Krawalle, Schüsse, Messerstiche: Wird Harburg zum Gewalt-Hotspot?
Drogen, Messerstiche, Schüsse: Im Bezirk Harburg machen schwere Gewalttaten oft Schlagzeilen. An Halloween eskalierte die Lage, es kam zu Krawallen und Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften. Verkommt Harburg zu einem Gewalt-Hotspot? Die MOPO hat Bewohner, Politiker und die Polizei gefragt – mit überraschenden Ergebnissen.
Drogen, Messerstiche, Schüsse: Im Bezirk Harburg machen schwere Gewalttaten oft Schlagzeilen. An Halloween eskalierte die Lage, es kam zu Krawallen und Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften. Verkommt Harburg zu einem Gewalt-Hotspot? Die MOPO hat Bewohner, Politiker und die Polizei gefragt – mit überraschenden Ergebnissen.
Rauchschwaden, die in den Augen brennen. Die Fenster zugeklebt, von außen ist der Innenraum nicht zu erkennen. Die Männer in dem Kulturverein (Eintritt offiziell nur für Mitglieder) im Phoenix-Viertel wollen ihre Namen nicht in der Zeitung lesen, eine Meinung haben sie trotzdem: „Gewalt gehört zu diesem Stadtteil dazu. Manchmal knallt es eben. Ist eben so.“
Krawalle, Schüsse, Messerstiche: Ärger in Hamburg-Harburg
Vor allem hier im Phoenix-Viertel kommt es häufig zu Polizeieinsätzen. Anfang des Jahres sticht ein Mann einen 22-Jährigen nieder, davor kommt es zu Schüssen auf offener Straße. Im Mai wird ein Mann durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt. An Halloween randalieren 150 Jugendliche am Harburger Ring.
Ein Kiosk-Betreiber sagt, dass man sich hier mit der Lage arrangiere. „Viele haben keine andere Perspektive. Aber die meisten wohnen gerne hier.“ Eine Frau betritt den Kiosk. Ende 30, dunkle Haare. „Es ist hier nicht anders wie in Wilhelmsburg oder Billstedt. Man sollte die Lage hier nicht dramatisieren.“ Ein älterer Herr steht in der Ecke, nickt.
FDP-Politiker Musa: Harburg ist „Kriminalitäts-Hotspot“
Ähnlich schätzt die SPD die Lage ein. Deren Innenpolitik-Experte Sören Schumacher, selbst Harburger, sagt: „Harburg erfährt schnell eine Stigmatisierung. Dabei ist die Kriminalitätsentwicklung nicht auffälliger als in anderen Bezirken oder Stadtteilen.“ Er betont, dass Harburg kein Gewalt-Hotspot sei, jedes einzelne Gewaltverbrechen aber „eins zu viel“.

Schumacher erklärt, dass die Politik seit Jahren bemüht ist, für Sicherheit zu sorgen. Man habe „massiv“ in die Stadtentwicklung investiert, ein Community-Center aufgebaut sowie Jugendhilfen und -einrichtungen gestärkt. „Im Bezirk gibt es, und das ist hamburgweit einmalig, alle paar Monate eine Sicherheitskonferenz, bei der Politik und Polizei zusammensitzen, die Lage besprechen und gegebenenfalls aktiv an entsprechenden Stellen nachsteuern.“ Diese Konferenz sei essenziell. Harburg habe damit eine Art Vorbild-Charakter.
Die FDP dagegen kritisiert, der Senat als auch der Bezirk würden „ohne Plan“ die Geschicke in Harburg leiten, sie hätten keine Ahnung, wie sie die wachsende Kriminalität bekämpfen sollen. Sami Musa, für Harburg zuständig, sagt: „Die Halloween-Randale zeigt einmal mehr, dass Harburg zu einem Kriminalitäts-Hotspot geworden ist. Das ist traurig, denn der Trend hält seit Jahren an.“

Die Sicherheitskräfte vor Ort würden tun, was sie können, „sie werden aber im Hinblick auf Personal und moderne Ausstattung von der Politik allein gelassen“, so Musa. Entsprechende Mittel müssten bereitgestellt werden, Senat und Bezirk an einem Strang ziehen, „damit die Stadtteile im Harburger Zentrum nicht komplett kippen“.
Horst Niens ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Und seit vielen Jahren als Stadtteil-Polizist in Heimfeld im Bezirk Harburg unterwegs. Vor 25 Jahren sei die Lage noch anders gewesen, mittlerweile aber treffe das Wort „Ghetto“ für Harburg und seine Stadtteile nicht mehr zu. „Allgemein ist die Lage ruhig. Schwere Gewalttaten sind Einzelfälle.“
Polizei: „Schwere Gewalttaten in Harburg sind Einzelfälle“
Das würden auch die Zahlen belegen: Wie im vergangenen Jahr, erfahre der Bezirk keine signifikanten Steigerungen bei den Gewaltverbrechen. Nur die Drogenfälle würden steigen, aber auch deshalb, weil es Kontrolldelikte seien. Vor allem sogenannte Verbundeinsätze zwischen der Polizei und dem Bezirksamt würden die Zahlen nach oben treiben, weil sie „Erfolg bringen und für die Polizei Türöffner sind in Läden, wo wir sonst nicht reingekommen sind“, so Niens.

Gewaltdelikte habe man laut GdP überall dort, wo organisierte Kriminalität eine Rolle spielt – also auch in Harburg, vor allem im Bereich des Phoenix-Viertels. „Solche Delikte wie auch der Handel mit Drogen passieren aber auch in Rahlstedt und Niendorf. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger in Harburg, so erfahren wir es als Polizei, ist groß.“
Was die GdP verbessern wollen würde? „Wir müssen es gesellschaftspolitisch schaffen, Jugendliche von der Straße zu holen. Dann kommen sie gar nicht erst auf dumme Gedanken.“