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Ratlose Gesichter bei den HSV-Bossen
  • Ratlose Gesichter bei den HSV-Bossen um Michael Papanfuß (M.) nach der zweiten Abstimmung.
  • Foto: WITTERS

„Dann bin ich machtlos“: HSV-Ultras sorgen für Frust – kein weiterer Anteilsverkauf

Sie hatten alles gegeben in den vergangenen Wochen – und vor allem auch an diesem Samstag noch. Die HSV-Verantwortlichen warben intensiv, damit die Mitglieder den zwei Jahre lang ausgearbeiteten Plänen zur Struktur-Reform zustimmen würden. Michael Papenfuß, Leiter der Arbeitsgruppe Rechtsform, sprach auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung in Wilhelmsburg sogar von einer „Herzensangelegenheit“. Gegen 13.30 Uhr blickte er aber mit versteinerter Miene auf das Abstimmungsergebnis. Die wenigen Mitglieder vor Ort hatten zuvor zwar für die Rechtsformänderung in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) gestimmt und damit ihre Rechte gestärkt – beim zweiten Antrag wurde die erforderliche Drei-Viertel-Mehrheit aber eindeutig verfehlt. Mit der Konsequenz, dass der HSV nicht wie erhofft weitere Anteile verkaufen darf. Eine Schlappe und viel Frust – auch wegen einiger Ultras.

Das Ergebnis der ersten Abstimmung war so klar, dass Versammlungsleiter Kai Esselsgroth es mit bloßem Auge erkennen konnte: Mit einer annähernd einhundertprozentigen Mehrheit stimmten die Mitglieder nach zehn Jahren in der HSV Fußball AG für eine neue Rechtsform. Künftig gibt es eine Management AG inklusive dem operativ tätigen Vorstand, die seinerseits zu einhundert Prozent im Besitz des HSV e.V. ist. Und es gibt auf der anderen Seite der Komplementärstruktur eine KGaA, die die Vermögensseite abbildet.

Allerdings darf auch mit dieser KGaA künftig kein frisches Eigenkapital in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro generiert werden. Wegen des Votums, das den finanziellen Spielraum, der theoretisch möglich gewesen wäre, zunichte machte.

KGaA kommt – aber HSV kann nicht mehr Anteile verkaufen

Nur 272 Mitglieder (62,24 Prozent) stimmten dafür, dass der Anteil des HSV e.V. in der neuen KGaA auf mindestens 50 Prozent hätte sinken können, womit sich Verein für Investoren geöffnet hätte. Und obwohl die Gesellschafter in der neuen Rechtsform keinen Einfluss auf die operativen Geschäfte haben, votierten 165 Mitglieder gegen die noch einmal ausführlich vorgestellten Pläne. „Das hat uns natürlich nicht gefallen, aber das ist Demokratie“, sagte Papenpuß, als die Veranstaltung nach rund drei Stunden beendet war.

Michael Papenfuß zeigte sich enttäuscht WITTERS
Michael Papenfuß vom HSV
Michael Papenfuß zeigte sich enttäuscht

„Wir arbeiten weiter daran und fragen uns natürlich dann auch, was wir in der Aufklärung, in der Beantwortung dieser Themen hätten besser machen können. Dazu müssen wir noch einmal den Austausch mit den Mitgliedern suchen“, ergänzte Papenfuß und schaute währenddessen in einen bestimmten Bereich der edel-optics.de Arena, in der bei der analogen Abstimmung zahlreiche Wahl-Zettel nicht nach oben gingen. Deshalb musste – anders als beim ersten Antrag – beim zweiten die elektronische Abstimmung entscheiden. Mit dem für den HSV enttäuschenden Resultat. Die kleine Anzahl an Mitgliedern vor Ort wurde dem Verein zum Verhängnis.

„Ich bin gespalten, weil ich mir schon gewünscht hätte, alle mitzunehmen“, sagte Papenfuß. „Ich gehe gerne auf Punkte, die kritisch sind, ein, wenn sie mir gestellt werden. Aber wenn ich keine Fragen gestellt bekomme, die auf diesen Punkt einwirken, insbesondere aus der Ecke, wo wir gerade stehen, dann bin ich machtlos.“ Jedes Mitglied, das auf der Versammlung erscheine, habe eine Stimme, wusste der Vizepräsident. Zur Enttäuschung der HSV-Verantwortlichen waren es am Samstag in der Spitze aber nur knapp 450. Und darunter viele aktive Fans aus Ultra-Gruppierungen, die wohl gegen das Vorhaben stimmten.

Aufsichtsratschef Papenfuß nach Abstimmung „gespalten“

Mit dem Nein zu weiteren Investoren ist jedoch auch klar: „Der Supporters-Trust, was von mir aus in einer der ersten Arbeitsgruppen-Sitzungen auf das Tablett gebracht worden ist, kann jetzt nicht kommen, weil die Zustimmung für den zweiten Schritt nicht vorliegt“, sagte Papenfuß über das Projekt, das es jedem Anhänger und jeder Anhängerin ermöglicht hätte, sich künftig im Rahmen kleinerer oder größerer Beträge am HSV zu beteiligen.

