Erstaunlich: Darum ist ein HSV-Profi der beste Passgeber der Bundesliga
BVB-Profi Nico Schlotterbeck (25) gab am Sonntag Anschauungsunterricht darüber, was es heißt, Risikopässe zu spielen. Der Verteidiger schlug bei seinem Comeback nach sechs Monaten Verletzungspause direkt zwei Diagonalbälle, um „ins Spiel zu kommen“, wie er nach dem 1:0 gegen den VfL Wolfsburg erklärte. Blöd nur: „Die waren gar nicht gut.“ Schlotterbeck ist ein Profi, der es liebt, für mutige Seitenverlagerungen zu sorgen – auch wenn seine Passquote darunter leiden mag. Zum Vergleich: Sein Dortmunder Abwehrkollege Waledmar Anton steht hier nach vier Spieltagen bei starken 94,39 Prozent und ligaweit auf Platz vier. Ganz vorn? Ein HSV-Profi.
Es ist nicht so, dass Daniel Elfadli das Risiko meidet. Der 28-Jährige zeichnet sich durch seinen mutigen Abwehrstil aus. In jeder Partie antizipiert er die offensiven Abläufe und Pässe des Gegners, um dann plötzlich aggressiv nach vorn zu verteidigen und die Bälle zu erobern. Und auch offensive Vorstöße kommen bei dem HSV-Allrounder nicht zu kurz: Beim 2:1 gegen Heidenheim etwa wählte er beim Stand von 0:0 den tiefen Laufweg in den Sechzehner der Gäste, um sich dort hoch von Miro Muheim anspielen zu lassen. Elfadlis Schuss wurde schließlich geblockt (20.).
HSV-Verteidiger Daniel Elfadli hat ligaweit beste Passquote
Das Kerngeschäft des Deutsch-Libyers jedoch liegt natürlich woanders. Sein Hauptjob einerseits: das Verteidigen. Und zum anderen: der Spielaufbau des HSV. Erstaunlich: Elfadli, der nach seinem 45-Minuten-Joker-Auftritt in München (0:5) gegen die Heidenheimer in die Startelf zurückkehrte, ist laut der offiziellen Bundesliga-Statistik der bislang passsicherste Profi des Oberhauses. 96,32 Prozent seiner Zuspiele brachte er an den ersten vier Spieltagen demnach zu einem Mitspieler. Hinter ihm liegt mit etwas Abstand Gladbach-Profi Nico Elvedi auf Platz zwei (94,55 Prozent), dahinter folgen Jonathan Tah (FC Bayern, 94,53 Prozent), Anton und Willi Orbán (Leipzig, 93,85 Prozent).

Auffällig und wenig überraschend ist: Die ligaweite Top-5 besteht ausschließlich aus Innenverteidigern. Sie sind für den Spielaufbau zuständig, und das in der Regel in Hauptverantwortung – deshalb sollten ihre Passquoten stimmen. Ausnahmen können Spieler wie Schlotterbeck sein, die den Gegner mit mutigen Zuspielen aushebeln wollen. Auch Luka Vuskovic hat ein Faible fürs Risiko, das offenbarte die erste Hälfte vom Samstagnachmittag. Als Heidenheims Stürmer den Kroaten unter Druck setzten, wählte er mehrfach den Pass in die Mittelfeld- oder sogar Angriffslinie des HSV – und verschuldete wegen fehlender Präzision Ballverluste. Seine Quote lag letztlich bei rund 82 Prozent.
Vieira mit super Passeffizienz – Elfadli gibt HSV Sicherheit
Elfadli dagegen, der den „Opta“-Daten zufolge 60-mal am Ball war, brachte starke 98 Prozent seiner Pässe an den Mann (59 von 60). Das dürfte aber auch daran liegen, dass der Ex-Magdeburger lieber sichere als (zu) riskante Zuspiele wählt, um Ballverluste und Gegenstöße zu vermeiden. Statistiken dazu gibt es nicht – zu erwarten ist aber, dass Elfadli als halblinker HSV-Innenverteidiger die meisten seiner Pässe zu Linksverteidiger Muheim, zu Keeper Daniel Heuer Fernandes oder zum zentralen Abwehrmann Vuskovic spielte. Auch den linken Achter im Mittelfeld, Fábio Vieira, dürfte Elfadli öfter gesucht und gefunden haben als den rechten, ballfernen (Nicolai Remberg).

Apropos Vieira: Der Portugiese überzeugte gegen Heidenheim nicht nur mit einem Assist und Kabinettstückchen, sondern auch mit einer sehr guten Passeffizienz. Diese Statistikkategorie „vergleicht die Anzahl der angekommenen Pässe mit der Anzahl der erwarteten Pässe, die den Mitspieler finden“, wie es auf bundesliga.com heißt. „Dazu wird jedem Pass mittels KI eine Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Passes zugeordnet. Wenn ein Spieler eine positive Passeffizienz aufweist, hat er also mehr Pässe an den Mitspieler gebracht als vorausberechnet.“ Vieira brachte es auf einen Wert von 4,0, dahinter folgten Ransford Königsdörffer (1,9) und Robert Glatzel (1,1) – und nicht Elfadli.
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Dennoch ist es beachtlich, dass der Defensivmann des HSV das Passqouten-Ranking der Bundesliga zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison anführt. Zumal hinter Elfadli die ersten vier Oberhaus-Partien seiner Karriere liegen. Er gibt seiner Mannschaft mit seiner Passstärke Sicherheit, verschuldet durch fehlerhafte Risikozuspiele somit kaum Chancen des Gegners. Am Samstag, nach dem ersten Bundesliga-Erfolg seit siebeneinhalb Jahren, reichte Elfadli das Lob auch an die Mittelfeldspieler weiter: „Wir haben jetzt richtig gute Optionen, die uns im Spielaufbau helfen“, erklärte er. „Das ist eine Komponente, die uns vorher gefehlt hat.“ Und die sich positiv auf seine Top-Quote auswirkt.
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