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Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu Gast bei der MOPO.
  • Bundesminister für Verkehr und Digitales, Volker Wissing (FDP), zu Gast bei der MOPO (Archivbild)
  • Foto: Patrick Sun

Wissing im MOPO-Interview: Tempolimit wegen Schildermangel nicht umsetzbar

Fahrradstadt, U5, E-Mobilität: Hamburg will so schnell wie möglich die Mobilitätswende schaffen. Unterstützung bei den Plänen bekommt die Stadt von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der sich in den vergangenen Tagen von vielen Verkehrsprojekten im Norden selbst ein Bild machte. Die MOPO fühlte ihm auf den Zahn: Wie läufts denn mit seinen Plänen? Warum sperrt sich seine Partei so gegen ein Tempolimit? Und sollte eine Stadt wie Hamburg vielleicht generell zur Tempo 30-Zone werden?

MOPO: Herr Wissing, Sie sind nach Hamburg gekommen mit einer Reihe an Gaben und Förderungen im Gepäck. Worauf kann sich der Verkehr in dieser Stadt einstellen?
Volker Wissing: Ganz besonders unterstützen wir von Bundesseite die geplante Umstellung der Busflotte in Hamburg auf Elektromobilität. Damit leistet das Land einen großen Beitrag zur klimaneutralen Mobilität und bekommt dafür insgesamt 160 Millionen Euro.

Wie sieht es bei Hamburgs Zielen aus, Fahrradstadt zu werden? Kann die Stadt da auf Unterstützung hoffen?
Wir wollen das Radfahren attraktiver machen. Hamburg hat uns auch explizit um eine solche Förderung gebeten und ich stehe dem sehr positiv gegenüber.

Die Stadt Hamburg hat schon öfter erwähnt, dass sie großzügiger Tempo 30 in der Stadt anordnen würde, das aber aufgrund der Straßenverkehrsordnung nicht so einfach möglich ist. Im Koalitionsvertrag steht, dass das geändert werden soll – wann könnte es soweit sein?
Wir prüfen derzeit, welche Möglichkeiten es gibt, den Kommunen hierbei mehr Flexibilität zu bieten. Diese Prüfung läuft noch, wird aber bald abgeschlossen sein. Dann werden wir das Ergebnis mit den Ländern besprechen. Ein flächendeckendes Tempo 30, wie es ja auch immer wieder in den Städten zur Debatte steht, lehne ich allerdings  ab. 

Wieso?
Es gibt zum Beispiel Durchgangsstraßen, die aus der Stadt herausführen. Dort wollen wir einen guten Verkehrsfluss gewährleisten. Insofern müssen wir einen Ausgleich finden zwischen den städtischen Interessen nach Verkehrsberuhigung und Lärmschutz als auch der Funktion der Durchgangsstraßen, Verkehr möglichst schnell, zügig und fließend durch zu führen.

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Warum stemmt sich die FDP aber sogar jetzt noch gegen ein Tempolimit außerhalb der Städte, obwohl wir vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges dringend Energiesparen müssen?
Weil es dafür weder nach dem Koalitionsvertrag noch dem aktuell verabschiedeten Energiesparpaket Mehrheiten gibt. Es ist eine Maßnahme, die äußerst umstritten ist und die auch sehr stark spaltet. Es bringt nichts, das immer wieder zu diskutieren. Das treibt einen Keil in die Gesellschaft.

Wir haben gar nicht den Eindruck, dass ein Tempolimit die Gesellschaft so extrem fordert. Gerade im Vergleich zu dem, was sonst so anstehen könnte in diesen schwierigen Zeiten. Ist es im Vergleich nicht eher ein mildes Mittel mit klarer Einspar-Wirkung?
Ich halte auch nichts davon, es vorübergehend einzuführen. Das ist mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Man müsste entsprechende Schilder aufstellen, wenn man das für drei Monate macht und dann wieder abbauen. So viele Schilder haben wir gar nicht auf Lager.

Ein Tempolimit lehnt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) rigoros ab – das betonte er auch im MOPO-Gespräch. Patrick Sun
Ein Tempolimit lehnt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) rigoros ab – das betonte er auch im MOPO-Gespräch.
Ein Tempolimit lehnt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) rigoros ab – das betonte er auch im Gespräch in der MOPO-Redaktion.

Sind es nicht eher Ihre Wähler, vor denen Sie Angst haben?
Ich verfolge eine Verkehrspolitik, die die Gesellschaft nicht auseinandertreibt, sondern zusammenhält und gleichzeitig Klimaziele erreicht. Dieses Thema ist sehr spaltend und vom beiden Seiten mit sehr vielen Emotionen behaftet. Es gibt geeignetere Lösungen für eine klimaschonende Verkehrspolitik, zum Beispiel die Stärkung des ÖPNV. 

Was ja jetzt vor allem mit dem geplanten Neun-Euro-Ticket passieren soll. Wäre es nicht einfacher für die Unternehmen gewesen, ein kostenloses Ticket einzuführen?
Nein. Ein kostenloses Ticket hat viele Nachteile. Die Verkehrsunternehmen erhalten so keinerlei Informationen über die zusätzlichen Nutzer. All diese wichtigen Daten, um zu wissen, wie man den ÖPNV verbessern kann, wären verloren und das halte ich für falsch. 

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Haben Sie keine Sorge, dass das dann ein bürokratisches Monster wird, so wie die FDP es immer kritisiert? Der Aufwand scheint ja doch gewaltig zu sein.
Der bürokratische Aufwand beim Neun-Euro-Ticket liegt darin, die Kosten an diejenigen zurückzuerstatten, die ein Abo haben. Dieser Aufwand wäre beim Null-Euro-Ticket der Gleiche. Mit diesem könnte es dann aber zusätzlich noch zu Überlastungen in Bussen und Bahnen kommen, weil man nicht weiß, wer es bucht und nicht entsprechend disponieren kann. Außerdem haben mir einige Bundesländer schon mitgeteilt, dass sie das Ticket zum 1. Mai für realisierbar halten. Wenn das flächendeckend passieren könnte, wäre es natürlich ideal. Es muss in Deutschland möglich sein, innerhalb von ein paar Wochen ein Online-Ticket für neun Euro anzubieten.

Was ist mit den Menschen, die keinen Online-Zugang haben?
Für diejenigen kann es ja auch an den Verkaufsstellen der Verkehrsverbünde einen analogen Ticket-Verkauf geben, das ist kein Problem. Es wäre nicht erforderlich, dafür alle Fahrkartenautomaten umzustellen. 

Haben Sie Prognosen, wie viele Menschen man durch ein solches Ticket gewinnen kann?
Das hängt davon ab, wie schnell und attraktiv das umgesetzt werden kann. Es gibt viele, die behaupten, wenn der ÖPNV billiger wird, gäbe es massenweise Umsteiger. Jetzt haben wir erstmals die Möglichkeit, das in einem Feldversuch zu erheben. Am Ende dieser drei Monate werden wir wissen, ob es vor allem eine Preisfrage oder eine Angebotsfrage ist, ob Menschen den Nahverkehr nutzen.

Wenn herauskommt, es ist eine Preisfrage: Wäre es dann möglich, dauerhaft die Nahverkehrskosten zu senken?
Dauerhaft kann der Bund  diese Aufgabe nicht finanzieren. Wenn es aber tatsächlich der entscheidende Auslöser wäre, müsste diese Frage politisch diskutiert werden. Das steht aber am Ende des Prozesses. Jetzt müssen wir erst einmal einen zeitnahen Anreiz zum Umstieg setzen, um Energie einzusparen.