„Wenn wir die Zustimmung kriegen, werden wir am Montag sofort damit loslegen“, hatte Supporters-Chef Sven Freese auf der Versammlung noch ein „einhundertprozentiges Versprechen“ abgegeben, dass man das Thema Supporters-Trust forcieren wolle.

Anteile von Kühne erhöhen sich trotz Mitglieder-Votum

Dazu wird es nun nicht kommen. Und auch nicht zu weiteren Gesprächen mit interessierten Investoren. Die Anteile von Kühne steigen in der beschlossenen KGaA aber trotzdem von bisher 13,54 auf 21,4 Prozent. Hintergrund ist, dass die Umwandlung seines 30 Millionen Euro schweren Wandel-Darlehens aus dem Juni 2023 fest mit dem Übergang in die neue Rechtsform verknüpft war. Der HSV e.V., der bis dato mindestens 75,1 Prozent der Anteile an der Fußball AG halten musste, hält damit künftig noch 68,2 Prozent an der KGaA. „Dahingehend wird auch die Satzung geändert“, erklärte Papenfuß.

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Der Wunsch der HSV-Bosse sah eigentlich vor, dass bis zu einer Eigenanteils-Grenze von mindestens 50 Prozent perspektivisch noch weitere Aktien gezeichnet hätten werden können. Diese Voraussetzung sollte mit dem entsprechen Votum geschaffen werden – was allerdings scheiterte. „Die Herausgabe weiterer Aktien ist aktuell nicht weiter möglich“, hielt Papenfuß fest. Auch das 20 Millionen Euro schwere Darlehen für die Stadion-Sanierung von vier Hamburger Geldgebern um Kühne aus dem Dezember 2022 kann, nachdem es ursprünglich eine Option dafür gegeben hatte, künftig nicht in Anteile gewandelt werden. Die Summe muss zurückgezahlt werden.

HSV-Bosse wollen weiter an den Reform-Plänen festhalten

Ist der Rechtsformwechsel also einer ohne Wert für den HSV? „Nein, überhaupt nicht. Wir haben eine Rechtsformänderung und den Stein zumindest ins Rollen gebracht“, versuchte es Papenfuß mit Optimismus. „Und wir haben, und das war ein Teil des ersten Abstimmungsschrittes, die 30 Millionen von der Kühne Holding in Eigenkapital gewandelt.“

Nur wenige Mitglieder fanden den Weg in die Basketball-Halle in Wilhelmsburg. WITTERS
HSV-Mitgliederversammlung
Nur wenige Mitglieder fanden den Weg in die Basketball-Halle in Wilhelmsburg.

Dieses Geld steht Finanz-Vorstand Eric Huwer, der ebenfalls eindringlich für die Pläne geworben hatte, zur Verfügung, um die Entschuldung voranzutreiben, um das Erlebnis Volksparkstadion zu stärken und um die finanzielle Risiko-Vorsorge zu erweitern. „Es wird keinen Großangriff geben“, sagte Huwer jedoch mit Blick auf sportliche Investitionen in Zukunft. Aber apropos Zukunft: Wie geht es in Sachen Struktur nun weiter? Werden die mühevoll ausgearbeiteten und von vielen kritischen Debatten begleiteten Pläne jetzt ad acta gelegt?

Papenfuß ärgert sich über wenige anwesende Mitglieder

„Ich schaue nach vorne“, verneinte Papenfuß diese Frage und deutete an, dass es nicht die letzte Abstimmung zu diesem Thema gewesen sein soll. Der Leiter der Arbeitsgruppe Rechtsform, in der nicht ohne Grund unter anderem auch Supporters-Boss Freese saß, will bei allem Unverständnis auf die aktiven Fans zugehen: „Ich würde gerne verstehen wollen, was deren Befindlichkeiten sind“, sagte Papenfuß, der sich zudem darüber ärgerte, dass von rund 80.000 stimmberechtigten Mitgliedern (insgesamt hat der HSV rund 109.000) nur so wenige der Versammlung beiwohnten.

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„Wenn ich dann hier 400 habe und davon 160 dagegen sind, dann kann man natürlich auch hochrechnen, wie viel Promillebereich eigentlich hier das Geschick des Vereins bestimmt“, monierte der 69-Jährige. „Ich glaube, dass das der falsche Ansatz ist.“ In der Hoffnung auf mehr anwesende Mitglieder bei einer neuerlichen Veranstaltung an einem anderen Ort schloss Papenfuß sein Fazit mit der Ansage: „Ich werde wieder angreifen.“ Der zweite Schritt der Abstimmung solle irgendwann wiederholt werden – die Möglichkeit für weitere Anteilsverkäufe ist also nicht für immer vom Tisch. Es bedarf aber eben der Gunst der Mitglieder.

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