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Im März 2009 brannte es mal wieder am Millerntor.
  • Im März 2009 brannte es mal wieder am Millerntor.
  • Foto: Imago / Fishing4

Üble Szenen, große Siege: Die Spiele von St. Pauli gegen Rostock

Über neun Jahre lang haben sich der FC St. Pauli und Hansa Rostock nicht mehr zum Duell getroffen – was wohl nicht nur der Polizei durchaus ganz recht gewesen ist. Zwischen beiden Vereinen stimmte es fast von Anfang an nicht.

Der Spielraum für Verständigung ist gering – auf und neben dem Platz. Das spiegelt sich auch darin wider, dass es in 18 Spielen zwischen beiden Teams nie ein Unentschieden gab. In der Bilanz liegen die Rostocker mit 10:8 Siegen vorn, wobei St. Pauli die letzten fünf Begegnungen allesamt für sich entscheiden konnte. Die MOPO blickt zurück auf die wichtigsten Duelle.

Das erste Mal

12. August 1992, Millerntor
FC – Hansa 0:2

Beim ersten Aufeinandertreffen an einem Mittwochabend am Millerntor waren bei St. Pauli noch viele Spieler aus den drei Bundesliga-Jahren von 1988 bis 1991 dabei. Doch auch Klaus Thomforde, Jan Kocian, Bernhard Olck, Peter Knäbel, Ralf Sievers und Klaus Ottens konnten nicht verhindern, dass Jens Dowe und Heiko März Hansa in der zweiten Hälfte zum 2:0-Sieg schossen.

St. Pauli-Torwart Klaus Thomforde wurde 1992 von einem „Flitzer“ überrascht. WITTERS
St. Pauli-Torwart Klaus Thomforde wurde 1992 von einem „Flitzer“ überrascht.
St. Pauli-Torwart Klaus Thomforde wurde 1992 von einem „Flitzer“ überrascht.

Thomforde im St. Pauli-Kasten hatte nicht nur mit den Gegentreffern zu tun, sondern auch mit einem „Flitzer”, der über den Rasen lief. Nach gutem Start geriet St. Pauli durch die Heimniederlage in den Abstiegsstrudel, aus dem die Braun-Weißen erst am letzten Spieltag durch Leonardo Manzis Tor zum 1:0 gegen Hannover befreien konnten.

Beginn der Gewalt

13. März 1993, Ostseestadion
Hansa – FC 2:0

Nur zwei Wochen nach der ersten Begegnung am Millerntor schaute die ganze Welt nach Rostock und war entsetzt. Ende August 1992 belagerte ein faschistischer Mob tagelang ein Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen und zündete es schließlich an, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Ein halbes Jahr danach trat St. Pauli erstmals im Ostseestadion an, in dem die rund 1000 braun-weißen Anhänger einem Flaschen- und Becherhagel ausgesetzt waren und sogar mit Bierbänken beworfen wurden. Die Polizei fuhr Wasserwerfer auf, konnte die Lage aber kaum unter Kontrolle bringen. Sportlich trafen wiederum Heiko März und Olaf Bodden zum Rostocker 2:0-Erfolg.

St. Paulis erster Sieg

18. April 1994, Ostseestadion
Hansa – FC 0:1

Carsten Pröpper sorgte mit seinem Treffer in der 78. Minute für den ersten Erfolg der Kiezkicker gegen Hansa – und das auch noch in Rostock. Die Begegnung war eines der von vielen Fans bekämpften Montagsspiele, die live auf DSF (heute Sport1) übertragen wurden. So kamen die TV-Zuschauer in den Genuss der Analyse von St. Pauli-Trainer Seppo Eichkorn, der euphorisch feststellte: „Wir sind der AC Mailand für Arme.” Während Milan Wochen später die Champions League gewann, verspielte St. Pauli jedoch auf der Zielgeraden den sicher geglaubten Bundesliga-Aufstieg.

Thomforde im Nebel

23. September 1995 
Hansa – FC 2:0

Diesmal waren nicht nur die Fans, sondern auch die Spieler von der Gewalt in Rostock betroffen. Bengalos und Rauchbomben im Hansa-Block sorgten für eine Spielunterbrechung, Klaus Thomforde im St. Pauli-Tor versank im Nebel. Das erste Erstliga-Duell beider Vereine stand für St. Pauli eigentlich unter guten Vorzeichen. Mit 7:5 Punkten war der Aufsteiger formidabel in die Saison gestartet, gerade erst hatte das Team von Uli Maslo ein furioses 4:2 in Mönchengladbach hingelegt. Doch Stefan Beinlich und Steffen Baumgart trafen zum 2:0-Sieg von Hansa, gegen den St. Pauli trotz der skandalösen Umstände keinen Protest einlegt. Rostock-Präsident Peter Michael Diestel, zuvor der letzte Innenminister der DDR, erfand derweil den Standardsatz von Hansa-Funktionären zu gewalttätigen Anhängern: „Die sind sonst nie da.”

