Silvan Hefti, Tom Mickel, Merlin Polzin, Robert Glatzel und Ransford Königsdörffer stehen enttäuscht vor der HSV-Kurve auf Schalke

Kollektiver Frust: Merlin Polzin, Robert Glatzel, Ransford Königsdörffer (v.l.) und Co. standen enttäuscht vor der HSV-Kurve auf Schalke. Foto: imago images/Lobeca

„Macht den Kopf verrückt“: Wackelt jetzt doch wieder der HSV-Aufstieg?

Jonas Meffert benötigte nur drei Worte, um das Geschehene vom Samstagabend auf den Punkt zu bringen. „Das ist scheiße.“ Unnötig, könnte man angesichts von 90 Minuten in Überzahl auch sagen. Oder fahrlässig, wenn man bedenkt, dass die Konkurrenz mit Patzern vorgelegt hatte. „Wir sind selbst schuld“, klagte Meffert daher nach dem 2:2 auf Schalke. „Das tut weh heute.“ Denn der HSV ist selbst dafür verantwortlich, dass vier Spieltage vorm Saisonende wieder die alljährlichen Fragen aufkommen. Muss man sich jetzt ernsthaft sorgen?

Das Remis wirkte nach. Weil es bedeutete, dass der HSV erstmals seit Dezember wieder zweimal in Folge sieglos ist. Weil die von Davie Selke angekündigte Reaktion auf das 2:4 gegen Braunschweig ausgeblieben ist – sowohl, was das Ergebnis betrifft, als auch die Leistung, die besser war als in der Vorwoche, aber dennoch eines Spitzenreiters, der ab der 3. Minute in Überzahl spielte, nicht würdig. Und weil der neue Tabellenführer Köln (3:1 gegen Münster) sowie der neue Tabellendritte Magdeburg (3:0 gegen Regensburg) ihre Pflichtaufgaben am Sonntag meisterten. Statt den Vorsprung auf Rang drei auf sechs Punkte zu erhöhen, ist ebendieser nun auf vier Punkte geschmolzen.

HSV nicht mehr Tabellenführer – wovor Elfadli nun warnt

Panik? Wäre der völlig falsche Ratgeber. Zumal die HSV-Profis wissen, welche Erzählungen nun auf sie einprasseln könnten. „Die Lösung ist, dass wir zusammenbleiben, bei uns bleiben und uns nicht so viel darauf fokussieren, was von außen kommt, was da geredet wird“, erklärte Daniel Elfadli und bekannte im selben Atemzug: „Denn das macht den Kopf verrückt.“ Schon in der Veltins Arena war zwischen den Ohren der HSV-Profis Nicht-Förderliches passiert.



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„Wenn man ein Mann mehr ist, spielt irgendwann der Kopf eine Rolle“, wusste Merlin Polzin. Das Selbstverständnis lasse einen dann davon ausgehen, „dass man das Spiel locker gewinnt“. War aber nicht so. Und das hatte Gründe, alte wie neue. Bis zum 3:0 in Nürnberg vor zwei Wochen war der HSV voll auf Kurs. Und auch beim Sieg in Franken war Polzins Team früh in Überzahl, da aber wegen mangelhafter Effizienz noch selbst schuld, dass das Endergebnis nicht viel höher ausfiel. Das war diesmal anders – denn die 25 Torschüsse auf Schalke täuschen darüber hinweg, dass der HSV am Samstag zu wenig klare Chancen herausspielte. „Da muss auf jeden Fall mehr von uns kommen“, gab Elfadli zu. „Da waren wir nicht zwingend genug, wir haben keine richtige Dynamik in unsere Angriffe bekommen. Dann wird es schwierig.“ Und das Alarmierende ist: Beim 2:4 gegen Braunschweig hatte es ähnlich ausgesehen.

„Unser Verschulden“: HSV spielte in Überzahl zu schwach

Nach der Heimpleite gegen die Eintracht bemängelte Polzin zu viele Pässe nach hinten, zu wenig Mut, generell zu wenig von dem, was das Offensivspiel seit seiner Übernahme gekennzeichnet hatte. Und auch wenn die beiden Tore von Emir Sahiti (41./43.) jeweils gut herausgespielt waren: Die letzte Entschlossenheit ging dem HSV nun auch auf Schalke ab. „Es ist unser Verschulden“, sagte Polzin, „dass wir es nicht geschafft haben, das dritte Tor zu machen.“ Das hatte sich der HSV aber auch nicht verdient. Vielmehr deutete sich das Ausgleichstor in der Schlussphase an.

