Ricky-Jade Jones bei einem Sprint

Auf und davon: Der neue St. Pauli-Stürmer Ricky-Jade Jones gilt als einer der schnellsten Fußballer - längst nicht nur in England. Foto: imago/Paul Marriott

Schnellster Spieler der Welt? Die irre Geschichte von St. Paulis neuem Turbo Jones

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Ricky wer? Es ist ein typischer St. Pauli-Transfer – mit Wow-Effekt auf den zweiten Blick. Kaum jemand hatte hierzulande den Stürmer Ricky-Jade Jones auf dem Schirm oder den Namen schon einmal gehört. In seiner Heimat England hat sich der Angreifer dagegen schon vor langer Zeit einen Namen gemacht und für Superlative gesorgt, die auch der Grund sind, warum sich der Kiezklub die Dienste des umworbenen 22-Jährigen gesichert hat. Seine beeindruckenden Qualitäten werden ihn auch aus seiner künftigen Mannschaft hervorstechen lassen. Aber wie schnell erreicht er im Gesamtpaket das Niveau, um in der Bundesliga eine Verstärkung und ein Unterschiedsspieler zu sein? Jones ist aber auch ohne Anlaufzeit ein heißer Anwärter auf eine Bundesliga-Bestmarke. Seine Entscheidung für St. Pauli trifft seinen Klub extra-hart.

Endlich wieder ein Zugang. Nach dem großen Aderlass an Stürmern nach der erfolgreichen Mission Klassenerhalt, der sowohl geplant (u.a. Eggestein, Albers), als auch ungeplant (Guilavogui) war, läuft jetzt das Projekt Neuaufbau an vorderster Front an und der Kiezklub hat mit dem Transfer von Jones den ersten Angreifer für die kommende Spielzeit an Bord geholt.

Ricky-Jade Jones – der erste neue Stürmer für St. Pauli

Jones kommt ablösefrei vom englischen Drittligisten Peterborough United Football Club, bei den Fans „The Posh“ genannt, und dürfte bei seinem neuen Verein einen Vertrag bis 2027 oder 2028 unterzeichnet haben. Hauptposition des 1,83 Meter großen Athleten: Mittelstürmer. Aber er kann auch auf Linksaußen spielen.


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St. Paulis Verantwortliche betonten im Zuge der Verpflichtung „Explosivität, Geschwindigkeit und Tempo“ der Neuerwerbung, aber diese doch sehr allgemeinen Attribute machen nur im Ansatz deutlich, was für einen Spieler die Kiezkicker bekommen. Nicht schnell, sondern sau-schnell, außergewöhnlich flott.

37,6 km/h! Jones war 2024 der schnellste Spieler der Welt

Im Jahr 2024 war Jones einer umfangreichen Datenerhebung und Statistik zufolge sogar der schnellste Fußballspieler der Welt, unabhängig von Land und Spielklasse. Gemessen wurde der Mittelwert aus den fünf höchsten Geschwindigkeiten, die ein Spieler im Laufe der Saison erreicht hat, und die Offensivrakete kam auf einen sagenhaften Wert von 37,6 km/h. Das machte Schlagzeilen auf der Insel.

Ricky-Jade Jones wurde am Samstag vom FC St. Pauli als Neuzugang präsentiert. FC St. Pauli
Ricky-Jade Jones posiert am Trainingsgelände des FC St. Pauli an der Kollaustraße
Ricky-Jade Jones wurde am Samstag vom FC St. Pauli als Neuzugang präsentiert.

Zum Vergleich: Der aktuelle Allzeit-Geschwindigkeitsrekord in der Bundesliga für einen Einzelsprint liegt bei 37,16 km/h, aufgestellt vom Frankfurter Jean-Mattéo Bahoya im März dieses Jahres gegen den VfL Bochum. Er ist der überhaupt erste Bundesligaspieler, der die 37er-Marke durchbrochen hat. Mit Beginn der kommenden Saison könnte der Rekord wackeln.

