Tausende Euro, Drohungen und Wegwerf-Handys: Wie die Koks-Mafia Hafenarbeiter anwirbt
Drohungen, Gewalt, Morde: Vergangene Woche berichtete die MOPO über den Wandel der Hansestadt zum Umschlagplatz für Kokain & Co. und die Schlüsselrolle des Hafens. Doch wie kommen die Drogen eigentlich aus dem umzäunten und streng bewachten Areal heraus? Insider berichten, wie die Mafia gezielt bestimmte Personengruppen ins Visier nimmt und mit hohen Summen zu Komplizen macht. Netzwerke unterwandern so das Geschäft, schmuggeln gezielt Container an Kontrollen vorbei. Ein missglückter Deal zeigt, wie dreist die Kriminellen dabei vorgehen. Wer aussteigen will, wird massivst bedroht – und muss um seine Familie fürchten. Dann hilft nur noch eine radikale Maßnahme.
Es war schon dunkel, als am 25. Oktober ein merkwürdiges Manöver auf dem Containerterminal Eurogate in Waltershof auffiel. Ein nicht zugeteilter Vancarrier mit einem Container an Bord bewegte sich über das Gelände. Als die Leitzentrale eine Nachricht in das Führerhaus funkte, bekam der Fahrer Panik und ergriff die Flucht. Erst später stellte sich heraus, dass es sich um einen Mitarbeiter des Gesamthafenbetriebs handelte, der eigentlich schon im Feierabend war. Er hatte sich nicht ausgestempelt, war heimlich auf dem Gelände geblieben.
Drohungen, Gewalt, Morde: Vergangene Woche berichtete die MOPO über den Wandel der Hansestadt zum Umschlagplatz für Kokain & Co. und die Schlüsselrolle des Hafens. Doch wie kommen die Drogen eigentlich aus dem umzäunten und streng bewachten Areal heraus? Insider berichten, wie die Mafia gezielt bestimmte Personengruppen ins Visier nimmt und mit hohen Summen zu Komplizen macht. Netzwerke unterwandern so das Geschäft, schmuggeln gezielt Container an Kontrollen vorbei. Ein missglückter Deal zeigt, wie dreist die Kriminellen dabei vorgehen. Wer aussteigen will, wird massivst bedroht – und muss um seine Familie fürchten. Dann hilft nur noch eine radikale Maßnahme.
Es war schon dunkel, als am 25. Oktober ein merkwürdiges Manöver auf dem Containerterminal Eurogate in Waltershof auffiel. Ein nicht zugeteilter Vancarrier mit einem Container an Bord bewegte sich über das Gelände. Als die Leitzentrale eine Nachricht in das Führerhaus funkte, bekam der Fahrer Panik und ergriff die Flucht. Erst später stellte sich heraus, dass es sich um einen Mitarbeiter des Gesamthafenbetriebs handelte, der eigentlich schon im Feierabend war. Er hatte sich nicht ausgestempelt, war heimlich auf dem Gelände geblieben.
Hamburg: Koks-Mafia baut Netzwerke im Hafen auf
Auch der Lkw-Fahrer, der auf den Container gewartet hatte, wurde gefasst. „Es gehören mindestens zwei Personen zu so einem Deal“, sagt ein Hafenarbeiter, der anonym bleiben will. Eine, die den Container holt (Vancarrier-Fahrer) und eine aus der Abfertigung, damit der Container überhaupt vom Hof fahren kann. Es muss also an jenem 25. Oktober noch einen Maulwurf im System gegeben haben. In diesem Fall gehörte außerdem noch der Lkw-Fahrer zu dem Deal. Die Mafia baut ganze Netzwerke auf, um die Tonnen an Drogen durch den Hafen zu schleusen.
Mindestens 10.000 Euro bekämen die Beteiligten für ihre Hilfeleistung pro Transport, weiß ein anderer Hafenarbeiter. Denn das Risiko ist extrem hoch. Wer gefasst wird, verliert nicht nur seinen Job. Er muss auch mit einer hohen Gefängnisstrafe rechnen, wie der ehemalige HHLA-Arbeiter, der im September 2022 zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde.
Eurogate hat anonymes Meldesystem für Beobachtungen installiert
Der Kontakt zwischen Kartell und Hafenarbeiter komme meist über alte Szene-Verbindungen zustande. „Das sind Kollegen, die entweder selbst Drogen nehmen oder früher welche genommen haben“, weiß ein Terminal-Angestellter. Die Mafia-Leute träten an ihre alten Abnehmer– nicht selten labile Charaktere – heran und böten ihnen viel Geld, um sie in Versuchung zu bringen.
Früher hätten die Terminal-Unternehmen regelmäßig Stichproben-Kontrollen durchgeführt, um zu prüfen, ob die Hafenarbeiter Drogen im Blut haben. Seit Corona sei das nicht mehr so. Jetzt gebe es die Kontrollen nur noch bei Verdacht.
Ein Eurogate-Sprecher erklärte dazu: „Ohne die Einwilligung der Mitarbeiter:innen können und dürfen wir keine Drogentests, auch nicht stichprobenartig, durchführen.“ Das Unternehmen sensibilisiere die Mitarbeiter über regelmäßige Schulungen und biete „ein anonymes Meldeportal für etwaige Beobachtungen an“. Darüber hinaus sehe man sich Bewerber sehr genau an. „Eurogate stellte keine Mitarbeiter:innen ein, die wegen Drogendelikten vorbestraft sind.“ Einen hundertprozentigen Schutz vor krimineller Energie könne jedoch nicht gewährleistet werden.
Mafia-Verbindungsleute spionieren Hamburger Hafenarbeiter aus
Die Mafia hat offenbar aber auch andere Anwerbe-Methoden, sollte sich kein Kontakt über alte Netzwerke ergeben. So werden Hafenarbeiter nach MOPO-Informationen über längere Zeit beobachtet und ausspioniert, bevor sie außerhalb der Kai-Anlagen angeworben werden. In Bremerhaven soll ein Hafenarbeiter im Schwimmbad angesprochen worden sein, in Hamburg zwei Kollegen auf dem Terminal-Parkplatz.
„Bei ,Ja’ gibt es ein Wegwerf-Handy. Darüber erfährt man dann, wo und wann, welcher Container wohin gebracht werden muss“, berichtet ein Hafenarbeiter. Die Instruktionen kämen per SMS.
Wer aussteigen will, bekommt Drohungen – auch in Richtung der Familie
Wer einmal mitgemacht hat, hat keine Chance, wieder auszusteigen. „Im Normalfall kommst du da nicht wieder raus. Dann wird die Familie bedroht“, sagt der Mann. Die Methoden der Mafia sind brutal. Wer sich einmal mit ihr eingelassen hat, bekommt das schnell zu spüren – und riskiert im Zweifel nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das seiner Liebsten.
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Besondere Gefahr droht denjenigen, die von der Polizei erwischt werden und Aussagen über die Strukturen der Kartelle machen. Wie man aus den Niederlanden weiß, müssen sie mit Rache-Akten rechnen. Die Polizei hat wenig Handhabe: „Im Zweifel können diese Personen ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Das hängt stark vom Einzelfall ab“, so ein Polizeisprecher. Ob die im Oktober bei Eurogate geschnappten Personen in ein solches Programm aufgenommen wurden, wollte der Sprecher nicht sagen: „Zu laufenden Ermittlungen äußern wir uns nicht.“