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Klaus Püschel war Chef der Rechtsmedizin am UKE – und verordnete Brechmittel zur Beweissicherung.
  • Klaus Püschel war Chef der Rechtsmedizin am UKE – und verordnete Brechmittel zur Beweissicherung.
  • Foto: picture alliance/dpa | Axel Heimken

Rassismus-Vorwurf: Kampnagel gegen Lesung im eigenen Haus

Jahrelang vergaben Ärzte am UKE Brechmittel an mutmaßliche Drogendealer, 2001 kam es dabei zu einem Todesfall. Der damalige Chef der Rechtsmedizin, Prof. Klaus Püschel, steht dafür schon länger in der Kritik. Am Donnerstag soll er auf Kampnagel aus seinem neuen Buch lesen. Doch das Kulturzentrum distanziert sich von der Veranstaltung im eigenen Haus.

Die Begründung der Kulturfabrik in Winterhude für ihre Distanzierung hat es in sich. Ihre Pressemitteilung impliziert, dass die Brechmittelvergabe rassistisch motiviert war: „Laut einer Recherche der Initiative zum Gedenken an Achidi John verantwortete Püschel als Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zwischen 2001 und 2006 die Verabreichung von Brechmitteln an mindestens 530 Menschen, darunter fast ausschließlich Schwarze Personen. Michael Paul Nwabuisi, der sich Achidi John nannte, verstarb am 12.12.2001 in Hamburg nach zwangsweiser Brechmittelvergabe.“

Hamburg: Kampnagel distanziert sich von Lesung mit Klaus Püschel

Nach offiziellen Angaben wurden unter Püschels Leitung am Institut für Rechtsmedizin des UKE zwischen 2001 und 2006 insgesamt 486 Personen Brechmittel verabreicht, zum Teil zwangsweise. Das geht aus Antworten des Hamburger Senats auf parlamentarische Anfragen hervor. Das Vorgehen sollte der Sicherung von Beweismitteln, zum Beispiel verschluckter Drogen, dienen.

„Ich habe damals beim Brechmitteleinsatz das getan, was die Innenbehörde unter dem SPD-Senator Olaf Scholz und die Wissenschaftsbehörde unter der grünen Senatorin Krista Sager angeordnet haben“, sagt Püschel selbst gegenüber der MOPO. „Das war Innenpolitik der Stadt Hamburg, die ich umzusetzen hatte.“


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Der Tod Achidi Johns 2001 lag Ermittlungen zufolge an einer nicht erkannten Herzerkrankung. Trotzdem wurde der umstrittene Einsatz danach in mehreren Bundesländern ausgesetzt – aber nicht in Hamburg. Auch als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2006 die zwangsweise Vergabe als Verstoß gegen das Folterverbot verurteilte, blieb der damalige Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) skeptisch, ob das auch für Hamburg gelte. Schließlich wurden Brechmittel nur noch mit Zustimmung des Verdächtigen verabreicht.

Den Vorwurf des Rassismus höre der Professor im Ruhestand „zum wiederholten Male“, wie er der MOPO sagt. „Dass es Schwarze waren, bei denen der Brechmitteleinsatz vorgenommen wurde, hat damit zu tun, dass es nunmal vornehmlich Schwarze waren, die mit Drogen dealten.“ Er habe sich als Rechtsmediziner für Gesetz und Recht eingesetzt – und Drogendealer seien Menschen, die das Recht brechen. Den Tod Johns bedauere er außerordentlich, sieht die Ursache aber in Vorerkrankungen aufgrund von dessen Drogensucht.

EU-Urteil: Zwangsverabreichung von Brechmitteln ist Folter

„In bin in vielen Ländern gewesen – im arabischen Raum wie in Afrika – , um Menschen zu helfen“, so Püschel weiter. „Wenn irgendjemand kein Rassist ist, dann bin ich das.“

Die Verantwortlichen auf Kampnagel sehen das in ihrem Statement anders: „Wir arbeiten mit einem großen Netzwerk von Geflüchteten, Menschen mit Migrationsgeschichte und Aktivist*innen zusammen, deren Vertrauen wir nachhaltig verletzen, wenn Klaus Püschel in unserem Haus eine Bühne bekommt.“

Doch einfach absagen kann das Kulturzentrum die Lesung nicht: Sie soll am 4. November im Rahmen des Krimifestivals stattfinden. Das wird der Mitteilung zufolge aber nicht von Kampnagel selbst, sondern vom „Hamburger Abendblatt“, der Buchhandlung Heymann und dem Literaturhaus Hamburg veranstaltet, „die dafür die Hallen mieten und aus diesem Grund Programmhoheit haben”.

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Die Kulturfabrik habe mit den Veranstaltern bereits über „unsere kritische Haltung zur Programmierung von Klaus Püschel“ gesprochen und wolle dies nun auch öffentlich machen: „Kampnagel zeigt als Institution eine klare Haltung gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung.“

Auch in der Politik schägt die Veranstaltung Wellen: „Püschel steht maßgeblich für die Folterpraxis durch die Brechmittelvergabe und war Steigbügelhalter einer repressiven Innenpolitik“, sagt Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Seine Nähe zu einer Landsmannschaft mit Kontakten zur extremen Rechten lässt seine menschenrechtswidrigen Praktiken in einem neuen Licht erscheinen und wirft ernstliche Fragen nach seiner ideologischen Verortung auf.“

Hintergrund dieser Äußerung Celiks: Ende des Monats sollte Püschel bei der „Landsmannschaft Mecklenburgia“ in Winterhude lesen. Die wird, wie die „taz“ recherchiert hat, vom Verfassungsschutz als „zumindest rechtsextremistisch beeinflusst“ eingestuft.

Gegenüber der MOPO betonte Püschel, dass er bei der „Mecklenburgia“ keine Lesung halten werde.

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Püschel ist seit 2020 im Ruhestand. Er führt aber dennoch im Auftrag der Justizbehörde eine Evaluation der Suizide in Hamburger Gefängnissen durch.

„Das Hofieren von Püschel durch den Hamburger Senat muss ein Ende haben“, so Cansu Özdemir, justizpolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Wer keine Berührungsängste gegenüber der extremen Rechten hat, darf vom Senat nicht noch mit Aufträgen belohnt werden und ist offensichtlich ungeeignet für eine Untersuchung mit menschenrechtsorientierten Bezügen.“

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