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Lukas Klostermann (l.) und Peter Gulacsi sind Kollegen bei RB Leipzig – bei der EM spielen sie mit ihren Ländern gegeneinander.
  • Lukas Klostermann (l.) und Peter Gulacsi sind Kollegen bei RB Leipzig – bei der EM spielen sie mit ihren Ländern gegeneinander.
  • Foto: imago/MIS

Leipzig-Kollegen im Doppel-Interview: Gulacsi & Klostermann blicken auf EM-Duell

Sie haben so gut wie keine Geheimnisse voreinander. Seit sechs Jahren spielen DFB-Abwehrmann Lukas Klostermann (25) und Ungarns Keeper Peter Gulacsi (31) zusammen bei RB Leipzig, bei der EM gibt es nun ein Wiedersehen. Zwar fällt das direkte Duell morgen wegen Klostermanns Muskelverletzung ins Wasser – nicht aber die Fachsimpelei vor dem Anpfiff, zu dem die MOPO die beiden Teamkollegen einlud.

MOPO: Lukas Klostermann, seit sieben Monaten wussten Sie, dass Sie bei der EM auf Ungarn und Ihre Leipziger Teamkollegen Peter Gulacsi und Willi Orban treffen würden. Ausgerechnet jetzt mussten Sie sich verletzen …

Lukas Klostermann: Das ist sehr bitter, denn wir haben tatsächlich oft über das Spiel gesprochen. Aber nun werde ich natürlich von außen die Daumen drücken. Schade drum.

Peter Gulacsi: Ja, schade. Wenn dir ein Mitspieler im Länderspiel gegenüber steht, ist das speziell. Noch dazu bei einer EM. Aber vielleicht spielt ja Marcel Halstenberg gegen uns. Das wäre dann auch ein Leipziger Duell.

Deutschland-Ungarn: Erinnerung an „Wunder von Bern“

Wenn der normale Fan an Deutschland gegen Ungarn denkt, hat er sofort die Bilder von 1954 und dem Finale in Bern vor Augen.

Gulacsi: Oh, Mann …

Klostermann: Peters Reaktion sagt ja schon alles.

Gulacsi: Das war unsere Chance, Weltmeister zu werden. Im Nachhinein muss man sagen: Deutschland hätte uns doch einfach gewinnen lassen sollen! Sie hatten doch noch genügend WM-Titel danach …

Klostermann: Das alles liegt natürlich eine Weile zurück. Aber ich hatte mal das Glück, mit der deutschen U21 in Hamburg das Musical „Wunder von Bern“ besuchen zu dürfen. War schon interessant, mal die Story hinter all dem kennenzulernen.

Als deutscher Junge wuchsen Sie mit dem unerschütterlichen Selbstverständnis auf, dass das DFB-Team bei jeder EM und WM dabei sein würde. Mit welchem Turnier verbinden Sie Ihre ersten Erinnerungen?

Klostermann: Ich weiß noch, dass ich 2004 ein Computer-Game zur EM am PC gespielt habe. Da war ich acht, dieses Turnier habe ich als erstes bewusst erlebt.

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Na, herzlichen Glückwunsch! 2004 schied Deutschland sang- und klanglos in der Vorrunde aus und wurde verspottet.

Klostermann: Wahrscheinlich erinnere ich mich deshalb auch vor allem nur an das PC-Spiel (lacht). Im Ernst: Wir haben damals viele der EM-Spiele zusammen mit der Familie und mit Freunden gesehen, das waren schon besondere Wochen. Aber es stimmt: Dass Deutschland bei Turnieren mitspielte, war normal.

Gulacsi: Davon kann bei mir nicht die Rede sein. Als Ungarn 1986 das letzte Mal bei einer WM spielte, war ich noch nicht geboren. Als ich ein Kind war, fehlten wir immer.

Wie verfolgt man Turniere, wenn das eigene Land fehlt?

Gulacsi: Natürlich wünscht man sich, dabei zu sein. Aber es hat mich nicht groß gestört, weil ich es ja gar nicht anders kannte. Ich hatte trotzdem Spaß.

Torhüter entschieden über Gulacsis Lieblingsteams

Wem haben Sie alternativ die Daumen gedrückt?

Gulacsi: Ich hatte immer unterschiedliche Lieblings-Mannschaften. Meistens habe ich zu denen gehalten, bei denen ich die Torhüter mochte. Edwin van der Sar fand ich super, also war ich häufig für Holland. Mit Petr Czech und Tschechien war es ähnlich. Und als ich später bei Liverpool mit Pepe Reina zusammenspielen durfte, war ich bei Turnieren für Spanien.

Und dann änderte sich plötzlich alles für Sie …

Gulacsi: 2016 haben wir uns für die EM qualifiziert, nach 30 langen Jahren. Und ich durfte dabei sein. Das war wirklich großartig, zumal wir dann ja auch noch die Gruppe überstanden haben und ins Achtelfinale gekommen sind. Für unsere Verhältnisse war das ein großer Erfolg.

