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Der Angeklagte Santino B. (35) im Gerichtsaal am Amtsgericht St. Georg.
  • Der Angeklagte Santino B. (35) im Gerichtsaal am Amtsgericht St. Georg.
  • Foto: Patrick Sun

Prügelattacke auf Ehepaar? Angeklagter wird freigesprochen

Der 35-jährige Santino B. musste sich wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht St. Georg verantworten. Im August 2019 soll er das Ehepaar Tim H. (52) und Kathrin H. (53) brutal verprügelt haben. Der Angeklagte bestritt das auch am zweiten Prozesstag – und die Richterin wies auf Widersprüche in der Ermittlung hin.

Am 22. August 2019 gegen 23.30 Uhr soll Tim H. mit seiner Frau durch den Letternkamp in Billstedt nach Hause geradelt sein. Auf der engen Straße hätten zwei Männer gestanden. Er habe gefragt, ob sie vorbei dürften. Der Größere habe ihn daraufhin vom Rad gezerrt und ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Auf dem Boden habe er ihm laut Anklage der Staatsanwaltschaft noch zwei massive Tritte ins Gesicht versetzt. Seine Frau wollte ihm zur Hilfe eilen, geriet aber selbst ins Visier. Das Ehepaar erlitt zahlreiche Prellungen und zwei Zähne von Tim H. wurden beschädigt.

Billstedt: Radfahrer wurden 2019 brutal verprügelt

Beide waren sich in der ersten Verhandlung hundertprozentig sicher, den Angeklagten Santino B. als Täter zu erkennen. Aber bereits am ersten Prozesstag zeigten sich Widersprüche. So hatte Tim H. bei der Polizei ausgesagt, den Täter nur im Profil gesehen zu haben. Vor Gericht behauptete er allerdings, Santino B. von vorne sicher zu erkennen. Ähnlich sieht es mit einem Ohrring aus, den der Täter laut Aussage von Tim und Kathrin H. in der Nacht getragen haben soll: Denn der Angeklagte hat keine Ohrlöcher.

Am zweiten Prozesstag, am Dienstag, sollten nun zwei Zeugen mehr Licht ins Dunkle bringen. Ein Anwohner, der den Opfern zur Hilfe eilte, erzählte: „Ich habe laute Schreie gehört und bin ans Fenster gerannt, um nachzusehen.“ Weiterhin berichtete er, ein weitaus älterer Mann habe den Täter am Ärmel weggezogen und sie seien verschwunden. Das deckte sich wiederum nicht mit den Aussagen von Tim und Kathrin H., die die beiden Männer als Mitte 30 beschrieben.

Prozess in St. Georg: Zwei Zeugen sagen aus

Als zweiter Zeuge sagte ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) aus, der die Opfer mehrmals befragt und ihnen Bilder von möglichen Verdächtigen gezeigt hatte. Er erzählte, wie man auf Santino B. gekommen ist: „Nachdem die beiden ausgesagt hatten, dass sie den möglichen Täter in der Nachbarschaft mehrmals gesehen hätten, haben wir nach Männern gesucht, die auf die Beschreibung passen“, so der Mitarbeiter.

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Dann offenbarten sich weitere Schwachstellen: So habe es bei einer Bild-Gegenüberstellung mit Kathrin H. aus Versehen ein falsches Bild gegeben. Als der LKA-Mitarbeiter erwähnte, dass Kathrin H. ihn gefragt hatte, ob man ihre Haare zur DNA-Suche nutzen könnte, schaltete sich der Verteidiger von Santino B. ein: „Warum ist das in den Ermittlungen nicht dokumentiert?“, bemängelt er. Die Richterin stimmte ihm zu. Der Mitarbeiter versprach, diesen Schritt nachzuholen und ergänzte, dass die Haare unbrauchbar für die Ermittlungen waren.

Prozess im Amtsgericht: Angeklagter wird freigesprochen

Staatsanwaltschaft und der Anwalt der Nebenkläger Tim H. und Kathrin H. plädierten wegen gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Bewährung. Die Verteidigung forderte Freispruch. „Ich kann nichts dazu sagen, weil ich es nicht gewesen bin“, wiederholte Santino B. seine Aussage von Beginn des Prozesses.

Und so entschied auch die Richterin und sprach den 35-Jährigen frei. „Es gibt zu viele Widersprüche, sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in den Aussagen der beiden Geschädigten“, begründete sie ihre Entscheidung. Sie könne nicht sicher sein, dass der Angeklagte auch der Täter sei. „In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten.“

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