• Ein Auto mit abgeknicktem Seitenspiegel. Auch diese Schäden sind bei Verkehrsunfällen mit Unfallflucht keine Seltenheit.
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Polizei überfordert: Unfallflucht in Hamburg: Tausende Opfer bleiben auf Kosten sitzen

Oft sind es Schrammen oder Beulen, doch immer wieder ärgern sich Hamburgs Autofahrer auch über abgefahrene Seitenspiegel und lädierte Stoßstangen. Gerade dann, wenn von den Tätern jede Spur fehlt. Jedes Jahr gibt es in unserer Stadt tausende Fälle von Unfallflucht – doch die Aufklärungsquote ist überschaubar.

Überraschend ist das nicht. Das dürften zumindest Unfall-Geschädigte denken, die in den vergangenen Wochen Fahrerflucht-Fälle zur Anzeige gebracht haben. Und die angesichts schleppender Ermittlungen zunehmend frustriert sind. Zu ihnen gehört auch ein MOPO-Reporter, dessen Wagen zum Jahreswechsel von Unbekannten demoliert wurde.

Hamburg: Unfallflucht! 50 Fälle pro Tag – aber geringe Aufklärung

Bereits am Neujahrsmorgen war ihm der Schaden aufgefallen, mutmaßlich ein größeres Fahrzeug war seinem parkenden Auto in die Seite gefahren. Der Schaden: Mehrere tausend Euro. Und der Täter?

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Einfach Verschwunden, wie so oft. Für die Meisten ist eine Anzeige gegen Unbekannt dann die letzte Hoffnung, nicht auf den Reparaturkosten sitzen zu bleiben – doch der Erfolg ist überschaubar. Auch, weil es zum Teil Monate dauert, bis Ermittlungen aufgenommen werden. Im Fall des MOPO-Reporters soll es ganze zehn Wochen dauern.

Dieser geparkte Wagen eines MOPO-Reporters wurde beschädigt. Von dem Unfallverursache fehlt jedoch jede Spur.

Dieser geparkte Wagen eines MOPO-Reporters wurde beschädigt. Von dem Unfallverursache fehlt jedoch jede Spur.

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Vieles deutet daraufhin, dass die Ermittler überfordert sind, schließlich werden im Schnitt täglich mehr als 50 Fälle mit Fahrerflucht zur Anzeige gebracht. Das geht aus der Senatsantwort auf eine parlamentarische Anfrage von Dennis Thering (CDU) hervor. Demnach wurden allein vom 1. Januar 2019 bis zum 30. November 2019 17.576 Verkehrsunfälle mit dem Zusatz „Unfallflucht“ erfasst. In den Vorjahren waren die Werte ähnlich hoch.

Hamburg: CDU fordert vom Senat mehr Personal für die Unfall-Aufklärung

„Fahrerflucht ist kein Kavaliersdelikt“, so Thering. Das gelte sowohl für Blechschäden, insbesondere aber auch für Unfälle, bei denen Personen verletzt werden. „Der Senat muss die Polizei stärken, damit diese den Fahndungsdruck erhöhen kann. Steigt die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, werden weniger Menschen nach einem Unfall flüchten“, sagt Thering.

Auch dieser geparkte Audi wurde vor einiger Zeit stark demoliert.

Auch dieser geparkte Audi wurde vor einiger Zeit stark demoliert. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, der Fahrzeughalter blieb auf den Kosten von mehreren tausend Euro sitzen.

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Nach Angaben des Senats sind insgesamt 214 Mitarbeiter bei der Polizei für Verkehrsunfall-Ermittlungen zuständig. Von all den Fällen, die ihnen im vergangenen Jahr auf den Tisch gelegt wurden, haben sie sogar 16.708 an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Aber: Insgesamt beträgt die Aufklärungsquote nur 35,6 Prozent!

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Hamburg: Jeder vergangene Tag hilft den Unfallflüchtigen

Und mit jedem Tag, der vergeht, dürfte die Wahrscheinlichkeit sinken, Täter zu ermitteln – etwa weil Unfall-Fahrzeuge repariert und dadurch Spuren verwischt werden. Das stellt auch der Senat in seiner Antwort fest: „Eine Schadensbeseitigung durch einen Unfallverursacher ist regelmäßig nur zu unterbinden, wenn die Verursacherfeststellung mit einem Antreffen des Fahrzeugs in unmittelbarem zeitlichen Kontext zum Unfallhergang erfolgt.“

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Heißt in der Konsequenz: Wird nicht schnell gehandelt, verlaufen Ermittlungen im Sande. Das belegt auch eine interne Statistik der Staatsanwaltschaft, die der MOPO vorliegt. Aus dem sogenannten Vorgangsverwaltungssystem MESTA geht hervor, dass im vergangenen Jahr in 11.525 Fällen – die zum Teil auch aus dem Vorjahr stammen – gegen namentlich unbekannte Täter wegen Verkehrsunfallflucht ermittelt wurde. „Ein Großteil dieser Verfahren wird in der Regel eingestellt“, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

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Hamburg: Nur eine Vollkasko-Versicherung schützt die Geschädigten

In 7449 Fällen wurde derweil gegen namentlich bekannte Täter ermittelt – 1118 Mal kam es zur Anklage, mehr als 2500 Mal wurden die Verfahren mangels Tatverdacht, in 301 Fällen gegen Geldauflage eingestellt. Und was bleibt den Geschädigten? Meist nur eine gute Versicherung.

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„Bei Neufahrzeugen sollte man in den ersten fünf Jahren über eine Vollkasko-Versicherung nachdenken“, so Christian Hieff vom ADAC. Auch bei Leasing-Fahrzeugen würde sich das lohnen. „Generell muss aber jeder für sich abwägen, ob der Wert des Fahrzeugs die Mehrkosten einer Vollkasko rechtfertigen.“

Hamburg: Warum ist die Zahl der Unfallfluchten so hoch?

Unterdessen lässt sich nur mutmaßen, weshalb die Zahl der Unfallfluchten derart hoch ist. Der ADAC glaubt nicht an eine generelle Verrohung, merkt aber an, dass auch größere Fahrzeuge eine Rolle spielen könnten, zumindest was Lackschäden beim Parken betrifft.

Aufgrund der heutigen Bauweise mit viel Plastik und wenig Metall würden Autofahrer zum Teil aber auch nicht mitbekommen, dass sie andere Fahrzeuge touchieren. „Da steckt nicht immer eine böse Absicht hinter, auch wenn es den Geschädigten nicht hilft“, so Hieff.

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