So schnell fahren Autofahrer in Hamburg wirklich
Wie schnell soll ein Auto durch Hamburg fahren dürfen? An dieser Frage scheiden sich die Geister, längst ist die Tempo-30-Debatte auch in der Hansestadt entbrannt. Neue Geschwindigkeitsdaten zeigen nun: So viel würde sich eigentlich gar nicht verändern.
Wie schnell soll ein Auto durch Hamburg fahren dürfen? An dieser Frage scheiden sich die Geister, längst ist die Tempo-30-Debatte auch in der Hansestadt entbrannt. Der ADAC Hansa mahnt zur Vorsicht, nicht alle Hauptverkehrsstraßen dürften auf einmal in Tempo-30-Strecken umgewandelt werden. Die Daten des Navigationsdienstleisters „TomTom“ zeigen allerdings deutlich: So viel würde sich eigentlich gar nicht verändern.
Wer sich regelmäßig morgens oder abends im Berufsverkehr ins Auto setzt, für den sind Dauerbaustellen und endlose Autoschlangen zur Gewohnheit geworden. Zwar gilt auf 58 Prozent aller Hamburger Straßen bereits Tempo 30, auf den größeren Hauptverkehrsadern liegt die erlaubte Geschwindigkeit allerdings immer noch bei 50 Kilometern pro Stunde.
Wie sinnvoll ist Tempo 30 in Großstädten wie Hamburg?
Im Dezember legten die Experten des Hamburger Klimabeirats dem Senat ihre erste „klimapolitische Empfehlung“ vor. Dort forderten sie unter anderem die stadtweite Einführung von Tempo 30. Der Grund? Im Verkehr sehen die Mitglieder des Beirats einen der wichtigsten Sektoren für den Klimaschutz. In den vergangenen Jahren habe es hier aber kaum CO2-Einsparungen gegeben, heißt es in dem Papier. Tempo 30 soll das ändern. Unterstützt wird diese Forderung unter anderem vom BUND Hamburg und dem Hamburger Landesverband des ADFC.
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Der ADAC widerspricht der Darstellung, Tempo 30 würde automatisch zu einer Verringerung der Umweltbelastung führen. Sprecher Christian Hieff verweist auf eine Studie der Landesanstalt für Umweltmessungen und Naturschutz in Baden-Württemberg. Niedrige CO2-Emmissionen würden demnach vor allem bei gleichmäßiger Geschwindigkeit erreicht – also wenig Stop and Go. „Außerdem reden wir noch zu einem Großteil von Verbrenner-Autos“, so Hieff. „Mit Tempo 50 im fünften Gang erzeugen diese weniger Emissionen als mit Tempo 30 im dritten Gang.“
Laut den Analysedaten aus dem Jahr 2021 des Navigationsdienstleisters „TomTom“, die der MOPO vorliegen, schaffen es die Autos im Berufsverkehr allerdings in der Regel nicht, die 50 Kilometer pro Stunde überhaupt zu erreichen. „TomTom“ hat dafür anonymisierte GPS-Daten ausgewertet. Dabei handele es sich um „Floating Car Data“, also Fahrzeuge, die tatsächlich Teil des Verkehrsgeschehens sind. Darunter fallen Taxis, Fahrdienste, Lieferfahrzeuge, Lkws, Pendler oder Privatfahrten. Die Daten stammen aus portablen und festen Navis sowie Smartphones.
Daten zeigen: Autos oft nicht mit 50 km/h unterwegs
Auf der Adenauerallee in St. Georg schwankt die durchschnittliche Geschwindigkeit auf den Abschnitten zwischen 17 und 36 km/h. Auch auf der Stresemannstraße in den Stadtteilen Sternschanze, Altona-Nord und Bahrenfeld geht es in einigen Teilen nur mit 31 km/h voran – davon ausgenommen die vereinzelten Tempo-30-Abschnitte rund um die Sternbrücke. Dort fahren die Autos im Durchschnitt mit 20 Kilometern pro Stunde durch. Auf der Rothenbaumchaussee (Rotherbaum / Harvestehude) erreichen die Fahrzeuge abschnittsweise zwar auch mal 44 km/h, oft sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit aber auch wieder auf Tempo 30 herunter.
Den Eindruck bestätigt Daniel Schulz, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HafenCity Universität im Bereich Stadtplanung. „Es ist zu sehen, dass die Höchstgeschwindigkeit auf einigen großen Straßen, wie der Adenauerallee, gerade über die Gesamtlänge eher bei 30 Kilometern pro Stunde liegt“, sagt er im Gespräch mit der MOPO. „Das spricht dafür, dort 30 km/h als Tempolimit einzuführen, weil es aufgrund der oft niedrigen Durchschnittsgeschwindigkeit gar nicht zu einem Verlust des Verkehrsflusses oder zu längeren Reisezeiten führen würde.“ Die Ampeln müssten dann entsprechend auf das Tempo angepasst werden. „Tempo 30 führt zu weniger Feinstaub und schützt Fußgänger und Radfahrer schützen. Bei Tempo 50 sind Unfälle für diese oft tödlich, bei 30 nicht.“
Allerdings macht Experte Schulz auch Einschränkungen: „Auf Verkehrswegen wie der Bergedorfer Straße ist zum Beispiel abschnittsweise Tempo 70 erlaubt, weil sie aus der Stadt herausführen. Dort wäre eine derartige Tempo-Reduzierung nicht sinnvoll.“
Ist Tempo 30 für die ganze Stadt eine sinnvolle Maßnahme?
Die „TomTom“-Daten zeigen auf der Bergedorfer Straße teilweise Durchschnittsgeschwindigkeiten im Berufsverkehr von bis zu 66 km/h – unter anderem zwischen Reinbeker Redder (Lohbrügge) und Sander Damm (Lohbrügge / Bergedorf). Auch auf der Kieler Straße (zwischen Altona-Nord und Eidelstedt), die als Ab- und Zufahrt für die A7 fungiert, wäre Tempo 30 eher hinderlich für den Verkehrsfluss: Dort sind die Autofahrer im Berufsverkehr mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde unterwegs.
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Anders sieht es nochmal in der Nacht aus: Auf der Straße An der Alster in St. Georg sind im Durchschnitt die Hälfte aller Autofahrer zwischen 23 und 5 Uhr morgens mit mehr als den erlaubten 50 Kilometern pro Stunde unterwegs. Hier könnten strengere Kontrollen helfen. Auch auf der Poppenbüttler Landstraße (Poppenbüttel) fahren durchschnittlich 35 Prozent aller Autos schneller als 50 km/h, auf der Bahrenfelder Chaussee (Ottensen) sind es sogar knapp 40 Prozent.
Deutschland trotz Bußgeld-Reform milder als andere Länder
Aber auch nach der Reform des in Deutschland vom November sind die drohenden Strafen in Deutschland im europäischen Vergleich milde: Bis 10 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts zahlen Autofahrer gerade einmal 30 Euro, zwischen 11 und 15 km/h sind es 50 Euro. Bis 20 km/h kommen dann Bußgelder von 140 Euro auf die Autofahrer zu. Aber erst, wenn sie 31 bis 40 km/h zu schnell fahren, bekommen sie einen Monat Fahrverbot. Nachbarländer wie die Schweiz, Norwegen oder Dänemark gehen da viel härter vor: Bei 10 km/h Überschreitung drohen dort Bußgelder zwischen 115 und 220 Euro. Bei 20 km/h Überschreitung müssen Autofahrer in Norwegen sogar 571 Euro blechen. Die harten Sanktionen zeigen Erfolge, dort gibt es deutlich weniger Verstöße gegen Tempolimits.