Ein „Wunderkind“ mit Marcus Rashford als Vorbild

Die 100-Meter-Bestzeit von Jones – gemessen während seiner Zeit auf der Jugendakademie seines Heimatvereins Peterborough FC – steht bei 10,9 Sekunden. Das sind 1,5 Sekunden langsamer als Sprint-Ikone Usain Bolt bei seinem Weltrekord über diese Strecke war, um mal den Speed des neuen Kiezkickers in Relation zu setzen.

Kein Wunder, dass das in Peterborough geborene Talent früh im Visier von englischen Topklubs war. Als 17-Jähriger wurde Jones in englischen Medien als „Wunderkind“ gefeiert, der FC Liverpool, der FC Arsenal und Manchester United buhlten um seine Dienste, wie sein Verein bestätigte. Sein rasanter und dynamischer Spielstil wurde mit dem von Marcus Rashford (Manchester United) verglichen, den er mal als eines seiner sportlichen Vorbilder bezeichnete, Leicester-City-Legende Jamie Vardy ebenfalls.

Jones bringt St. Pauli benötigte Hochgeschwindigkeit

Jones gibt den Kiezkickern, was es in der laufstarken Mannschaft bislang zu wenig gab, insbesondere ganz vorn: außergewöhnliches Tempo und eine hohe Endgeschwindigkeit, auch in langen Laufduellen, wenngleich Morgan Guilavogui und auch Noah Weißhaupt in den vergangenen Monaten mit ihren Sprints für Belebung auf dem Rasen und Begeisterung auf den Rängen gesorgt hatten. Aber beide Leih-Angreifer kommen – Stand jetzt – nicht wieder.

St. Pauli hat Jones aber nicht verpflichtet, um mit ihm zusätzlich zu den bestehenden 25 sporttreibenden Abteilungen des Vereins nun auch noch eine Leichtathletiksparte zu etablieren. Er ist nicht nur schnell und explosiv, er ist durchaus auch torgefährlich.

Gefährlich: Jones erzielte 18 Tore in 46 Saisonspielen

In der abgelaufenen Spielzeit hat die Offensivrakete in wettbewerbsübergreifend 46 Pflichtspielen 18 Tore erzielt und vier vorbereitet. Die bislang beste Saison von Jones, der in seinen insgesamt 203 Partien für das erste „Posh“-Team (110 in der Startelf) 43 Treffer verbucht hat.

Eine stolze und ungewöhnlich hohe Anzahl von Spielen für einen noch so jungen Spieler. Das liegt daran, dass Jones bereits im Alter von 16 Jahren in der ersten Mannschaft debütiert hatte, nachdem er wenige Wochen zuvor noch als Balljunge bei einem Heimspiel der Profis im Einsatz gewesen war. Als 17-Jähriger unterschrieb er seinen ersten Profivertrag, erzielte im ersten Spiel danach prompt ein Tor. Sein Trainer und großer Förderer war bis zuletzt Darren Ferguson, Sohn des legendären Sir Alex Ferguson.

Was kann Jones richtig gut – und was nicht?

Der Turbo mit Vollstrecker-Qualitäten ist kein eindimensionaler Spieler. Wer sich seine Tore anschaut, merkt: Jones setzt sich nicht nur regelmäßig in Laufduellen gegen Abwehrspieler durch, überläuft sie oder lässt sich förmlich stehen und setzt dabei auch geschickt und robust seinen Körper ein. Er ist auch im Strafraum stark und dabei nicht nur aufgrund seiner Dynamik oft einen Schritt (oder Zentimeter) früher am Ball, sondern auch aufgrund seiner Handlungsschnelligkeit, wie zahlreiche Abstaubertore zeigen, bei denen er sich im richtigen Moment ab- oder durchgesetzt hat. Im Abschluss ist der Rechtsfuß auch mit Links erfolgreich.

Ist Ricky-Jade Jones der nächste Volltreffer von St. Pauli-Sportchef Andreas Bornemann? FC St. Pauli
St. Pauli-Sportchef Andreas Bornemann mit Ricky-Jade Jones
Ist Ricky-Jade Jones der nächste Volltreffer von St. Pauli-Sportchef Andreas Bornemann?

