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  • NDR-Intendant Joachim Knuth
  • Foto: dpa

Maßlose Gehälter, miese Führung: Im ganzen NDR ist was faul

Das kann man einen veritablen Gau für den Norddeutschen Rundfunk nennen: Eine interne Umfrage des NDR-Redaktionsausschusses brachte jetzt an den Tag, dass nicht nur in den Funkhäusern Hamburg und Kiel was faul ist, sondern im gesamten NDR.

Gewiss, die Umfrage ist nicht repräsentativ, aber immerhin 362 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im NDR hatten sich beteiligt. Alarmierend: 82 Prozent wollten den Sender schon mal verlassen. Beklagt wird etwa eine „Top-Down-Kommunikation“, also ein knallhartes Durchregieren von oben nach unten, das keinen Widerspruch duldet. „Das Haus vermittelt eine Friss-oder-Stirb-Haltung“, so eine Aussage aus der Umfrage. Immer wieder werde den Journalistinnen und Journalisten von oben vermittelt, „dass wir gut daran täten, uns nach anderen Jobs umzugucken“. Es fehle an Wertschätzung der Vorgesetzten. „Wir sind nur noch schlecht bezahlte Lieferanten für ein inhaltlich schlechter werdendes Programm.“

NDR: Umfrage ist ein katastrophaler Befund

Ein katastrophaler Befund für eine Anstalt, die als unverzichtbar für unsere Demokratie gelten will. Wenn intern keine demokratischen Regeln gelten, wie will man die dann glaubhaft nach außen vermitteln?

Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Er schreibt als Gastkommentator für die MOPO. Privat / hfr
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Der Autor: Christoph Lütgert (geb. 1945) war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Lütgert wurde wegen seiner sozialkritischen Reportagen mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO.

Und das ist ein zusätzlicher Hammer: Diese vernichtenden Umfrage-Ergebnisse sind NDR-intern schon seit Februar bekannt. Aber spürbar hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: Intendant Joachim Knuth tat immer so, als liege nur in den Funkhäusern Kiel und Hamburg einiges im Argen.

Und wie reagiert die NDR-Führung? Man möchte sagen: wie immer. Leugnen und runterspielen. Die Fluktuation beim Sender sei „sehr gering“, heißt es in einer Stellungnahme. Außerdem stünden die hohen Marktanteile und Reichweiten, Auszeichnungen und Preise für die hohe journalistische Qualität beim NDR.

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Dazu nur so viel: Dass die Fluktuation gering ist, liegt gewiss auch daran, dass Presse und andere Sender keine freien Stellen mehr haben. Denn insgesamt steckt die Medienbranche in einer Finanzkrise, kann Bewerbern von außen kaum noch was bieten. So würden, wie die interne Umfrage im NDR gezeigt hat, viele gerne weg. Aber sie können eben nicht, weil sie woanders nichts finden.

Leugnen von Problemen hat beim NDR Tradition

Und dann noch zu den Auszeichnungen: Wenn für die vielen hundert Millionen Euro, die der Sender alljährlich an Gebühren kassiert, nicht auch mal ein paar Preise abfielen, wäre das geradezu jämmerlich.

Leugnen von Problemen – das hat beim NDR Tradition. Schon vor Jahren hatte die MOPO von unhaltbaren Zuständen im Landesfunkhaus Hamburg Wind bekommen und beim NDR angefragt. Statt diese Anfrage zum Anlass zu nehmen, mal genauer hinzusehen, wurde rundherum und rundheraus abgestritten. Im Gegenteil, der MOPO wurde indirekt mit juristischen Schritten gedroht.

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Jetzt erst, also viel, viel später, war nicht mehr unter der Decke zu halten, dass unter der Funkhausdirektorin Rossbach jahrelang ein „Klima der Angst“ geherrscht haben soll. Jetzt erst gab Intendant Knuth öffentlich zu, dass im Funkhaus Hamburg der Führungsstil nicht stimmte. Ungezählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wäre jahrelang viel Leid erspart geblieben, hätte die Leitung des NDR Warnsignale beachtet. Bei denen aber hat sich Intendant Knuth bis heute nicht entschuldigt.

Die NDR-Zentrale in Hamburg-Rotherbaum Imago
Die NDR-Zentrale in Hamburg-Rotherbaum

Demnächst will er eine Analyse des Betriebsklimas im gesamten Sender starten. Dass es aber wirklich was bringt, wenn ein pensionierter Pfarrer die Befindlichkeiten von etwa 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ergründen soll, bezweifeln viele von vornherein.

Es geht um die Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF

Nicht nur der Norddeutsche Rundfunk steckt in einer tiefen Krise. Auch aus anderen Sendern kommen immer neue Schreckensmeldungen. Mit dem rbb und seiner Intendantin Patricia Schlesinger hatte es angefangen. Mittlerweile geht es um die Glaubwürdigkeit des gesamten öffentlich-rechtlichen Systems.

WDR-Intendant Tom Buhrow holte am Mittwochabend in Hamburg den ganz großen Hammer raus. Vor dem Übersee-Club rief er gleichsam die Revolution aus. „Wir müssen aus dem bisherigen System ausbrechen.“ Unter anderem fragte Buhrow, ob Deutschland überhaupt noch ARD und ZDF nebeneinander brauche, ebenso, ob 64 Hörfunkwellen nötig seien. Gebildet werden müsse ein „runder Tisch, der einen neuen Gesellschaftsvertrag ausarbeitet. Eine Art verfassungsgebende Versammlung für unseren neuen, gemeinnützigen Rundfunk“. Buhrows Zeithorizont: 10 bis 15 Jahre.

Wie wäre es mal mit einem Gehaltsverzicht

Alles schön und gut. Große Worte, große Visionen. Nur lenkt Buhrow davon ab, dass er zusammen mit den anderen Intendantinnen und Intendanten schon heute ganz schnell einiges tun könnte, um das ramponierte Image der ARD aufzubessern. Ein ganz konkreter Vorschlag: Verzicht der Sender-Hierarchen auf einen Teil ihrer maßlos überzogenen Gehälter und Pensionen. Alle Intendanten verdienen mehr als die Ministerpräsidenten ihrer Länder, sie kassieren Pensionen von 15.000, 20.000 Euro und mehr – pro Monat!

Und dann gibt es noch eine ganze Reihe anderer teurer Vergünstigungen, die den Eindruck vermitteln könnten, die ARD sei eine Veranstaltung zur Bereicherung einiger Auserwählter. Sowas beschädigt die Glaubwürdigkeit des Systems, vor allem wenn ständig über Geldmangel geklagt wird. Bis heute aber hat keine und keiner die Bereitschaft zum Verzicht gezeigt. Pfründe werden hartnäckig verteidigt. Dann doch lieber große Worte wie die von Herrn Buhrow oder das Eigenlob des NDR.

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