Rager gewählt! St. Pauli beschließt Frauenquote und Strukturreform
Die „Hells Bells“ von AC/DC läuteten um 13.17 Uhr St. Paulis allererste Mitgliederversammlung im Millerntor-Stadion ein. Nach fünf Stunden hatte der Kiezklub mit Strukturreform und Frauenquote unter freiem Himmel dann die Weichen für seine Zukunft gestellt.
Die wichtigste Entscheidung fiel um 16.11 Uhr. 84,9 Prozent der 441 stimmberechtigten Mitglieder winkten den Wunsch des ehrenamtlichen Präsidiums durch, künftig bis zu vier „besondere Vertreter*innen“ bestellen zu können, die sich hauptamtlich um Aufgabenbereiche wie Finanzen, Vermarktung oder Rechtsfragen kümmern sollen.
Präsident Göttlich auf St. Pauli-MV: „Mehr Verantwortung in das Hauptamt legen“
„St. Pauli ist einer der wenigen noch mitgliedergeführten Vereine, das wollen wir unbedingt beibehalten“, warb Präsident Oke Göttlich für die Strukturreform: „Aber weil der Profifußball immer vielfältiger wird, müssen wir mehr Verantwortung in das Hauptamt legen.“ In der 70-minütigen, teils kontroversen Diskussion sprang ihm die Aufsichtsratsvorsitzende Sandra Schwedler bei: „Wir kommen im Ehrenamt an unsere Grenzen. Wir haben viele Modelle durchgekaut und eine gute Lösung gefunden. Zumal der Aufsichtsrat in allen wichtigen Punkten weiter eine Zustimmungspflicht hat.“ Damit begegnete sie Einwänden, die ins Präsidium beförderten Hauptamtlichen könnten ein Eigenleben entwickeln und sich der Kontrolle durch die Mitgliedschaft entziehen.
„Besondere Vertreter*innen“ bewilligt: St. Pauli-Mitglieder entlasten das Präsidium
Die nötige Dreiviertelmehrheit wurde letztlich klar erreicht. Das Präsidium wolle im Tagesgeschäft entlastet werden, um sich, so Göttlich, „mehr mit der mittelfristigen und strategischen Ausrichtung des Vereins” beschäftigen zu können. Zudem übernehmen die „besonderen Vertreter*innen” die Haftung für ihren Bereich, die bislang bei den gewählten Präsidiumsmitgliedern liegt. Kandidaten für die neuen Posten wollte er nicht nennen: „Erst beschäftigen wir uns mit der Struktur, dann mit Personen.”
St. Pauli-Mitgliederversammlung: Nur fünf Stimmen gegen die Frauenquote
In Aufsichtsrat, Ehrenamt und Wahlausschuss müssen künftig mindestens 30 Prozent Frauen vertreten sein. Die Mitglieder nahmen die Frauenquote bei fünf Gegenstimmen und drei Enthaltungen mit großer Mehrheit an. „Die Quote ist nicht die Lösung aller Probleme, aber ein deutliches Zeichen an interessierte Frauen, dass wir es ernst meinen“, erklärte die Ehrenrätin Suzann Edding.
Empörung über den Beatrix-von-Storch-Vergleich von Ex-Aufsichtsrat Doll
Der Ex-Aufsichtsrat Uwe Doll sorgte bei seiner Gegenrede für Empörung, als er davor warnte, dass dann „auch Frauen wie Beatrix von Storch und Eva Herman” in St. Pauli-Gremien gewählt werden könnten, wenn es keine anderen Bewerberinnen geben würde: „Das legt die Axt an die Grundfeste der Demokratie. Begeben wir uns auf diesen Weg, brauchen wir bald überhaupt keine Wahlen mehr.” Seine Argumentation verfing nicht. Die Mitgliedschaft beschloss zudem, im Amateurvorstand einen zusätzlichen Vizepräsidenten zu schaffen, der oder die für Diversität zuständig sein soll.
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Die Journalistin und Teehändlerin Esin Rager, die bislang kommissarisch amtierte, wurde mit 97,2 Prozent der Stimmen zur ordentlichen Vizepräsidentin gewählt. Die 53-Jährige will sich beim FC St. Pauli vor allem um die Aspekte Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit kümmern. „Wir wollen Dinge so neu denken und gestalten, dass es umweltfreundlich und sozial gerecht umgesetzt werden kann”, erklärte Rager. Bereits im Dezember 2021 wird das komplette Präsidium neu gewählt.
Zuschauer in der Corona-Pandemie: St. Paulis Präsident legt sich auf 2G fest
Derweil hat sich Präsident Oke Göttlich in der Diskussion um ein 2G- oder 3G-Optionsmodell in der Pandemie noch einmal deutlich positioniert: „2G wird unser Weg sein, 2G muss unser Weg sein. Ich habe fürs nächste Heimspiel ein gutes Gefühl, dass wir 15.000 Zuschauer erreichen werden.“