Auch im Spiel gegen den Ball hat Jones laut St. Pauli-Trainer Alexander Blessin Qualitäten und sei „enorm mannschaftsdienlich im Pressing und beim Umschalten in die Defensive“. Allerdings sind diesbezüglich die Anforderungen an die braun-weißen Stürmer besonders hoch und Jones wird an sich arbeiten müssen. Als klar ausbaufähig gilt sein Pass- und Kombinationsspiel sowie die Genauigkeit seiner Flanken. Auch technisch kann er sein Spiel verfeinern. Sein Spiel ist noch lange nicht ausgereift. Der Kiezklub will weiteres Potenzial heben, den Spieler auf das nächste Level bringen.

Erster Vereinswechsel für Jones seit dem 9. Lebensjahr

Was nicht vergessen werden darf: Für Jones ist der Wechsel ein sehr großer Schritt. Aus der dritten englischen Liga in die Bundesliga zu wechseln, ist eine erhebliche sportliche Herausforderung. Darüber hinaus ist es seine erste Auslandsstation und überhaupt sein erster „anderer“ Verein. Er wird sich erst akklimatisieren müssen. Innerhalb der Mannschaft, in der vor allem Englisch gesprochen wird, dürfte ihm das leichter fallen als die Adaption an die höchste deutsche Spielklasse, wo er sich künftig gegen Verteidiger auf internationalem Topniveau wird durchsetzen müssen. Das wird vermutlich Zeit benötigen, wenngleich ihn seine Geschwindigkeit auf Anhieb zu einem Kandidaten für Einwechslungen machen könnte oder dürfte.

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Gut möglich, dass ihm Premier-League-Klubs dann doch nicht den ganz großen Karriereschritt zugetraut haben und Jones auch deshalb bis zuletzt in Peterborough stürmte. Allerdings gab es im vergangenen Sommer ein bestätigtes Interesse von Newcastle United, ein Angebot von Sheffield United und im Winter wollte ihn Cardiff City verpflichten. Und auch jetzt gab es Berichten zufolge mehrere Anfragen und konkrete Angebote aus der englischen Championship, der zweithöchsten Spielklasse, in der auch er zwischenzeitlich mit Peterborough spielte.

Viele Angebote: Warum blieb Jones so lange in Liga drei?

Auf der anderen Seite bewies Jones in den vergangenen Jahren immer wieder Bodenständigkeit und Treue, bezeichnete seinen Heimatverein als die für ihn beste Station, um sich mit garantierter Spielzeit und klarer Rolle weiterzuentwickeln – für den entscheidenden Schritt nach Auslaufen des Vertrages. Peterborough gilt als guter Ausbildungsverein und als Sprungbrett.

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Dass Jones nicht bei einem englischen Klub unterschrieben hat, sondern bei St. Pauli, ist für Peterborough extrem bitter. Normalerweise erhalten Vereine in England eine Ausbildungsentschädigung, wenn eigene Spieler unter 24 Jahren zu einem anderen Verein wechseln, selbst wenn sie ablösefrei gehen. Das gilt aber nicht für ausländische Vereine. In dem Fall wird nur eine deutlich geringere sogenannte Trainings-Kompensation fällig, weshalb sich die Peterborough-Bosse einen Wechsel innerhalb der Landesgrenzen gewünscht hätten und auch gar keinen Hehl daraus machen.

Jones kein direkter Ersatz für Guilavogui und Eggestein

Bei St. Pauli ist Ricky-Jade Jones nicht als Ersatz für Morgan Guilavogui oder Johannes Eggestein (der ein völlig anderer Spielertyp ist) zu sehen, sondern vielmehr als neuer Stürmer mit viel Erfahrung und zugleich viel Potenzial, der für ein neues Element im Kader sorgt, das ohnehin seit längerem benötigt und gesucht wurde: Hochgeschwindigkeit. Anders gesagt: für die zweite Mission Klassenerhalt legt St. Pauli bei der Kaderplanung einen Zahn zu. Und Jones ist erst der Anfang.

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