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Kapitän Schwandt stehet in typischer Pose mit Zigarette im Mund an einem Strand. Im Hintergrund ist Wasser zu sehen.
  • Kapitän Schwandt in typischer Pose mit Zigarette im Mund. Sein Appell an alle Hamburger ist aber alles andere als Schall und Rauch.
  • Foto: Christian Stemper

„Macht den Mund auf!“ Kapitän Schwandts klare Kante gegen die AfD

Die Enthüllung einer geheimen Konferenz von AfD-Politikern und Rechtsradikalen, in der die millionenfache Deportation von Asylbewerbern, Ausländern und missliebigen Deutschen diskutiert wurde, erschreckt Deutschland. Auf der Straße und im Netz wird es laut. Auch Kapitän Schwandt hat eine klare Botschaft.

Mit schwerer See kennt sich Kapitän Schwandt nicht nur aus. Er mag sie sogar. Der Seemann, Jahrgang 1936, war auf der Linie Hamburg–Chicago im Nordatlantik unterwegs, wetterte viele Stürme des Lebens ab und stellte sich gegen die Rechtsextremen der AfD und der „Pegida“.

„Der Allerletzte muss verstanden haben, wie gefährlich die AfD ist“

Aus dem Kapitän, der immerzu raucht, wurde dank Abenteuern und klarer Haltung ein „Popstar mit 80“, wie es das „Abendblatt“ mal schrieb. Bestseller-Autor, Talkshow-Gast, Facebook-Influencer mit 150.000 Followern. Wegen schwerer Krankheiten war es einige Zeit still um ihn geworden – nun meldet er sich wieder zu Wort. Was Jürgen Schwandt beobachtet, das sorgt, je nach Stimmungslage, für Ungläubigkeit („hätte ich nicht für möglich gehalten“), entsetzte Leere und Ärger.

„Jetzt muss wirklich der Allerletzte verstanden haben, wie gefährlich die AfD ist und was sie will“, sagt er. „Also: Macht den Mund auf!“

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Deutschland ist aufgeschreckt durch die Enthüllungen des Recherche-Netzwerks „Correctiv“ über einen „Masterplan Remigration“, den AfD-Politiker und Rechtsextreme in einem Potsdamer Hotel besprachen. „Masterplan Remigration“, das ist ein weichgespültes Propaganda-Wort. Es meint die massenhafte Deportation von Flüchtlingen, Ausländern und missliebigen Bürgern nach Nordafrika.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Was so irre wie bösartig klingt, bringt für viele Bürger das Fass nun endgültig zum Überlaufen. Sorge und Angst vor den Stimmenzuwächsen der AfD weichen anderen Emotionen. Empörung. Kalter Wut. Zehntausende gehen auf die Straße, ein Meer von Demonstranten in Potsdam, Berlin und Köln. Auch in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke wächst der Widerstand. Endlich.

Kapitän Schwandt: Sein Vater war ranghoher Nazi

Thomas Haldenwang, der Präsident des Verfassungsschutzes, appelliert an die gesellschaftliche Mitte, endlich die Gemütlichkeit aufzugeben und die Gefahren der AfD zu erkennen. Ähnlich sieht es Schwandt. „Ich vermisse bei vielen Leuten, dass sie sich mit gesellschaftlichen Zusammenhängen auseinandersetzen“, sagt er. Sie verstünden nicht, was sie mit ihrem blinden Zorn „auf die da oben“ anrichten.

Wie mag es für ältere Menschen sein, dass nun wieder Leute wie Björn Höcke auf Bühnen stehen, die den Sound von Joseph Goebbels imitieren? Schwandts Vater war ein ranghoher und überzeugter Nationalsozialist. Die Auseinandersetzung mit ihm und der Überlebenskampf in den Trümmern von St. Georg haben sein Leben geprägt. Deshalb ging er zur See, die sein Notausgang wurde. Er hat nicht vergessen, wie Zerstörung aussieht und sich Hunger und schutzlose Kälte anfühlen.

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Genau dies wirft er AfD-Politikern wie Alexander Gauland, Jahrgang 1941, vor, der die eigene Biografie verleugne. Sie seien beide Augenzeugen gewesen, was das Dritte Reich angerichtet habe – und selbst Flüchtling gewesen. Schwandt schwor sich, mit allem, was er hat, gegen die neue Rechte zu stehen, unbeeindruckt von Beleidigungen und Drohungen gegen ihn, den alten Mann. Gauland schwadronierte vom „Vogelschiss“ und blies zur Jagd auf Demokraten.

Dass die Bundespolitik derzeit bestimmt nicht alles richtig mache? Ja, das sei wohl so, sagt Schwandt. Protest aber zu zeigen, indem man Rechtsextremen hinterherlaufe? Inakzeptabel! Es macht Schwandt richtig sauer. „Einigen geht es einfach zu gut“, vermutet er. „Sie machen sich nicht klar, welche Folgen ihr verantwortungsloses Handeln hat.“

Kapitän Schwandt: Proteste, bis die AfD keine Rolle mehr spielt

Trotz immer neuer rechtsextremer Entgleisungen stiegen zuletzt die Umfragewerte der AfD. Es ist, als brenne das Haus und Teile der Gesellschaft packten die Grillwürste aus in einer irgendwie pubertären Freude am Kaputtmachen und Kaputtreden.

Woher nur kommt diese Wut, Kapitän Schwandt?

„Es ist Sozialneid. Mangelnde Solidarität. Und es ist Angst“, sagt Schwandt. Besonders der Faktor Angst spiele eine wichtige Rolle. Angst: vor gesellschaftlichen Veränderungen, der Klimakrise, einer komplexen Welt im Wandel, für die Rechtspopulisten einfache Parolen parat haben.

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Dass sie dabei selbst den menschengemachten Klimawandel leugnen? Für AfD-Wähler geschenkt. Hauptsache, „deutsch“, im völkischen platten Sinne, und wichtig, dass es Sündenböcke gebe: Flüchtlinge, „Grüne“, all jene, die anders sind. „Manche Leute sind so leicht zu manipulieren“, sagt Schwandt.

Unterkriegen lassen hat er sich nie. Nicht nach einem schweren Start ins Leben, nicht in den Stürmen auf See, nicht von seinen Krankheiten. Der alte Seemann erwartet, dass nun auch keine Resignation einkehrt, sondern die Resilienz der Zivilgesellschaft erwacht.

„Mit den Protesten – so gut sie sind – ist es aber nicht getan“, mahnt er. „Es muss weitergehen, immer weiter. Bis diese Partei keine Rolle mehr spielt.“

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