Der Joker sticht

24. März 1996, Millerntor
FC – Hansa 3:2

Der große Moment von Kay Stisi. Der Stürmer, der 1994 vom TSV Eltingen aus Württemberg ans Millerntor kam, absolvierte insgesamt nur neun Joker-Einsätze in der Bundesliga – aber an einen können sich viele St. Pauli-Fans bis heute erinnern. Neun Minuten nach seiner Einwechslung für Jens Scharping versenkte Stisi den Ball in der 88. Minute zum 3:2-Endstand in den Rostocker Maschen.

St. Pauli-Stürmer Kay Stisi liegt hier zwar am Boden, ist 1996 am Ende aber der gefeierte Held am Millerntor. WITTERS
St. Pauli-Stürmer Kay Stisi liegt hier zwar am Boden, ist 1996 am Ende aber der gefeierte Held am Millerntor.
St. Pauli-Stürmer Kay Stisi liegt hier zwar am Boden, ist 1996 am Ende aber der gefeierte Held am Millerntor.

Zuvor hatte Carsten Pröpper beide St. Pauli-Treffer erzielt. Es war ein wichtiger Erfolg auf dem Weg zum bislang letzten Erstliga-Klassenerhalt, der den Braun-Weißen 1996 gelang. Hansa Rostock verpasste hingegen haarscharf den Sprung in den UEFA-Cup.

Baumgart verdirbt den Start

12. August 2001, Millerntor
FC – Hansa 0:1

Wie 1992 und 1995 verdarben die Rostocker einen guten Saisonstart der Braun-Weißen, die als Bundesliga-Aufsteiger zwei Unentschieden gegen Hertha BSC und in Wolfsburg erreicht hatten. Gegen Rostock sollte nun der erste Dreier her – doch Hansa setzte sich durch das Tor von Steffen Baumgart nach einer Stunde mit 1:0 durch. Auf den ersten Sieg musste St. Pauli bis zum Oktober warten, als ein 4:0 gegen Cottbus gelang. Zwar gab es danach noch das legendäre „Weltpokalsiegerbesieger“-Spiel gegen Bayern München (2:1), doch eine realistische Chance auf den Klassenerhalt besaßen die Kiezkicker nicht.

Die große Aufholjagd 

6. März 2009, Millerntor
FC – Hansa 3:2

Zur Halbzeitpause verräucherten die Hansa-Fans den Hamburger Freitagabendhimmel mit einer Pyro-Show. Ihre Laune war bestens, denn Rostock führte nach nur fünf Minuten (und auch zur Pause) 2:0, unter anderem durch einen Treffer des späteren St. Paulianers Fin Bartels. Nach Wiederanpfiff verkürzte Morike Sako, ehe David Hoilett in der Schlussphase noch zwei Tore zum 3:2-Sieg für St. Pauli gelangen. Rostock hatte sein Pulver offenbar in der Halbzeitpause verschossen – und entließ direkt nach dem Spiel seinen Trainer Dieter Eilts. „Hansa verliert und versinkt im Chaos“, titelte die „Ostsee-Zeitung”. 

Erst eine Fahne, dann der Kater 

2. November 2009, Ostseestadion
Hansa – FC 0:2 

Ein Sieg mit unschöner Begleitmusik: Matthias Lehmann und Deniz Naki schossen in der Schlussviertelstunde ein 2:0 für Braun-Weiß heraus, doch nach dem Montagsspiel herrschte bei vielen eher Katerstimmung. Nach Lehmanns 1:0 hatten St. Pauli-Fans Leuchtfackeln in den Rostocker Block geschmissen, nach dem 2:0 heizte Torschütze Naki die Stimmung mit einer Halsabschneider-Geste gen Hansa-Fans weiter an.

Deniz Naki (r.) trägt nach dem Sieg in Rostock 2009 eine St. Pauli-Fahne. WITTERS
Deniz Naki (r.) trägt nach dem Sieg in Rostock 2009 eine St. Pauli-Fahne.
Deniz Naki (r.) trägt nach dem Sieg in Rostock 2009 eine St. Pauli-Fahne.

Nach dem Schlusspfiff ließ Naki es sich nicht nehmen, vor der Eckfahne ein Totenkopf-Banner auf dem Rasen auszubreiten und eine St. Pauli-Fahne in den Rasen zu stechen – wofür er sich später entschuldigte, was wiederum bei einigen St. Pauli-Anhängern nicht gut ankam.

Das letzte Mal

22. April 2012
FC – Hansa 3:0, Millerntor

Wie am Sonntag waren auch damals keine Gästefans am Millerntor, sie hätten auch nur die wohl eindeutigste Niederlage ihrer Mannschaft gegen St. Pauli gesehen. Zwei Tore von Marius Ebbers und eines vom Ex-Rostocker Fin Bartels sorgten für einen 3:0-Sieg im vorletzten Spiel vor der alten Gegengerade.

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Hansa musste die Zweite Liga als Schlusslicht verlassen, St. Pauli verspielte eine Woche später in Dresden durch ein 0:1 die letzte realistische Aufstiegschance. Nach Dresden muss St. Pauli nun auch wieder – allerdings zum DFB-Pokal-Spiel am Mittwoch.

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