Neuer Trainer! Gefährdet der Wirbel in Lens St. Paulis Plan mit Guilavogui?
Das Vorhaben war ohnehin komplex und dadurch kompliziert für den FC St. Pauli. Jetzt haben sich die Rahmenbedingungen für eine Verpflichtung von Wunschstürmer Morgan Guilavogui kurzfristig geändert. Auf dem Trainerstuhl des RC Lens, bei dem Guilavogui unter Vertrag steht, sitzt ein neuer Mann, der möglicherweise andere Ideen hat als sein Vorgänger. Und es ist längst nicht der einzige Wechsel in der Führungsetage des französischen Erstligisten in den vergangenen zwei Wochen, der für Wirbel sorgt beim Klub, welcher ohnehin Probleme hat. Was bedeutet das alles für St. Pauli und den Transferplan?
Es ist eine neue Situation. Für alle beteiligten Parteien des möglichen Deals, der Spieler eingeschlossen. Am Montagabend hat Lens den Franzosen Pierre Sage als neuen Cheftrainer vorgestellt. Der 46-Jährige (Vertrag bis 2028) folgt auf den belgisch-englischen Coach Will Still (32), der am Saisonende und nach nur einer Spielzeit völlig überraschend seinen Rücktritt verkündet hatte – trotz eines bis 2027 laufenden Vertrages. Als Hauptgrund gab Still seine private Situation an. Seine Partnerin Emma Saunders, Journalistin beim britischen Sender Sky Sports, hatte in den vergangenen Monaten zwei schwere Erkrankungen erlitten und noch immer mit den Folgen zu kämpfen.
Guilavogui-Klub RC Lens hat einen neuen Trainer
Was das mit St. Pauli zu tun hat? Ein Trainerwechsel wirft oft auch die sportliche Ausrichtung und personelle Planungen über ein Haufen. Ein neuer Coach bringt neue Ideen mit, hat oft andere Vorstellungen in Bezug auf das Spielsystem, vor allem aber auch sein Personal auf dem Rasen, sprich: seinen Kader.
Für den Kiezklub ist es deshalb schwer bis gar nicht einzuschätzen, ob Sage mehr Verwendung für Guilavogui hat als Vorgänger Still, unter dem der Guineer (Vertrag in Lens bis 2027) nicht zum Zuge gekommen war und deshalb erst das Leih-Geschäft mit St. Pauli möglich wurde.
Beim Bundesliga-Aufsteiger überzeugte der 27-Jährige, kam trotz mehrwöchiger Verletzungspause im Frühjahr auf insgesamt 25 Liga-Spiele, sechs Tore und zwei Vorlagen und war damit in einer torarmen Offensive der erfolgreichste Schütze. Zudem war der 1,89 Meter große und schnelle Schlaks enorm wertvoll im Spiel gegen den Ball.
St. Pauli hat Klausel gezogen – will Lens noch mehr Geld?
Die Vertrags-Lage: St. Pauli hat fristgerecht Ende Mai die Kaufoption für Guilavogui gezogen. Das ist alles andere als ein Geheimnis, sondern war der logische Schritt für das erklärte Vorhaben der Verpflichtung. Die Ablöse dürfte bei drei Millionen bis 3,5 Millionen Euro liegen, wobei nicht vergessen werden darf, dass Lens bereits für die Leihe in der abgelaufenen Saison eine halbe Million Euro kassiert hat.
Viel Geld für St. Pauli-Verhältnisse, aber keine überhöhte Summe – vor allem dann nicht, wenn der neue Vertrag eine Laufzeit über vermutlich drei Jahre hat. Lens wiederum hat eine vertraglich verankerte Rückkaufklausel, die bis Mitte Juni gezogen werden kann. Bedeutet: Lens kann St. Pauli den Stürmer wieder abkaufen, für einen höheren Preis.
RC Lens ist knapp bei Kasse, braucht Transfererlöse
In vereinsnahen Medien wird berichtet, dass Lens mit dem Verkauf Guilavoguis auf jeden Fall die vier Millionen Euro wieder einspielen will, die 2023 bei dessen Verpflichtung an den FC Paris gezahlt worden sind. Ohne einen Rückkauf bliebe die Summe aber leicht darunter, im Falle eines Rückkaufs liefe der Klub allerdings Gefahr, auf Guilavogui sitzen zu bleiben, oder ihn am Ende doch günstiger abgeben zu müssen – möglicherweise sogar unter dem Preis, den St. Pauli per Klausel hinlegt, wie in französischen Medien gemutmaßt wird.
