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  • Jedes Jahr werden rund 800 Kinder in der Arche in Jenfeld zu Weihnachten beschenkt.
  • Foto: Quandt

Corona verschärft die Lage: Arche Hamburg: Eltern haben Angst vor Weihnachten

Jenfeld –

Weihnachten in der Arche in Jenfeld, das ist etwas Besonderes. Bei dem Kinderprojekt wird die Weihnachtsgeschichte schon mal anhand von Gemüse erzählt. Und für die Familien gibt es Feiertags-Carepakete mit Nudeln, Kaffee, Shampoo und Babywindeln. Denn bei vielen geht es zu den Festtagen nicht darum, ob die Kinder alle Wünsche erfüllt bekommen. Es geht darum, auch Ende Dezember noch etwas im Kühlschrank und ausreichend Babywindeln zu haben. Und Corona verschärft die Lage in diesem Jahr zusätzlich.

Kein Stress mit Eltern und Geschwistern, die alle gemeinsam in einer viel zu engen Wohnung hocken, sondern ab in die Arche. Das ist für viele Jungen und Mädchen ein echter Lichtblick in der schweren Corona-Zeit. Momentan dürfen alle Kinder zwar nur zweimal pro Woche kommen, um die Gruppen klein zu halten. Aber diese Tage genießen die Kleineren derzeit mit Back- und Bastelaktionen.

Mädchen basteln in der Arche Harburg.

Bastelnachmittag in der Arche: Emily (8) und Larissa (5) basteln Engel-Girlanden und Weihnachtsbaum-Ketten.

Foto:

Blumenthal

Auch in intakten Familien ist die Vorweihnachtszeit nicht gerade stressfrei. Aber in belasteten Stadtteilen wie Jenfeld gilt das noch viel stärker. „Unsere Eltern haben zum Teil regelrecht Angst vor den Feiertagen“, sagt Tobias Lucht. Er ist in der Arche der leitende Sozialpädagoge. „Die Lage spitzt sich jetzt schon zu.“

Die Sorge sei groß, keine schönen Feiertage organisieren zu können, einfach weil das Geld nicht reicht. Nicht einmal für die Lebensmittel so kurz vorm Monatsende.

Tobias Lucht von der Arche Jenfeld.

Tobias Lucht ist Sozialpädagoge bei der Arche in Jenfeld.

Foto:

hfr

Arche Hamburg: Eltern haben Angst vor Weihnachten

Corona hat das noch verschärft. In einem Stadtteil, in dem fast jede dritte Mutter (und einige Väter) ihre Kinder ohne Partner durchbringen müssen und zu wenig verdienen, um ohne staatliche Hilfe auszukommen. 40 Prozent der Jugendlichen im Stadtteil lebt von Hartz-IV-Zuschüssen.

„Gerade die alleinerziehenden Mütter haben wahnsinnige Angst vor einer Quarantäne-Situation“, so Lucht. Dann könnten sie nicht arbeiten, die Kinder würden keine Mittagsmahlzeit in der Arche bekommen und alle wären zusammen in den viel zu kleinen Wohnungen eingesperrt.

Jungs backen Kekse

Im Advent werden Plätzchen gebacken in der Arche in Harburg. Hier mit voller Jungs-Power: Darko (11), Dyar (12), Dejan (11), Vasilie (9) und Samuel (11), wollen Plätzchen backen.

Foto:

Blumenthal

„Weil Mini-Jobs in Kinos etc. durch Corona weggefallen sind, fehlt auch das Geld, das die volljährigen Kinder im Haushalt sonst beigetragen haben“, so Lucht. Die Konflikte in den Familien nehmen spürbar zu. Die Arche kümmert sich derzeit etwa um zwei Jungs (8 und 14), die seit März isoliert sind und nicht in der Schule waren, weil der Vater Risikopatient ist und sich in der kleinen Wohnung nicht separieren kann. Aus Angst vor Ansteckung können sie auch nicht in die Arche.

Hamburg: Arche Jenfeld besucht Kinder zu Hause

Und sie haben ein Mädchen (10) im Blick, dessen psychisch kranke Mutter es nicht vor die Tür lässt, weil sie solche Angst vor Corona hat.

Aber auch ältere Jugendliche leiden – unter Konflikten in der Familie und Gewalt. „Ein Junge sagte gerade zu mir, er würde sich von einer Brücke stürzen, wenn es einen neuen Lockdown gebe oder er in Quarantäne müsse.“ Auch die Arche musste im Frühjahr im Lockdown zeitweise wegen Corona schließen.

