Morgan Guilavogu im Lens-Trikot

Morgan Guilavogui ist beim RC Lens nur Dauer-Reservist. Foto: IMAGO/PsnewZ

Verlierer im Millionen-Spiel: Guilavogui vom St. Pauli-Torjäger zum Mini-Jobber

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Es ist nichts darüber bekannt, wie oft Morgan Guilavogui sehnsuchtsvoll an Hamburg, St. Pauli und das Millerntor denkt, aber die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass er es in den vergangenen Wochen mehr als einmal getan hat. Beim Kiezklub war der Stürmer in der Vorsaison bester Torjäger, Stammspieler, hatte erheblichen Anteil am Klassenerhalt, wurde gefeiert. Seit dem aufsehenerregenden Millionen-Poker im Sommer, bei dem der Kiezklub Guilavogui erst kaufte und dann doch an seinen Stammklub RC Lens verkaufen musste, ging es für den Angreifer den Bach runter, zerschlugen sich Pläne, platzten Träume. Im Rückblick stellt sich die Frage: Was sollte das verdammt teure Theater, aus dem der Spieler nach Stand der Dinge als größter Verlierer hervorgeht?

Im europäischen Liga-Betrieb ruht der Ball, aber auch die Länderspielpause dokumentiert, wie viel in letzter Zeit schiefgelaufen ist in der Karriere von Morgan Guilavogui, denn er ist nicht auf Länderspielreise. Auch auf der Bühne der französischen Ligue 1 hat er es nicht geschafft, sich wieder ins Nationalteam von Guinea zu spielen, für das er immerhin schon 21 Einsätze verbucht hat, den letzten jedoch im Februar 2024.

In seiner Zeit bei St. Pauli war noch von „Nationalspieler“ die Rede. Mittlerweile muss man von Ex-Nationalspieler sprechen. Dass Guinea gerade vorzeitig die erhoffte Qualifikation für die WM 2026 verpasst hat, von der Guilavogui eine Zeit lang geträumt hatte, fügt sich ins für ihn traurige Gesamtbild ein.

Morgan Guilavogui beim RC Lens nur Dauer-Reservist

Das Problem: Guilavogui ist beim RC Lens kein Stammspieler. Von bislang sieben Saisonspielen hat er nur zwei von Beginn an bestritten, fünfmal wurde er eingewechselt für Kurzeinsätze. Ein Tor ist ihm gelungen, am dritten Spieltag. Insgesamt nur 221 Minuten hat der dynamische Offensivspieler auf dem Rasen absolviert. Unbefriedigend für einen, der in der Vorsaison insgesamt 27 Einsätze in der Bundesliga und im DFB-Pokal verzeichnet und dabei sieben Tore und vier Assists verbucht hatte. Immerhin läuft es für Lens recht passabel: Die Nord-Franzosen stehen aktuell auf Tabellenplatz sechs, ein Europapokal-Rang. Aber: Er hat wenig dazu beigetragen. Im bislang letzten Ligaspiel durfte er es neun Minuten lang versuchen.

Die erfolgreiche Leih-Saison bei St. Pauli als später Karriere-Kickstart? Diese Hoffnung hat sich erst einmal zerschlagen. In Deutschland ist Guilavogui für seine Verhältnisse durchgestartet, in seinem Geburtsland wieder ausgebremst worden. Fürs Erste jedenfalls. Derzeit deutet wenig auf eine Wende hin.

Lens kaufte Guilavogui von St. Pauli zurück – warum nur?

Das alles ist nicht unnormal im Profi-Fußball, in dem Leistungen von gestern schnell nichts mehr gelten und ein Vereinswechsel die sportliche Situation und Perspektive verändert, auch mal zum Schlechten. Der Fall Guilavogui ist jedoch anders, besonders. Das liegt an dem ungewöhnlichen Transfer in der Sommerpause, der beinahe eine weitere Etappe gehabt hätte, was auch Teil seiner aktuell misslichen Situation ist.

Zur Erinnerung: St. Pauli hatte im Sommer von einer Klausel im Leihvertrag Gebrauch gemacht und Guilavogui für rund 3,5 Millionen Euro verpflichtet. Zum damaligen Zeitpunkt der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte. Der RC Lens wiederum hatte innerhalb einer zweiwöchigen Frist die ebenfalls im Leihvertrag verankerte Rückkaufklausel aktiviert und quasi seinen eigenen Spieler nochmal für rund 4,5 Millionen Euro erworben. Zu Enttäuschung des Kiezklubs, vieler Fans und nicht zuletzt des Stürmers. Das hatte aufgrund des ungewöhnlichen Vorgangs Wellen geschlagen und Schlagzeilen gemacht.

Guilavogui-Deal bislang ein Millionen-Missverständnis

De facto hat Lens einen Spieler teuer zurückgekauft, der lieber bei St. Pauli bleiben wollte, und beschäftigt ihn als Mini-Jobber. Was hatte der französische Klub mit ihm vor? In den Foren vereinsnaher Portale kritisieren viele Fans den Rückkauf als schweren Management-Fehler, als Geld-Verschwendung und auch die Bewertungen Guilavoguis fallen nicht gerade schmeichelhaft aus, um es diplomatisch zu sagen. Er hat keinen leichten Stand und wird angesichts der Ablöse besonders kritisch beäugt.

Ein Millionen-Missverständnis ist der ganze Deal bislang. Hat Lens den Spieler, dessen Qualitäten und eine mögliche Rolle im Team des neuen Trainers Pierre Sage falsch eingeschätzt? Immerhin hatte der Verein im Zuge des Rückkaufs mitgeteilt, dass Guilavogui ein wichtiger Bestandteil in den Planungen des französischen Klubs und seines neuen Trainers sei. In der Saisonvorbereitung hatte er bei fast allen Testspielen in der Startelf gestanden.

