Fans von Hansa Rostock in Hamburg
  • So sah es bei St. Paulis Heimspiel gegen Rostock aus.
  • Foto: WITTERS

Skandal-Szenen am Millerntor: Hansa Rostock kündigt harte Maßnahmen an

Der FC Hansa Rostock hat am Freitag auf die Vorkommnisse beim Gastspiel am Millerntor am vergangenen Sonntag reagiert und umfangreiche Maßnahmen verkündet. So werden etwa große Teile der Fanszene vom Verein bei den Auswärtsspielen in Magdeburg und Paderborn ausgeschlossen. Karten erhalten lediglich Vereinsmitglieder. Außerdem verkündete Hansa ein Choreo-Verbot bis Saisonende.

Rostocker Fans hatten bei der 0:1-Niederlage gegen St. Pauli große Teile der Sanitäranlagen im Gästebereich zerstört und mit Keramikteilen von den Toiletten einen Ordner am Kopf verletzt. Laut Hansa-Vereinsmitteilung wurden von Pyrotechnik nach der Halbzeitpause (das Spiel wurde wie schon in der ersten Halbzeit mit einigen Minuten Verzögerung angepfiffen) ein Polizist und ein Fan verletzt. Die Hamburger Polizei hat nach eigenen Angaben „mehrere Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten, Sachbeschädigung im Stadion und in den U-Bahnen sowie des Abbrennens von Pyrotechnik“ eingeleitet.

Die Kritik an den Rostocker Fans beschränkte sich allerdings nicht nur auf die Zerstörung der Sanitäranlagen und den Beschuss der Heimfans mit Böllern und Raketen – besonders die politischen Botschaften, die der Hansa-Anhang sendete, sorgten nicht nur bei St. Pauli für Empörung. So war auf einem Banner in Frakturschrift das Wort „Lichtenhagen“ zu lesen, darauf zu sehen außerdem eine Sonnenblume.

„Verstörend“ – Massive Kritik wegen Lichtenhagen-Banner

Die Kombination legt nahe, dass die Rostocker auf die Krawalle im Stadtteil Lichtenhagen anspielten, bei denen im Sommer 1992 Hunderte Menschen, darunter bekannte Rechtsextreme, fünf Tage lang eine Asylbewerberunterkunft terrorisierten. Dabei setzten sie das Sonnenblumenhaus, wie die Unterkunft heißt, mit Molotowcocktails in Brand. Im Gästeblock am Millerntor waren während des Spiels Sonnenblumen zu sehen, Fans verteilten Sonnenblumenkerne auf dem Boden. Die Ultra-Gruppe „Suptras“ veröffentlichte hiervon selbst Fotos.

„Vor 30 Jahren haben Neonazis und Hunderte Unterstützer:innen in Rostock-Lichtenhagen über Tage hinweg Geflüchtete und ehemalige Vertragsarbeiter:innen angegriffen“, sagte St. Pauli-Präsident Oke Göttlich nach dem Spiel. Das brennende Sonnenblumenhaus gelte bis heute als ein Symbol rassistischer Gewalt. „Umso verstörender ist es, wenn dieses Symbol heute genutzt wird, um offensichtlich provozieren zu wollen, wie vergangene Woche in Rostock geschehen.“ Göttlich stellte nach den Ausschreitungen Punktabzüge zur Diskussion.

Keine Stellungnahme zu politischen Botschaften der Hansa-Fans

Auf die Kritik an den Lichtenhagen-Anspielungen ging Hansa Rostock in seiner Stellungnahme nicht ein. Der Klub betonte, „streng unpolitisch“ zu sein und hielt Anhängern vor, dies für ihre Belange zu missachten. „Während man vom Verein fordert, dieser Leitlinie bedingungslos zu folgen, erlaubt man sich selber politisch agieren zu können“, heißt es. Dazu gehörten wie am Millerntor „‘Heil Hansa‘- oder ‚Pommern bleibt deutsch‘- Aufkleber“.

Hansa Rostock hatte erst am Donnerstag auf seiner Internetseite eine Mitteilung der eigenen Fanszene veröffentlicht. Darin hieß es unter anderem, „die Geschehnisse am vergangenen Sonntag haben Grenzen überschritten, waren einfach nur dumm und idiotisch“. Die Fans kündigten an, als Entschädigung etwa 110.000 Euro an den Verein zu überweisen – Geld, das eigentlich für Choreos gedacht war. St. Pauli hatte angekündigt, dem Verein die am Millerntor entstandenen Sachschäden in mittlerer fünfstelliger Höhe in Rechnung stellen. Die vom Anhang geäußerten politischen Botschaften werden in der Mitteilung der Fan-Szene nicht erwähnt.

Verein widerspricht der Polizei – und kündigt Aufarbeitung an

Im aktuellen Rostocker Communiqué verteidigte sich der Klub gegen Kritik, sich erst zu spät zu äußern: „Ein Credo unseres Vereins war immer, sich nicht zu voreiligen Statements und Einschätzungen hinreißen zu lassen, weil es die Öffentlichkeit von uns erwartet. Um die Geschehnisse in Hamburg vernünftig beurteilen, einordnen und vor allem entsprechende Schlüsse daraus ziehen zu können, bedarf es einer sachlichen und gründlichen Aufarbeitung.“ Damit habe der Verein unmittelbar nach dem Spiel begonnen, sie dauere noch an.

Die Rostocker stellten zudem die Einlasssituation im Gästeblock anders dar als die Polizei. Während letztere von einem gezielten Blocksturm der Hansa-Fans sprach, hieß es von den Rostockern, es habe „Drucksituationen“ gegeben, woraufhin die Polizei die Tore geschlossen habe. Weil sich in der Folge abgezeichnet habe, dass nicht alle Fans rechtzeitig ins Stadion kämen, habe sich der Druck erhöht. Daraufhin seien die Tore geöffnet worden und Kontrollen entfallen. „Es gab keine Durchbruchsversuche oder Ähnliches durch die Hansa-Fans“, betonte der Verein. Zudem seien zuvor Rostocker Fans von der Rindermarkthalle mit Pyrotechnik beschossen worden.

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In Absprache unter anderem mit Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) arbeite der Verein nun an Maßnahmen zur „Täteridentifizierung“ und zur „Sanktionierung durch Stadionverbotsverfahren“. So werde etwa geprüft, mehr Kameras im Ostseestadion zu installieren. Auch die in der Vergangenheit unter anderem von St. Pauli-Fans kritisierte Lage des Gästeblocks stehe auf dem Prüfstand, Alternativen würden geprüft.

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