Nun sind Sie zum zweiten Mal in Folge bei der EM dabei. Kann man von einer kleinen Renaissance des ungarischen Fußballs sprechen?

Gulacsi: Es geht in jedem Fall in die richtige Richtung mit uns. Das sieht man auch daran, dass sich Vereine wie Ferencvaros oder Videoton zuletzt mal für die Champions League oder Europa League qualifiziert haben. Auch wir als Nationalteam sind in die A-Gruppe der Nations League aufgestiegen. Die Gegner werden nun immer schwerer, aber der Entwicklung tut das gut.

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Apropos schwere Gegner. Was denkt man, wenn man in eine EM-Gruppe mit Frankreich, Deutschland und Portugal kommt?

Gulacsi: Wir wussten ja, was auf uns zukommt, wenn wir die Qualifikation schaffen, unsere Gegner standen schon fest. Das sind drei der besten Teams der Welt. Klar kamen dann in der Kabine in Leipzig schnell mal Sprüche und Ansagen der Kollegen. Ich bin mir dessen bewusst,  dass wir nicht gerade der größte Favorit der Gruppe sind. Aber gegen Frankreich konnten wir ja bereits überraschen.

Was für einen Unterschied macht es, wenn plötzlich Superstars wie Kylian Mbappé und Ronaldo auf einen zulaufen und nicht Stürmer aus Bielefeld oder Augsburg?

Gulacsi: Ich kannte beide zum Glück schon aus der Champions League und von Länderspielen. Diese Qualität, in voller Geschwindigkeit unter Druck gute Entscheidungen zu treffen – das ist nochmal was anderes. Man weiß nie, was Spieler dieser Art als nächstes machen. Aber deswegen zählen Sie ja auch zu den besten der Welt.

Klostermann: Aber es ist tatsächlich von großem Vorteil, dass wir seit drei Jahren auch in der Champions League auf solche Spieler treffen. Das macht die Umstellung trotz aller Qualität jetzt nicht so schwer.

Gut informiert vor Leipzig-Duell? Gulacsi gibt „falsche Informationen“ weiter

Nach den Partien gegen Frankreich und Portugal folgt nun das direkte Duell Ihrer beiden Länder. Herr Klostermann, da Sie ja in Leipzig mit drei Ungarn zusammenspielen: Kann man davon ausgehen, dass Sie jetzt einer der wichtigsten Tippgeber im DFB-Team sind? Sie müssten ja alles über den Gegner wissen?

Klostermann: Ein bisschen was vielleicht.

Gulacsi: Wir geben immer falsche Informationen, er wird sich wundern …

Klostermann: Deshalb muss ich da ein wenig aufpassen, bevor ich hier mit Wissen prahle (lacht).

Ihren Keeper aber kennen Sie in- und auswendig. Was schätzen Sie an ihm?

Klostermann: Peter ist sehr, sehr stabil. Er ist nicht umsonst in Leipzig zum Publikumsliebling geworden. Obwohl lange keine Fans mehr da sein durften, habe ich die Sprechchöre für ihn noch immer im Ohr. Wir haben schon oft zusammen dafür gesorgt, dass bei uns hinten die Null stand.

Gulacsi: Die Blumen kann ich nur zurückgeben. Lukas und ich spielen seit sechs Jahren zusammen und mir fällt jetzt spontan kein einziger schwerer Fehler von ihm ein.

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Bei der EM aber dürften Sie gänzlich unterschiedliche Ziele haben.

Gulacsi: Die Gruppe zu überstehen, wäre ein riesiger Erfolg. Vielleicht ja als einer der vier besten Gruppendritten, da könnte schon ein Sieg reichen. Die Chance haben wir. Sollten wir es noch weiter schaffen, wäre das unbeschreiblich.

Klostermann: Wir wollen natürlich möglichst weit kommen und haben den Anspruch, im Laufe des Turniers unser Leistungsmaximum zu erreichen. Dann ist vieles möglich, ich bin da sehr optimistisch.

Ungarn kann „gute Rolle spielen“ – wie Griechenland 2004?

Sie werden sich erinnern, dass 2004 Griechenland sensationell Europameister wurde. Es war der bislang letzte bedeutende Titel für eine kleinere Fußball-Nation. Halten Sie so etwas heutzutage noch für möglich?

Klostermann: Ja, auch wenn es unwahrscheinlich ist. Aber man sieht ja , wie alles immer weiter zusammenrückt. Früher haben größere Nationen die Außenseiter in Länderspielen auch mal mit 10:0 oder 12:0 aus dem Stadion geschossen, das gibt es kaum noch. Das liegt daran, dass immer mehr Spieler kleinerer Länder in den großen Ligen spielen. Deshalb werden auch Außenseiter bei Turnieren eine gute Rolle spielen können.

Gulacsi: Du willst uns wohl in die Favoritenrolle drängen, was?

Klostermann: So war es gedacht (lacht).

Auch wenn Sie dieses Duell verpassen: Wie groß ist die Chance, dass wir Sie bei der EM noch auf dem Feld sehen?

Klostermann: Ich sage es mal so: Je weiter wir kommen, desto größer wird die Chance.

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