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Der Angeklagte verbirgt sein Gesicht vor den Kameras.
  • Der Angeklagte W. verbirgt sein Gesicht vor den Kameras.
  • Foto: Viola Dengler

Obdachloser in Hamburg angezündet: Gericht spricht Urteil wegen Mordversuchs

Während ein Obdachloser im Bahnhof Altona schläft, übergießt jemand seinen Pulloverärmel mit Alkohol, zündet ihn an und überlässt den Mann seinem Schicksal. Der Obdachlose kann die Flammen selbst löschen. Nun wurde der Täter verurteilt.

Der Brandanschlag auf den schlafenden Mann wurde als versuchter Mord, vorsätzliche Körperverletzung und Sachbeschädigung gewertet. Die Strafkammer verurteilte den Angeklagten am Donnerstag zu viereinhalb Jahren Haft. Nach Überzeugung des Gerichts hatte der Pole am 13. Juni 2022 den Pulloverärmel eines Obdachlosen mit einem Becher alkoholhaltigen Desinfektionsmittel übergossen, angezündet und seinem Schicksal überlassen.

Brandanschlag auf Obdachlosen – Gericht wertet es als Mordversuch

Der Obdachlose hatte spätabends vor einer Toilettenanlage im Bahnhof Altona geschlafen. Der 34-Jährige erwachte und zog geistesgegenwärtig den brennenden Pullover aus, erlitt aber schmerzhafte Verbrennungen am rechten Oberarm. Der selbst alkoholkranke und obdachlose Angeklagte habe den Tod seines Opfers billigend in Kauf genommen. „Das Opfer hat überlebt, Gott sei Dank“, sagte der Vorsitzende Richter Matthias Steinmann. „Aber das war Glück.“ Das Mordmerkmal der Heimtücke sei erfüllt.

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Knapp einen Monat vor der Tat hatte der 35-Jährige den Schlafsack eines anderen Obdachlosen nach einem Streit am Bahnhof Altona in Brand gesetzt. Der Besitzer des Schlafsacks hatte sich entfernt. Als er zurückkehrte, habe der Angeklagte den wehrlosen und betrunkenen Mann angegriffen, zu Boden geschubst und geschlagen, erklärte Steinmann. Einem dritten Obdachlosen habe der Angeklagte nach einem Streit am Hauptbahnhof einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, vor den Augen von Bundespolizisten.

Altona: So kam der Brandanschlag auf das Opfer ans Licht

Der Brandanschlag auf den schlafenden Obdachlosen kam nach Angaben des Richters durch einen Zufall ans Licht. Täter und Opfer hätten sich am Tag nach der Tat mit weiteren Männern am Bahnhof Altona geprügelt. Die Bundespolizei griff ein. Dabei bemerkten die Beamten den verletzten Arm des Opfers und hörten, dass er angezündet worden sein soll.

Christopher A. wurde im Schlaf angezündet. Viola Dengler
Christopher A. wurde im Schlaf angezündet.
Christopher A. wurde im Schlaf angezündet.

Die Polizisten stellten auch ein Video auf dem Handy des Angeklagten sicher. Ein polnischsprachiger Beamter sichtete die Aufnahme, die ein Bekannter des Angeklagten von der Tat gemacht hatte. Zehn Tage darauf wurde der 35-Jährige verhaftet. Vor Gericht räumte er die Tat ein und bekundete in seinem letzten Wort Bedauern. Er habe seinem Bekannten nur einen „Denkzettel“ wegen Schulden verpassen, aber nicht töten wollen.

Angeklagter wurde bereits 2020 auf Bewährung verurteilt

Der Angeklagte habe eine „hochkriminelle Persönlichkeit“ und habe in Polen und Deutschland bereits zahlreiche Straftaten begangen, vor allem Körperverletzungen gegen Personen aus dem Trinker- und Obdachlosenmilieu, sagte Steinmann. Im November 2020 habe er denselben Mann, den er anderthalb Jahre später anzündete, mit Fußtritten gegen den Kopf malträtiert. Er sei dafür zu einem Jahr und zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Die Bewährungszeit sei noch nicht abgelaufen.

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Seit Januar 2022 laufe ein Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs. Ein Haftbefehl in dieser Sache sei aufgehoben worden, weil die Behörden das Opfer nicht auffinden konnten. Der Angeklagte habe bereits als Zwölfjähriger mit dem Trinken begonnen. Er habe den Beruf des Automechanikers erlernt, aber nur als Gelegenheitsarbeiter Geld verdient. Als Vater einer Tochter habe er erfolglos zwei Alkoholtherapien in Polen gemacht.

Angeklagter wird zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt

2016 sei er nach Deutschland gekommen. Er sei arbeitslos und arbeitsunfähig, spreche kaum Deutsch, sein Freundeskreis komme aus dem gleichen Milieu. „Der Angeklagte kann nicht in Deutschland bleiben. Das liegt auf der Hand“, sagte Steinmann.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Gesamtfreiheitsstrafe von achteinhalb Jahren gefordert. Der Verteidiger hatte keinen konkreten Strafantrag gestellt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.(mp/dpa)

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