„Das ist nicht unser Anspruch“, sagte Elfadli, der minütlich zum Befreiungsschlag hatte ansetzen müssen. „Aber wir waren nicht passiv, sondern haben permanent das Spiel kontrolliert und waren in jeder Gegenpressing-Aktion da“, argumentierte Polzin und hätte auch auf die 70 Prozent Ballbesitz verweisen können. „Aber das Tempo muss viel höher sein“, monierte Ludovit Reis und sprach damit ein offensichtliches Problem der jüngsten beiden Partien an.

Dazu kommt: Gegen Braunschweig hätte Polzin, auch wenn er das nicht als Ausrede nutzte, auf die Ausfälle von Miro Muheim (verletzt) und Reis (gesperrt) sowie auf die notwendigen Bankplätze für die da noch angeschlagenen Dennis Hadzikadunic und Meffert verweisen können. Letzteres Trio kehrte nun zurück – verhalf dem HSV als Achse allerdings zu kaum Stabilität. Konsequenz: sechs Gegentore in zwei Partien. In den sieben zuvor waren es nur fünf.

Rätsel um Selke-Rolle: Polzins Matchplan ging nicht auf

„Am Ende sind auch auf Schalker Seite ein paar Jungs da, die richtig Qualität haben“, suchte Polzin nach Gründen. Auch der HSV-Trainer lag mit seiner Personalauswahl diesmal daneben. Polzin kann nichts dafür, dass ihm mit Muheim ein absoluter Eckpfeiler fehlt, und auch die taktische Idee mit Ransford Königsdörffer hätte wie beim 3:0 in Magdeburg aufgehen können, wenn Kenan Karaman nicht früh vom Platz geflogen wäre, weshalb die Schalker Statik sich änderte. Einzig: Der Matchplan ging nicht auf. Die eine richtige Sichtweise ist: Polzin konnte den Spielverlauf nicht ahnen. Die andere aber ist: Wenn man etwas riskiert, indem man in Davie Selke den Führenden der Zweitliga-Torschützenliste 82 Minuten lang auf der Bank sitzen lässt, sollte es aufgehen. Zumal in dieser heißen Saisonphase.

Nicht nur beim 0:1 durch Ron Schallenberg: Der HSV war auf Schalke defensiv einige Male wacklig. imago/Team 2
Schallenberg trifft zum 1:0 für Schalke
Nicht nur beim 0:1 durch Ron Schallenberg: Der HSV war auf Schalke defensiv einige Male wacklig.

Dass auch Polzin Fehler begeht, muss man ihm zugestehen. Deren Zeitpunkt in Kombination mit ausbleibenden Ergebnissen sowie Bildern, wie sie Jean-Luc Dompé und William Mikelbrencis durch ihren Disput nach Schlusspfiff produzierten, sorgt nun jedoch automatisch für Fragen wie: Ist sie zurück, die angeblich jedes Jahr wiederkehrende Aufstiegsangst des HSV? „Es bringt überhaupt nichts, sich jetzt verrückt zu machen“, betonte Meffert. „Ich kenne meine Mannschaft, ich weiß, wie wir in der ganzen Rückrunde gespielt haben.“ Nämlich „sehr, sehr erfolgreich“. Der Punkteschnitt ist erstmals unter Polzin unter die 2,00-Zähler-Marke gerutscht, aber weiter aufstiegstauglich (1,92).

HSV-Profi Meffert: „Gut, wenn wir uns mal nicht sehen“

Das macht Hoffnung vor den restlichen vier Spielen, in denen nur zwei Siege zum Direktaufstieg reichen könnten. „Wir hätten Big Points holen können, haben aber leider nur einen geholt“, bedauerte Meffert zwar, ergänzte aber: „Das sollte man nicht schlechter reden als es ist, weil die Spiele weniger werden.“ Vier Partien sind es noch und jetzt vier Punkte Vorsprung auf Magdeburg und fünf auf das Trio Elversberg, Paderborn, Düsseldorf. Der Fakt, dass die Konkurrenten noch reihenweise aufeinandertreffen, könnte zusätzlichen Mut geben, sollte das Handeln des HSV aber nicht bestimmen. „Wir wollen das beeinflussen, was wir beeinflussen können“, hatte Polzin schon gesagt, bevor die Sorgen der Fans nun zurückkehrten. Sie sind für den Moment berechtigt. Zumal alle Aufstiegsrivalen bis auf Köln und Kaiserslautern am nächsten Spieltag vorlegen werden – und den Druck auf den HSV noch mal erhöhen können.

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Aber die Angst-Debatten können auch sehr schnell wieder weg sein. „Es ist auch mal gut, wenn wir uns ein, zwei Tage nicht sehen“, blickte Meffert am späten Samstagabend voraus. „Dann geht es wieder los.“ Und dann folgten drei andere Worte, die der HSV zum Motto nehmen sollte, um alle Zweifel zu beseitigen: „Vollgas gegen Karlsruhe.“

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