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Arbeiter stehen an der Baustelle der neuen „Scharhörn“
  • Arbeiter stehen an der Baustelle der neuen „Scharhörn“.
  • Foto: dpa

Notfall auf See: Dieses neue Mega-Schiff soll helfen

Frachter-Unfälle, Schiffsbrände, Öl-Katastrophen: Immer wieder kommt es in Nord- und Ostsee zu Notfällen. Dann eilen Mehrzweckschiffe herbei, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Doch die schwimmenden Helfer sind in die Jahre gekommen. Drei von ihnen sollen in den nächsten Jahren ersetzt werden. Ein Werftbesuch.

In der Weser liegt ein besonderes Schiff. Es ist 105 Meter lang – und damit etwa so lang wie ein Fußballfeld. Arbeiter mit Bauhelmen laufen auf dem angrenzenden Werftgelände umher, auf dem Baucontainer wie Bauklötze gestapelt sind. Ein 60 Meter hoher Kran ragt in den Himmel. Metallisches Klappern ist bei dem Werftbesuch zu hören, wie man es von einer Baustelle kennt.

Neue „Scharhörn“ soll mit Flüssiggas betrieben werden

Das Schiff, das „Scharhörn“ heißt, ist ein sogenanntes Mehrzweckschiff. Nach der Fertigstellung soll es havarierte Frachter sichern, Brände löschen und Öl aus dem Meer filtern können.

Vier solcher bundeseigenen Mehrzweckschiffe setzt die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) bereits rund um die Uhr ein. Die „Scharhörn“ und die „Arkona“ sind in der Ostsee stationiert, die „Mellum“ und die „Neuwerk“ in der Nordsee. Vor einigen Jahren, entschied das Bundesverkehrsministerium, die in die Jahre gekommene Mehrzweckschiff-Flotte erneuern zu lassen. 2019 wurde ein erster Auftrag erteilt. Bis auf die „Arkona“ sollen alle Schiffe in den nächsten Jahren ersetzt werden.

Voraussichtlich mehr als 600 Millionen Euro wird das kosten, wie die WSV mitteilt. Als erstes Schiff der neuen Baureihe soll die „Scharhörn“ übergeben werden. Sie soll wie die weiteren Schiffe mit Flüssigerdgas, kurz LNG, betrieben werden.

Mehr Power: Neue Mehrzweckschiffe sind stärker als die alten

Über das Werftgelände von Abeking & Rasmussen (A&R) läuft Harald Janssen. Jahrelang fuhr der Ostfriese selbst auf dem Mehrzweckschiff „Mellum“ zu See. Inzwischen hat er eine andere Aufgabe: Er ist der Baubevollmächtigte der WSV – und damit dafür verantwortlich, dass die Konstruktion der Schiffe wie geplant läuft.

Projektleiter Harald Janssen steht an Deck der neuen „Scharhörn“. dpa
Projektleiter Harald Janssen steht an Deck der neuen „Scharhörn“.
Projektleiter Harald Janssen steht an Deck der neuen „Scharhörn“.

Janssen sagt, dass es die neuen, größeren Mehrzweckschiff brauche. Wenn ein modernes Containerschiff havariere, werde mehr Zugkraft benötigt, um es notzuschleppen. Beim sogenannten Notschleppen wird ein havariertes Schiff mit einer Verbindung gegen Wind, Strom und Wellen gehalten, damit es nicht strandet. Danach bringen üblicherweise zivile Schlepper das Schiff in einen Hafen.

Rund 24.000 Standardcontainer können die größten Containerschiffe inzwischen laden. Als die alte „Scharhörn“, der gleichnamige Vorgänger, 1974 gebaut wurde, waren bis zu etwa 2500 Standardcontainer üblich.

Die Stärke eines Schleppers drückt sich über den sogenannten Pfahlzug aus, wie Janssen erläutert. Die alte „Scharhörn“ verfügt über einen Pfahlzug von 40 Tonnen, die neue kommt auf 145 Tonnen. „Damit kann man die neuen, großen Containerschiffe bei einer Havarie wesentlich besser an den Haken nehmen, um sie sicher auf Position zu halten.“

Pro Jahr gibt es durchschnittlich mehr als hundert Seeunfälle vor deutschen Küsten

Diesen Sommer musste in der Nordsee der brennende Autofrachter „Fremantle Highway“ mit einer Verbindung gesichert werden. Die Bilder des Frachters gingen um die Welt. Für den Vorfall waren allerdings nicht die deutschen Behörden zuständig, sondern die niederländischen. Doch auch die WSV war alarmiert. Für den Fall einer Verunreinigung des Meeres hielt sich die „Mellum“ bereit, um das Wattenmeer zu schützen, wie die WSV mitteilte. Zu Einsätzen kommt es immer wieder.

Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung mit Sitz in Hamburg zählte seit 2018 durchgängig mehr als 100 Seeunfälle im Jahr, wie aus dem zurückliegenden Jahresbericht hervorgeht. Meist handelte es sich allerdings um sogenannte weniger schwere Seeunfälle.

Wegen Ukraine-Krieg: Verzögerungen bei der Produktion und steigende Kosten

Mit dem Bau der „Scharhörn“ und der weiteren zwei Schiffe ist die Werft A&R beauftragt, die ihren Sitz im niedersächsischen Lemwerder bei Bremen hat. Neben Janssen führt der stellvertretende Fertigungsleiter von A&R, Theis Müller, durch die „Scharhörn“. Sie ist verwinkelt wie ein Maislabyrinth. Noch sind die meisten Räume leer. Im Treppenhaus ist aus dem Bauch des Schiffs Baulärm zu hören. Zwischen 200 und 300 Menschen – darunter Industriemechaniker, Rohrleitungsbauer und Isolierer – sollen künftig zur selben Zeit auf dem Schiff arbeiten.

Projektleiter Harald Janssen begutachtet den Rohbau der „Scharhörn“ von innen. dpa
Projektleiter Harald Janssen begutachtet den Rohbau der „Scharhörn„ von innen.
Projektleiter Harald Janssen begutachtet den Rohbau der „Scharhörn“ von innen.

Müller berichtet, dass sich der Ukraine-Krieg auf die Aufträge ausgewirkt habe. In der litauischen Partnerwerft in Klaipeda, welche die Stahlbauarbeiten übernommen hat, seien üblicherweise viele Ukrainer tätig. Wegen des Kriegs hätten Mitarbeiter gefehlt. „Und für die ,Mellum‘ wäre der Stahl aus Mariupol gekommen, der dann nicht kam“, berichtet Müller. Als Folge habe man auf dem Weltmarkt Stahl zu deutlich höheren Preisen einkaufen müssen.

Fertigstellung der „Scharhörn“ zieht sich hin

„Im Spezialschiffbau ist die ,Scharhörn‘ aus technischer Sicht der komplexeste Auftrag, den ich bisher betreut habe“, sagt Müller, der seit mehr als 14 Jahren für die Werft arbeitet. Wenn er normale Schiffe, darunter Jachten, baue, gebe es rund 30 sogenannte Rohrsysteme. In diesem Fall sind es Müller zufolge mehr als 70. Darunter sind Feuerlöschsysteme, Atemluftsysteme und Schadstoffbekämpfungssysteme.

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Bis die „Scharhörn“ letztlich an die WSV übergeben werden kann, wird noch einige Zeit vergehen. Im ersten Halbjahr 2025 soll es so weit sein. Die „Mellum“ soll dann voraussichtlich Ende 2025 fertiggestellt werden und die Neuwerk bis Mitte 2026, wie die WSV mitteilt. (dpa)

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