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Mitglieder der Volksinitiative «Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung» halten im Rathaus Ballons mit der Zahl 16457 in die Höhe. So viele Unterschriften hat die Volksinitiative kurz zuvor an den Hamburger Senat übergeben.
  • Mit goldenen Luftballons zogen die Gender-Gegner:innen ins Hamburger Rathaus, um die gesammelten Unterschriften zu übergeben.
  • Foto: dpa | Markus Scholz

Anti-Gender-Initiative: Ein Erfolg, der in Wahrheit keiner ist

Die nächste Stufe ist erklommen: Am Freitag überreichten Sabine Mertens und ihre Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ Hamburgs Senatsverwaltung 16.457 Unterschriften von Personen, die sie und ihre Ziele unterstützen. Nun muss sich die Bürgerschaft mit dem Anliegen beschäftigen. Lehnt deren rot-grüne Mehrheit das Genderverbot für Behörden, Schulen und Unis erwartungsgemäß ab, wird die Initiative 2024 dann 66.000 Unterstützer:innen vorweisen müssen, um über ihre Forderungen frühestens 2025 per Volksentscheid abstimmen zu lassen.

Doch der Sammelerfolg der Initiative wird von Problemen überschattet: Erst vergangene Woche hat der Deutsche Rechtschreibrat, auf den sich Mertens und ihre Initiative in Dauerschleife berufen, sich mit Gendersternchen, Doppelpunkt und Unterstrich erneut beschäftigt. Zwar nahm er die Gender-Accessoires nicht in den Kernbestand der deutschen Sprache auf, wohl aber zählt er sie nun als immer gebräuchlicher werdende „Sonderzeichen“, die eine „metasprachliche Bedeutung“ haben, erstmals offiziell dazu.

Anti-Gender-Volksinitiative stößt auf Probleme

Mertens hatte bislang argumentiert: Der Rat, als Wächter des korrekten Ausdrucks, würde Doppelpunkt und Sternchen nicht als Teil des Sprachsystems aufführen, weswegen sie von offiziellen Stellen auch nicht verwendet werden dürften. Durch seine neue Entscheidung ist der Rat als Kronzeuge der Gender-Gegner:innen aus dem Spiel. Nun können sich eher die Gender-Befürworter:innen auf ihn berufen, wenngleich die Eingemeindung der Gender-Techniken in die deutsche Sprache als „Sonderzeichen“ durch den Rat nicht wirklich bahnbrechend ist. Mertens deutete die Ratsentscheidung flugs so um, dass diese „den Gendersonderzeichen erneut eine Absage erteile“.

Zu den Verbündeten der Initiative gehörte bislang auch die CDU, die mehr als 3000 Unterschriften sammelte. Dass von hier aus in Zukunft deutlich weniger Rückenwind zu erwarten ist, liegt daran, dass der Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß, die selbsternannte Speerspitze der Anti-Gender-Bewegung, als Hamburger CDU-Vorsitzender vor Kurzem abgedankt hat. Er konzentriert sich nun ganz auf sein Bundestagsmandat.

Unterstützung durch die Hamburger CDU ist abgeschwächt

Sein Nachfolger als Parteichef aber, Dennis Thering, mag sich die Ploß’sche Genderphobie nicht zu eigen machen. So will er sich zur Unterschriftenübergabe der Initiative auch gar nicht äußern. Auf Anfrage teilt er nur mit: „Christoph Ploß bespielt das Thema für uns weiter.“ Im Hamburger CDU-Ensemble gibt es damit niemanden mehr, der sich zu diesem Thema äußert.

MOPO-Kolumnist Marco Carini Florian Quandt
Marco Carini
MOPO-Kolumnist Marco Carini

Schwächelt die CDU damit als Bundesgenosse der Anti-Gender-Initiative, wird diese nun von einem neuen Bündnispartner zwangsbeglückt: der AfD. Die sieht populistisches Potenzial im Anti-Gender-Kampf, freut sich über die schwindende Ploß’sche Präsenz und setzt bei der Initiative zur tödlichen Umarmung an. Die kann sich gegen ihre Vereinnahmung gar nicht so schnell wehren, als dass sie ihr entkommen könnte – und hat nun das Problem, in der politisch ganz rechten Ecke zu landen. Dass sie betont, sie lasse sich von keiner Partei instrumentalisieren, hilft gegen den Kraken AfD wenig.

Juristische Fachleute: Anti-Gender-Ini ist nicht verfassungsgemäß

Das Ränkespiel darum, wer mit wem in den Anti-Gender-Kampf zieht, führen sich die rot-grünen Gender-Fans derweil in Seelenruhe und mit ein wenig Amüsement zu Gemüte. Verhandeln mit Mertens und Co will Hamburgs Landesregierung keinesfalls. Sie will die Anti-Gender-Initiative stattdessen einfach vom Hamburger Verfassungsgericht ausbremsen lassen.

Denn die juristischen Fachleute der Regierungsfraktionen sind sich einig: Die Anti-Gender-Volksinitiative ist nicht verfassungsgemäß. Sie verstößt gleich gegen mehrere Grundrechte, hat auch formale Unzulänglichkeiten und wird deshalb vom Verfassungsgericht sicher gestoppt werden.

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Doch selbst wenn die Anti-Gender-Ini nicht juristisch scheitert, die Überprüfung ihrer Ziele durch das Gericht dauert etwa ein Jahr. Dann aber wird es knapp mit Koppelung des Volksentscheids an die Bürgerschaftswahl im Frühjahr oder die Bundestagswahl im Herbst 2025. Und da Volksentscheide in aller Regel nur genügend Stimmen bekommen, wenn sie mit Wahlen kombiniert werden, hätte der Senat bis zu den Europawahlen 2029 seine Ruhe vor Sabine Mertens und ihren Getreuen.

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