Trainer plante schon lange nicht mehr mit dem Stürmer

Doch ebendieser Trainer sagte Ende August und kurz vor dem Ende der Transferphase Folgendes: „Als Morgan Guilavogui hierher zurückkehrte, hat er das sehr professionell gemacht. Aber ich glaube, er hatte andere Ziele im Blick. Als sich eine Gelegenheit bot, war er uns gegenüber sehr transparent. Er hatte diesen Sommer zur Vorbereitung gespielt. Ich sagte, ich hätte nichts gegen seinen Abgang“, erklärte Pierre Sage. Gegen eine adäquate Ablöse, versteht sich. Das klingt etwas anders als „wichtiger Bestandteil in den Planungen“.

Verabschiedete sich mit emotionalen Worten vom FC St. Pauli: Morgan Guilavogui IMAGO/Eibner
Morgan Guilavogui nach seinem Tor in Frankfurt
Verabschiedete sich mit emotionalen Worten vom FC St. Pauli: Morgan Guilavogui

Hintergrund dieser Äußerung: Ein kurz zuvor geplatzter Wechsel von Guilavogui zum englischen Zweitligisten FC Southampton, wo Sages direkter Vorgänger Will Still seit Sommer Trainer ist. Der Spieler und der Premier-League-Absteiger waren sich dem Vernehmen nach einig und der Deal schien in trockenen Tüchern, denn Guilavogui trainierte schon gar nicht mehr bei Lens mit, doch dann platzte der Transfer im letzten Moment. Die Vereine, so heißt es, konnten sich nicht auf die Ablöse-Modalitäten einigen.

Lens schien Guilavogui als Verkaufsobjekt zu sehen

Sportlich wäre der Wechsel für Guilavogui ein Abstieg gewesen. Aktuell ist Southampton mit enttäuschenden elf Punkten aus neun Spielen nur Tabellen-17. (von 24 Vereinen). Finanziell hätte sich ein Engagement auf der Insel, wo bekanntlich am besten bezahlt wird, sicher gelohnt.

Hat sich Lens mit dem Rückkauf ganz einfach verzockt beim Versuch, den 2023 für vier Millionen Euro von Paris FC verpflichteten Guilavogui nochmal mit deutlichem Gewinn an einen anderen Klub zu verscherbeln? Das wirkt so. Denn: Im Sommer haben sich die Rot-Gelben in der Offensive zahlreich und kostenintensiv verstärkt. 6,5 Millionen Ablöse für Rechtsaußen Jeremy Agbonifo vom schwedischen Erstligisten BK Häcken, 6 Millionen für die hängende Spitze Florian Thauvin (Udinese Calcio), 5 Millionen für Mittelstürmer Martin Satriano, 4,5 Millionen für Linksaußen Abdallah Sima (Brighton) und 3,7 Millionen für Odsonne Eduard (Crystal Palace). Darüber hinaus wurde Sturmhoffnung Rayan Fofana – als 19-Jähriger schon mit einem beachtlichen Marktwert von fünf Millionen Euro unterwegs – aus der eigenen Jugend hochgezogen.

Was, wenn Guilavogui bei St. Pauli geblieben wäre?

Die Personalpolitik deutet nicht darauf hin, dass Guilavogui eine wichtige Rolle spielen sollte und soll, sondern vielmehr, dass er verzichtbar ist. Die Worte seines Trainers nach dem geplatzten Wechsel nach England untermauern das.

Morgan Guilavogui verabschiedet sich nach dem letzten Heimspiel von den St. Pauli-Fans. WITTERS
Morgan Guilavogui verabschiedet sich nach dem letzten Heimspiel von den St. Pauli-Fans.
Morgan Guilavogui verabschiedet sich nach dem letzten Heimspiel von den St. Pauli-Fans.

Natürlich drängt sich die Frage auf, wie diese Geschichte verlaufen wäre, wenn Lens die Rückkaufoption nicht gezogen hätte und Guilavogui bei St. Pauli geblieben wäre. Viel Konjunktiv und Spekulation, aber auch ein spannender Gedanke. Andréas Hountondji (drei Saisontore) wäre vermutlich trotzdem verpflichtet worden, denn seine Leihe ist ein kostengünstiges Modell. Der aktuelle (!) Nationalspieler des Benin ist schneller als Guilavogui und hat schon drei Tore mehr auf dem Konto als Guilavogui zum Vergleichszeitpunkt.

Kaars-Transfer nur möglich, weil Guilavogui-Deal platzte

Wäre es bei den 3,5 Millionen Euro Ablöse geblieben, die die Braun-Weißen für den Guineer an Lens zu zahlen gehabt hätten, dann wäre die rund eine Million Euro teurere Verpflichtung von Martijn Kaars nicht zu stemmen gewesen. Der niederländische Zweitliga-Torjäger vom FC Magdeburg hat bislang noch nicht zu seinem und dem Spiel des FC St. Pauli gefunden, aber auch Morgan Guilavogui hat vor einem Jahr eine beträchtliche Anlaufzeit gebraucht. Wäre er im Sommer beim Kiezklub geblieben, hätte er Probleme dieser Art nicht gehabt.

Fakt ist aber auch, dass die sportlich Verantwortlichen der Braun-Weißen die geplatzte Guilavogui-Verpflichtung im Sommer ziemlich schnell abgehakt hatten und ihr angesichts der sich dadurch möglichen und auch erfolgten Stürmer-Transfers nicht groß nachtrauern. Sollte sich Letzteres in den kommenden Wochen und Monaten allerdings ändern, wäre das ein schlechtes Zeichen für St. Pauli.

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