Abhängen am Elbstrand.

Am Elbstrand grillen und mit Freunden abhängen – darauf müssen Jugendliche seit Beginn der Coronakrise verzichten. Auch die Jugendtreffs sind dicht.

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imago images

Nächste Woche steht ein Tag an, auf den die Mitarbeiter der Arche seit September hinarbeiten: Dann startet das große Pakete-Packen. Bis zu 800 Weihnachtspakete für die Kinder und Jugendlichen werden dann zusammengestellt. Plus 200 Care-Pakete für besonders bedürftige Familien, mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln und einem Baby-Kit. Viele Spenden kommen von Hamburger Firmen, die sich engagieren. Etwa Budni, die Commerzbank, Philips, Boston Consulting und Zespri Kiwis.

Arche: Kinder bekommen Geschenke zu Weihnachten

Arche Kind Archiv Geschenk

Ein kleines Mädchen freut sich in der Arche in Jenfeld über sein Weihnachtsgeschenk (Archiv).

Foto:

Quandt

Die Kinder bekommen ihre Geschenke bei den 16 corona-gerechten kleinen Arche-Weihnachtsfeiern in Jenfeld, Harburg und Billstedt. Die Care-Pakete und Baby-Kits bringen die Sozialpädagogen dann erst wenige Tage vor Weihnachten bei den Familien vorbei.

„Wir kommen an die Tür und können dann auch kurz noch mal checken, wie die Lage zu Hause so ist“, sagt Lucht. Weil Mitarbeiter und Familien sich lange kennen und vertraut sind, fühle sich auch niemand kontrolliert. „Im Gegenteil. Alle freuen sich darauf.“ Und ein Fünf-Minuten-Gespräch an der Tür sage schon sehr viel über die Stimmung aus.

Lernhilfe in der Arche in Jenfeld.

In der Arche wird Kindern auch beim Lernen und bei den Hausaufgaben geholfen. Die Nachfrage ist seit Corona enorm angestiegen.

Foto:

Arche Jenfeld

Durch solche Haustürbesuche haben die Mitarbeiter auch gemerkt, dass eine alkoholabhängige Mutter seit Corona noch stärker in die Sucht abgerutscht ist. Auch Ehekrisen nehmen zu. „Ein Kollege war neun Stunden lang bei einem Ehepaar, um zu schlichten“, schildert Lucht.

Corona: Eltern beschäftigen sich mehr mit Kindern

Aber es gebe auch positive Entwicklungen: „Manche Eltern beschäftigten sich erst jetzt so richtig mit ihren Kindern.“ Vorher seien die halt einfach wegorganisiert worden. „Ein Vater, von dem wir das nie gedacht hätten, singt jetzt begeistert mit seinen Kindern.“

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Und das können auch alle anderen Kinder und die Arche-Kollegen dann live erleben. Denn mittlerweile gibt es viele Aktionen digital über Zoom. Wie das Singen und sogar auch Tanzgruppen. Selbst die Hausaufgabenhilfe läuft zum Teil per Video-Chat. Einfach aus Platznot.

Arche in Hamburg: „Bedarf an Hausaufgabenhilfe regelrecht explodiert“

„Der Bedarf an Hausaufgabenhilfe ist nach den Sommerferien regelrecht explodiert“, so Lucht. Die zeitweise Schließung der Schulen und der Fernunterricht hatte gerade den Kindern in Stadtteilen wie Jenfeld sehr geschadet.

Handstand vor Arche

Handstand für die Arche in Jenfeld. Viele Kinder gehen dort regelmäßig mit großem Spaß hin.

Foto:

Arche

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Auch für die Sozialpädaogen geht so bald ein äußerst anstrengendes Jahr mit sehr langen Tagen zu Ende. Über Weihnachten und Neujahr haben auch sie mal Pause. Die Arche öffnet erst am 4. Januar wieder. „Und die Pause brauchen wir nach diesem Jahr auch dringend“, so Lucht.

Aber die Arche wären eben auch nicht die Arche, wenn sie die Familien dann völlig allein lassen würde. „Für alle Fälle ist über die gesamten Feiertage jemand am Nottelefon erreichbar.“

Das Spenden-Konto und weitere Infos zur Arche Jenfeld finden Sie hier.

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