„Naddel“ Abd el Farrag: Warum uns die Tragödie einer gescheiterten Frau so berührt
Nadja Abd el Farrag ist tot – überraschend ist die Nachricht eigentlich nicht, der Niedergang vollzog sich über Jahre und in aller Öffentlichkeit. Und trotzdem berührt der frühe Tod der Frau, die alle unter dem verballhornten Namen kannten, den Dieter Bohlen ihr einst verpasste. Warum geht uns ihr Schicksal nahe? Vielleicht hat es etwas mit dem dramatisch gescheiterten Leben zu tun.
Naddel hat sich zu Tode gesoffen, so kann man es wohl zusammenfassen. Sie wurde nur 60 Jahre alt. Dass sie schon in ihren frühen Zwanzigern mit dem Alkohol angefangen hat, dass sie den Sekt schon in der Tötensener Bohlen-Villa versteckte, daraus hat sie nie einen Hehl gemacht. Fotos aus der Zeit zeigen eine bezaubernd schöne junge Frau – und einen Mann, der damals viel mehr Furchen im Gesicht hatte als heute.

„Normal mit 28 heiraten und zwei Kinder bekommen“, das sei ihr Traum gewesen, sagte sie später mal, und wer weiß, vielleicht hätte sie das auch hinbekommen, hätte sie bloß mal den Absprung zurück ins Normale geschafft. Hat sie aber nicht, wollte sie wohl auch nicht, denn offenbar war die Öffentlichkeit für sie ebenso eine Droge wie der Alkohol. Schlecht für Körper und Seele, aber nicht von loszukommen.
Naddel fehlte Veronas Abgezocktheit
Und irgendwie kommt man nicht herum um den Vergleich mit der zweiten Bohlen-Ex, Verona Pooth, deren Namen nicht verhunzt wurde und die das Rampenlicht nach der Blitz-Ehe mit dem Dieter so viel geschickter nutzte. Dabei konnte Verona auch nicht doll singen, war auch keine begnadete Moderatorin und optisch waren beide eine glatte 10 von 10, wie man heute sagen würde.

Der Unterschied: Nadja fehlte Veronas Abgezocktheit. Die eine nimmt sich selbst auf die Schippe und macht Millionen mit ihrer vermeintlichen Begriffsstutzigkeit, die andere lässt komplett ironiefrei ihre Brüste wiegen und tritt irgendwann als Lachnummer am Ballermann auf. Trash. Kann man machen, braucht man aber ein viel dickeres Fell für, als Nadja Abd el Farrag es hatte.
Scheitern als Chance? Blödsinn
Naddel, das war der totale Widerspruch zu all der weiblichen Selbstermutigung à la „hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitermachen“. Sie hatte kein Krönchen zum Richten, sie fiel betrunken aus Clubs, den Fotografen in die Arme. Mal war sie eine Weile weg vom Fenster, dann wieder tauchte sie in der Öffentlichkeit auf, in der RTL-Schuldenshow, beim Promiboxen, Big Brother, im Dschungelcamp natürlich, später in Beiträgen über ihre Wohnungslosigkeit und ihre desolaten Finanzen. Scheitern als Chance? Blödsinn. Scheitern ist meistens einfach nur Scheitern. Und Scheitern ist Scheiße.

Kein feministisches Vorbild
Mal wohnte sie hier, ohne ihre Rechnungen zu bezahlen, dann kellnerte sie da, dann arbeitete sie dort in einer Bäckerei. Immer dünner wurde sie dabei, auf jedem Foto die staksigen Alkoholikerbeine – aber wenn Naddel sprach, war da nirgends eine Spur von Zynismus, immer nur eine wenig verhohlene Sehnsucht, gemocht zu werden. Aus feministischer Sicht wenig brauchbar als Vorbild, weil immer irgendein Mann als Retter mit im Spiel war.
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Verletzungen und Verletzbarkeit sieht man nicht oft in einer Zeit, in der Influencerinnen sorgfältig kuratierte Tränenvideos erstellen und andere Trash-Promidamen mit einer „Sei schlau, stell dich dumm“-Attitüde Geld scheffeln. Vielleicht ist genau das der Grund, warum der Tod der öffentlichen Frau Nadja Abd el Farrag so viele Menschen dann doch überraschend tief berührt. Scheitern und nicht wieder aufstehen, das kennt jeder.
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