Fakt ist: der RC Lens ist knapp bei Kasse und auch deshalb soll Ex-Trainer Still der Abschied leicht gefallen sein. Im Winter wurden mehrere Topspieler verkauft, um den Verein finanziell zu sanieren, darunter der usbekische Abwehrspieler Abdukodir Khusanov, der für satte 40 Millionen Euro an Manchester City transferiert wurde, und Torwart Brice Samba (für 14 Millionen Euro zu Stade Rennes). Im Gegenzug hat der nordfranzösische Verein gerade sein Stadion zurückgekauft, für 27 Millionen Euro.
Wie plant der neue Trainer Pierre Sage mit Guilavogui?
Lens muss und will auch in diesem Sommer Transfererlöse erzielen, das hat Generaldirektor Benjamin Parrot laut Medienberichten bestätigt. Guilavogui könnte einer davon sein. Die Frage ist, ob sich der Klub mit der von St. Pauli per Klausel festgelegten Summe zufriedengibt oder mehr rausholen will, so viel wie möglich. Dann dürften die Hamburger aber raus sein aus der Nummer und Lens müsste einen anderen Abnehmer finden – oder schon parat haben. Aber will Lens Guilavogui überhaupt noch verkaufen?
An dieser Stelle kommt wieder der neue Trainer ins Spiel. Es ist nicht auszuschließen, dass Pierre Sage den Stürmer und dessen Qualitäten deutlich mehr schätzt als sein Vorgänger und ihn für den Aufbau einer Mannschaft nach seinen Vorstellungen behalten möchte. Anzeichen oder gar Aussagen in diese Richtung gibt es allerdings (noch) nicht, wenngleich die Personalie durchaus die vereinsnahen Medien in Lens beschäftigt. Dass Sage ein 3:4:3-System bevorzugt, passt zu Guilavoguis Profil, der sowohl auf der Außenbahn als auch als zentraler Stürmer spielen kann.
Mitte Juni fällt spätestens eine Entscheidung
Es kann also noch einige Tage dauern, bis in Lens eine Entscheidung fällt. Ohnehin waren die vergangenen zwei Wochen geprägt von einem großen Umbruch. Der Verein hat eine komplett neue Führung. Parrot ist gerade erst für den scheidenden Pierre Dreossi in die mächtige Chefposition gekommen, nachdem Dreossi seinen Job als finanzieller Sanierer in den Augen des Präsidiums erfüllt hat – ohne Rücksicht auf sportliche Belange, wie es heißt, was auch Still frustriert haben soll. Neuer Sportdirektor ist Jean-Louis Leca, der den gefeuerten Diego Lopez ersetzt, welcher bei den Verkäufen von Khusanov und Co. angeblich gar nichts zu sagen hatte.
Für St. Pauli heißt das: die handelnden Führungspersonen bei Lens sind jetzt andere als jene, mit denen vor einem Jahr der komplexe Leih-Deal mit den Kaufoptionen ausgehandelt worden war, wenngleich sie aus den eigenen Reihen kommen und aufgerückt sind.
Chance: Neue Lens-Führung will Thema schnell abhaken
Von außen kommt der neue Trainer, der ein gewichtiges Wort bei der Kaderplanung mitsprechen wird. Der Coach ist übrigens kein gänzlich Unbekannter für St. Pauli. In der Vorbereitung auf die zurückliegende Saison war Pierre Sage Gegner. Im Testspiel der Kiezkicker gegen Olympique Lyon, wo er bis Januar 2025 Trainer war.
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Wenn es gut läuft, dann könnten die umfangreichen Personalwechsel in Lens St. Pauli sogar in die Karten spielen. Weil die neue Führungsetage in der Phase der Neu-Sortierung und -Organisierung sicherlich das ein oder andere Thema schnell vom Tisch haben will und zugleich erste Erfolge vermelden könnte. Einen Millionen-Verkauf nach Hambourg/Allemange zum Beispiel.
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