• In Hamburg ist das Risiko, sich mit Corona zu infizieren, in sozial benachteiligten Stadtteilen höher.
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Corona-Risiko: Einkommen, Wohnort, Abschluss – wer sich wo am ehesten ansteckt

Auch nach einem Jahr Pandemie gibt es selten Infektionszahlen für kleinere Einheiten, wie Stadtteile. Sozioökonomische Daten aus Köln und Duisburg im Rahmen einer Studie geben nun Aufschluss darüber, wo und bei wem wir uns anstecken. Kann das auch für Hamburg kommen? Die Hansestadt ist zurückhaltend, eine Stigmatisierung soll vermieden werden.

In Köln haben Geodatenforscher von „Infas360“ circa 36.000 Datensätze der Gesundheitsämter mit sozioökonomischen Daten der Stadtviertel abgeglichen. Die Forscher wollten herausfinden, welche Faktoren das Risiko für Corona-Erkrankungen erhöhen oder senken.

Kölner Studie zeigt: Sozial benachteiligte Stadtteile stärker betroffen

Dabei kam heraus: Je größer die Kaufkraft und je qualifizierter der berufliche Abschluss, umso niedriger ist das Risiko, sich mit Corona zu infizieren. Umgekehrt zeigt sich: Stadtteile mit vielen Hochhäusern oder vielen Nahverkehrsangeboten sind stärker von der Pandemie betroffen.

„Hintergründe des Infektionsgeschehens sind durch mikrogeografische Analysen möglich und für Entscheider hilfreich“, sagt „Infas360“-Geschäftsführer Michael Herter. Für Hamburg wäre eine solche Auswertung unter Wahrung aller Auflagen des Datenschutzes ebenfalls möglich. Dazu bräuchte das Unternehmen allerdings die Datenbasis der Gesundheitsämter.

Auch in Hamburg: Ärmere Stadtteile stärker von Corona betroffen

Erst kürzlich veröffentlichte das „Hamburg Journal“ die Inzidenzen in den Stadtteilen seit Beginn der Pandemie. Es kristallisierte sich heraus: Die Jahresinzidenzen in den sozial benachteiligten Vierteln im Osten und Süden Hamburgs sind um ein Vielfaches höher als in gut situierten Wohngegenden. Da ist zum Beispiel die Veddel mit einer Jahresinzidenz von 7978, direkt vor Wilhelmsburg und Harburg, während sie in Eimsbüttel lediglich 2179 beträgt.

Erst Ende März sagte Falko Droßmann (SPD), Bezirksamtschef in Hamburg-Mitte, der MOPO, dass gesundes Leben kein Luxus sein dürfe. In Mitte gebe es die höchsten Infektionszahlen dort, wo die geringste Wohnfläche pro Person vorhanden sei.

Corona in Hamburg: Stigmatisierung soll vermieden werden

Die Sozialbehörde sagte der MOPO, dass die Daten der Stadtteile künftig regelmäßig online veröffentlicht werden. „Dies bereiten wir derzeit vor, können aber noch kein konkretes Datum nennen“, sagte Sprecherin Anja Segert.

Allerdings sei es Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) ein wichtiges Anliegen, dass die Debatte nicht allein über die vermeintliche Schuld oder Beteiligung einzelner Stadtteile geführt werde. „Das ist weder zielführend, noch bringt es uns weiter“, so Segert.

Arm und Corona: Hamburgs Linke mit Appell an den Senat

Es sei plausibel, dass die meisten der Infektionen nicht vom Wohnort sondern von anderswo stattfindenden Aktivitäten und beruflichen Tätigkeiten stammten. „Eine hohe Inzidenz im Stadtteil bedeutet nicht, dass dort die Ansteckungsgefahr höher ist“, heißt es abschließend. Aber sie bedeute möglicherweise, dass dort Menschen lebten, die durch ihren Job oder andere Umstände einer Infektion stärker ausgesetzt seien.

„Die Erkenntnisse aus Köln sind für uns nicht überraschend“, kommentiert Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken-Bürgerschaftsfraktion. „Ärmere Menschen haben ein höheres Infektionsrisiko. Es ist ein absolutes Armutszeugnis, dass der rot-grüne Senat trotz vorliegender Zahlen die soziale Dimension der Pandemie monatelang totgeschwiegen und die Menschen im Stich gelassen hat.“

Corona in Hamburg: Impfoffensive für benachteiligte Stadtteile?

Er fordert eine Impfoffensive für die in Hamburg besonders von Corona betroffenen Stadtteile Wilhelmsburg, Veddel, Billstedt und Harburg.

Dem stimmt Klaus Wicher, Hamburgs Landesvorsitzender vom Sozialverband Deutschland, zu. Er fordert den Senat zusätzlich auf, die Bedingungen des täglichen Lebens zu verbessern, zum Beispiel kostenlosen Zugang zu Bussen und Bahnen oder Sport und Kultur für Menschen mit geringem Einkommen. „Die Inzidenz ist Indiz dafür, dass Krankheit und Armut zwei Seiten einer Medaille sind“, so Wicher.

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