HSV-Drama in Sandhausen: Die traurigste Aufstiegs-Party aller Zeiten
Die Szenen müssen schnell raus aus den Köpfen, aber das sagt sich so leicht. Sie waren ja eigentlich schon am Ziel. Doch nachdem der HSV in Sandhausen bereits seinen Aufstieg feierte und unsanft wie nie auf dem Boden der Tatsachen landete, steht nun die Verlängerung an. Relegation gegen Stuttgart. Und das nach der traurigsten Aufstiegs-Party aller Zeiten.
Das muss erstmal verdaut werden, keine Frage. Während die einen am Montagvormittag wieder ihrer Arbeit nachgingen – ob sie es nun wollten oder nicht –, nahmen sich andere, die sonst freiwillig im Volkspark vorbeikommen, ihre Auszeit. Gähnende Leere beim Spielersatztraining der Profis, nicht mal Kult-Fan „Helm-Peter“ Dietz war da, und das soll was heißen. Nachwehen eines Tages, der einer der größten der Vereinsgeschichte hätte werden sollen. Der es eigentlich schon war. Bis doch noch dieses verfluchte letzte Tor in Regensburg fiel.
HSV-Fans lassen ihren Emotionen freien Lauf
Diesen Tag in Sandhausen werden sie niemals vergessen, ganz gleich, wie die Saison für den HSV nun enden wird. Den ekstatischen Jubel. Diese Befreiung nach fünf Jahren Zweitklassigkeit, dieses „Schaut her, wir sind wieder da!“ Dann die ersten Zweifel. Das Nicht-wahr-haben-wollen, gefolgt von grenzenloser Ohnmacht. Die Tränen bei Fans und Mitarbeitern des HSV. Und das alles unter dem Brennglas der Öffentlichkeit.
Jaja, der HSV halt, sagen nun viele. Typisch. Mal wieder zu früh gefreut. Aber das sind fürchterlich rationale Gedanken, die nichts mit Emotionen zu tun haben. Schon mal gar nicht mit denen, die mit der Wucht und Kraft dieses Vereins einhergehen und die sich in Sandhausen Bahn brachen. Niemand, der da jubelte, muss sich entschuldigen. Dieser Jubel war so echt wie der Irrglaube, dass er tatsächlich schon berechtigt wäre, ehe das Parallelspiel in Regensburg abgepfiffen sein würde.
HSV-Boss Boldt begriff schnell die Situation
Jonas Boldt war als einer der Wenigen schnell auf der sicheren Seite. Während direkt nach dem Abpfiff des eigenen 1:0-Sieges um ihn herum der Wahnsinn des Glücks ausbrach, beschlich den HSV-Sportvorstand schnell ein mulmiges Gefühl. Trainer Tim Walter war wild jubelnd aufs Spielfeld gerannt, warf eine Wasserflasche in Richtung Himmel und hatte plötzlich tausende Fans um sich herum. Boldt aber ging in eine Loge. „Ich hatte die Info bekommen, dass es in Regensburg elf Minuten Nachspielzeit gibt“, sagte er. Das wollte er sehen. Als er in der Loge ankam und auf den Fernseher starrte „fiel gerade das 2:2 für Heidenheim. Dann guckst du auf die Uhr, willst überbrücken, aber das waren sehr lange Minuten und am Ende, wie es dann halt so ist, wird alles nach vorne geworfen.“ Dann war der Ball drin. Und die HSV-Party gecrasht.
Dass sie überhaupt so ausufern konnte, lag auch an technischen Problemen. Jeder, der in Sandhausen vor Ort war, kann ein Lied davon singen. Mal funktionierte das Netz und damit Smartphones und Laptops. Dann wieder nicht. Eine Falschinformation reichte, um sich sofort wie ein Lauffeuer zu verbreiten. So in etwa ist auch zu erklären, dass Walter zu früh jubelte. Er wusste einfach nichts von der ellenlangen Nachspielzeit in Regensburg. Zudem gratulierte Sandhausens Stadionsprecher zum Aufstieg. Ein Irrsinn, für den sich der SVS später entschuldigte. Auch der Mann am Mikro hatte den Überblick verloren.
Walter richtete den Blick zügig nach vorne
Walter brauchte ein paar Minuten, um sich zu berappeln. „Natürlich ärgern wir uns und sind enttäuscht“, so der Trainer. „Es war sehr emotional. Aber es geht weiter. Dieser Mannschaft traue ich alles zu.“
Boldt hatte derweil die Fans über das Stadion-Mikrofon beruhigt. „Das ist bitter gelaufen“, erklärte der angefasste HSV-Boss. „Leider gehört das zum Sport dazu. Das Ding ist noch nicht zu Ende. Wenn wir alles noch mal in die Waagschale legen, ziehen wir das halt mit einer Extra-Runde durch.”
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Etwa 12.000 Fans hatten den HSV nach Sandhausen begleitet. Ein gigantischer Support. Nun zieht die Karawane weiter. Hofft, zittert und bangt. Nach der so traurigen Aufstiegs-Party, die im Nachhinein sehr weh tut und doch Lust auf so vieles mehr machte. „Wir sind der HSV“, sagte ein Fan, während er das Stadion verließ und mit den Schultern zuckte. „Sowas gehört bei uns dazu. Jeder von uns weiß das.“ Muss halt weitergehen. Irgendwie.
So lief der Nachmittag im Zeitraffer:
15.32 Uhr: Keine drei Minuten sind in Sandhausen absolviert, da hämmert Jean-Luc Dompé die Kugel volley unter die Latte. Das 1:0 – ab diesem Moment ist der HSV aufgestiegen!
16.41 Uhr: Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht von Regensburgs 1:0-Führung gegen Heidenheim auf den Tribünen. Die HSV-Fans sind außer Rand und Band.
16.47 Uhr: 2:0 für Regensburg! In Sandhausen schlagen viele HSV-Fans die Hände über dem Kopf zusammen und reißen dann die Arme in die Höhe. Der Aufstieg ist so nah …
16.48 Uhr: Heidenheim verkürzt in Regensburg. Das geht im Jubel der Hamburger Fans fast unter, der FCH bräuchte ja immer noch zwei Tore, um den HSV von Platz zwei zu verdrängen.
17.10 Uhr: Hunderte HSV-Fans sitzen bereits auf den Zäunen und machen sich für einen Platzsturm bereit. Sandhausens Stadionsprecher verspricht: „Bleibt ruhig! Die Tore werden gleich zum Feiern geöffnet.“
17.22 Uhr: Schlusspfiff in Sandhausen! Der HSV siegt, tausende Fans stürmen das Spielfeld, auch die meisten HSV-Offiziellen jubeln. Die Spieler blicken mitunter ratlos zur Bank, trauen dem Braten noch nicht so ganz. In Regensburg wird derweil auf Strafstoß für Heidenheim entschieden …
17.23 Uhr: Es wird eng! Heidenheim trifft zum 2:2. Und es sind noch weitere acht Minuten Nachspielzeit zu gehen. Sandhausens Stadionsprecher hingegen brüllt: „Herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg an den HSV!“
17.29 Uhr: Heidenheim trifft zum 3:2. In Sandhausen wird in allen Ecken kollektiv aufgestöhnt. Ist das wirklich wahr? Das darf doch nicht wahr sein!
17.36 Uhr: Abpfiff in Regensburg! Der HSV muss in die Relegation. Fassungslosigkeit und Entsetzen überall. Wieder Drama, wieder der HSV. Wie oft denn noch?