludwig beim Thema Ausbildungsplätze. So sei deren Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 41 Prozent gesunken. Und ein Ende sei nicht in Sicht. „Das haben wir in den letzten zehn, 15 Jahren noch nie erlebt.“ Und auch die Übernahmequote befinde sich im freien Fall. Seien in den vergangenen Jahren noch jeweils mehr als 90 Prozent der Azubis nach ihrer Ausbildung ein regulärer Arbeitsvertrag angeboten worden, seien es nun nur noch 58 Prozent gewesen. Friedrich warnte die Arbeitgeber eindringlich, wer nicht in die Zukunft der Jugend investiere, verliere seine eigene Zukunft. (dpa/ck)

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